Eine Adventsgeschichte – von Eva Ihnenfeldt

Katinka ist schon sieben. Katinka ist nun groß genug, um eine Menge Dinge zu tun, die sie als kleines Kind nicht tun konnte. Malen, ohne dass jemand ihre Bilder sieht, träumen, ohne dass jemand sie stört, in ihre Welten so geschickt eintauchen, dass es unbemerkt bleibt von den Großen.

Katinka liebt die Adventszeit. Sie spürt tief in sich, dass zu dieser Zeit etwas zum Leben erwacht, was im Jahreskreislauf ansonsten schläft. Zwerge, Elfen, gute Geister kommen aus der Unsichtbarkeit, weil sie sich geschützt wissen durch das, was auf dem Planeten Erde schwingt in der Adventszeit. Sie wagen es, mit den Menschen zu wispern, wenn diese ihre Herzen öffnen. Wenn diese sich öffnen können für das Wunder hinter den Dingen – für das Wunder der allumfassenden Verbundenheit.

Katinka sitzt in ihrem Zimmer und malt. Zunächst malt sie einen Zwerg in die Mitte des weißen Blattes. Sie malt gern mit Filzstiften, weil diese so kräftig sind. Sie malt gern die Begrenzungen mit der dünnen Seite des Filzstiftes, da sie dann feiner zeichnen kann: Wie sieht ihr Zwerg hinaus in die Welt? Was sagt sein Mund? Wie ist er gelaunt? Wie hält der seine Hände? Sitzt oder steht er – oder will er wohin?

Als sie das Gefühl hat, der Zwerg sei nun fertig gemalt, spricht sie zu ihm. „Hallo Zwerg! Habe ich alles richtig gemacht? Bist Du zufrieden?“ Der Zwerg beginnt zu lächeln – oder besser zu grinsen. „Hallo Katinka! Hast Du Lust, mit mir auf Reisen zu gehen?“ Und ob Katinka Lust hat! Das Schönste am Leben ist doch, in Bilder oder andere Kaninchenbauten zu springen und andere Welten zu erforschen. „Ja“ ruft sie uns klatscht in die Hände. „So male einen Höhleneingang. Dann ziehen wir los in den Adventswald. Einverstanden?“

Katinka nimmt den schwarzen Filzstift und malt sorgfältig einen pechschwarzen, kreisrunden Fleck auf das Blatt. Der Zwerg geht voran, Katinkas Seele folgt ihm – mit all ihren Sinnen, mit all ihrer Sehnsucht, mit all ihrem Mut.

Der Höhleneingang führt die Beiden tief, tief in die Schwärze. Ganz schwach ist irgendwann ein Licht zu sehen. Lange dauert es, bis sie dem Licht nahekommen. Die letzte Strecke ist schwer. Der Weg wird eng, Katinka muss kriechen. Die Luft wird dünn, die Brust wird eng, Katinka kann kaum atmen. Sie hat Schmerzen, sie hat Angst. Panik ergreift sie, als sie erkennt, wie eng der Höhlenausgang ist.

Der viel zu enge Ausgang ist dehnbar, umgeben von einer öligen Schleimschicht, die ihr beim Durchflutschen hilft. Gleißendes Licht umgibt sie. Es ist kalt, Katinka friert. Etwas umhüllt sie mit einer wunderbar warmen Decke. Ihre Augen gewöhnen sich an das Licht. Es ist unglaublich!

Sie ist von einem Wald umgeben, der glitzert und leuchtet, der duftet und singt, der sich wiegt in seinem leisen, sanften Atem. Katinka ist überwältigt. Sie schält sich aus der Decke, steht auf, atmet tief die Düfte des Advents ein und tankt mit all ihren Sinnen das, was die Menschen in der winterlichen Erwartungszeit so verzaubert.

Der Zwerg wartet geduldig, bis sie sich an die neue Umgebung gewöhnt hat. Sie wandern durch Dörfer mit fröhlich fleißigen kleinen Dorfbewohnern, die hämmern, putzen, schmieden, kochen… Sie wandern zu Waldseen mit Elfen, die nackt und unbeschwert im glitzernden Mondlicht baden. Sie wandern zu Nachttreffen von weisen und gelehrten Wesen, die sich am Feuer austauschen, beten, singen oder schweigen.

Katinka versteht. Der Geist des Advents ist der Geist der Reinigung, der vorbereitenden Arbeit, der Freude am Putzen und Schmücken. Advent ist die Freude des kindlichen Staunens und die Vorfreude auf Verschmelzung mit all dem, was da ist.

Sie schaut nach oben – zum Nachthimmel. Schemenhaft erkennt sie das Bild einer menschlichen Gestalt. Die Gestalt wird größer, sie leuchtet wie ein Stern.

Katinka glaubt an Jesus, und genau so hat sie sich ihn immer vorgestellt. Lange Haare, Bart, wunderschön und in ein weißes, bodenlanges Gewand gehüllt. Barfuß. Über den Kopf ein leuchtender, schwebender Ring. Ein Heiligenschein.

Ihr Jesus spricht zu ihr. „Katinka“ sagt er. „Nutze die Zeit der Erwartung. Schmücke Dein Außen und schmücke Dein Innen. Gestalte Geschenke für das, was Du erkennst um Dich herum. Beschenke die Armen, beschenke die Nachbarn, beschenke all die, die Dir begegnen. Male Bilder auf Postkarten und verschenke sie an Fremde. Backe Plätzchen für die Bettler. Gib weiter, was Du selbst gestaltet hast. Verschenke Zweige, die Dir beim Spaziergang zufallen. So wird die Welt gesund. So verschenkst Du Deine Liebe.“

Katinkas Kopf füllt sich mit Ideen, Bildern, Möglichkeiten. Ihre Oma wird ihr helfen, Päckchen zu packen und Orte aufzusuchen, wo man Begegnungen hat. Ihr Opa wird mit ihr Abenteuer erleben in fremden Umgebungen, im Wald, im Zug, in der großen Stadt.

Nun hat Katinka es plötzlich eilig. Sie hat verstanden, warum sie den Advent so liebt. Es ist die Verschmelzung mit dem Fremden – es ist die Verschmelzung mit der ganzen Welt. Sie kehrt um und läuft dem Höhlenausgang entgegen.
Doch während sie noch läuft, findet ihre Seele sich schon wieder eingehüllt in Katinkas Körper, zurück an ihrem Schreibtisch. Auf dem Bild sieht sie einen Zwerg, der strahlt wie ein Honigkuchenpferd. Aus dem schwarzen Fleck ist ein leuchtendes Gelb geworden.

Katinka reißt die Tür ihres Zimmers auf. „Mama!“ ruft sie. „Kann ich Oma anrufen? Danke schön! Es ist sehr wichtig!“

Frohe Adventszeit!

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

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