Ich träumte, ich war zu Gast bei einem Lokal-Radiosender. Ich hatte vor, dort eine eigene Sendung – ein eigenes Format zu erhalten. Mit mir zusammen war noch eine junge Frau da, die ebenfalls zu meinem Projekt gehörte, und mit der ich mich bestens verstand. Ich ärgerte mich nur irgendwann mal über sie, weil sie sich nicht so akribisch wie ich auf diesen wichtigen Termin vorbereitet hatte.
Die Moderatoren interessierten sich nur für diese junge Frau. Mich betrachteten sie eher höflich – vielleicht, weil ich schon so alt bin. Leider habe ich vergessen, was genau ich über den Äther bringen wollte.
Ich war wie verbissen mit meinem ganzen Willen dabei. Sprach auch den obersten Chef des Senders an, der zufällig in der Nähe war und auch schon in fortgeschrittenem Alter, was mir Pluspunkte brachte. Immerhin hörte er mir zu. Ich überlegte schließlich sogar, einen eigenen Radiosender zu gründen und erkundigte mich nach den Preisen für das Equipment.
Was soll dieser Traum bedeuten?
Was ich als Programm starten wollte, gilt es nun herauszufinden. Ich versuche es mal:
„Liebe Freunde,
Ich möchte Euch gern beweisen, dass wir alle miteinander verbunden sind. Ich möchte Euch zeigen, wie spannend jeder einzelne Mensch ist. Ich möchte Euch mitnehmen auf meine persönliche Reise durch meine täglichen Möglichkeiten, Menschen zu begegnen und mich mit ihnen zu verbinden. Hier ein paar meiner Begegnungen aus meinen letzten drei Tagen. Ich bin so dankbar, dass ich so leben darf.“
Die Managerin
Da ist die 103-Jährige mit dem 5-jährigen rumänischen Vagabunden-Hund, der gemeinsam mit der Greisin auf Krücken durch den Wald streift. Sie ist eine bekannte, mächtige Managerin gewesen in ihrem langen Arbeitsleben. Nun ist sie schon lange in Rente und strotzt vor Kraft und Leidenschaft. Fährt Auto und parkt an diesem strahlenden Feiertag gekonnt zwischen den unzähligen Autos wie eine Rennfahrerin. Ist blendend angezogen in einem leuchtenden Hosenanzug, der aussieht wie Haute Couture, erinnert in ihrer beeindruckenden Leiblichkeit ein wenig an Machtgrößen wie Helmut Kohl und erklärt mir, dass es nun ihre Lebensaufgabe geworden ist, jeden Tag eine gute Tat zu tun.
Den großen Hund hat sie vor zwei Jahren aus einem rumänischen Vergasungsheim holen lassen. Er hatte zuvor jahrelang in den rumänischen Wäldern überlebt. Natürlich kann sie den Hund nicht mit ihren Stöcken, die die wuchtige große Frau Schritt für Schritt mühsam weitertragen, an die Leine nehmen – aber der fünfjährige Vagabund achtet auf sie wie auf eine mächtige Priesterin aus Avalon.
Er bleibt meist in ihrer Nähe. Geht er ein Stück in den Wald, kommt er sofort zurück, wenn sie ihn mit ruhiger Stimme anspricht. Unfassbar, die Beiden. Er, der Überlebende, der kurz vor dem Henker stand, sie, die Greisin, deren Aufgabe es geworden ist, Gutes zu tun. Der absolute Oberhammer.
Der Klient
Da ist der aggressionszerfressene alternde Narzisst, den ich im Coaching laut anschnauze, weil er mich mit seinem Misstrauen und seinen lauernden Behauptungen ständig aus dem Konzept bringt.
Die Witwe
Da ist die Witwe, die sich laut Jobcenter um TZ-Stellen als Bürohilfe bewerben soll. Die ein Leben voller Schicksalsschläge mit sich trägt (von dem langjährigen, bis heute lauerndem Krebsbefall über den frühen Tod des Ehemannes. Von der Filialleiterin, die Opfer eines bewaffneten Raubüberfalls wurde über die Aufgabe als Mutter eines Sohnes, der sich in der Schule von Anfang an verhaltensauffällig zeigte) und die mir erklärt, dass sie all ihre Einbrüche, die ihre lebenslangen Bestrebungen, Sicherheiten und Erfolge ständig zunichtemachen, als kosmische Hilfe aus dem Jenseits empfindet, die sie vor einem Leben in Erfolg, Ruhe und Beständigkeit beschützen. Wir stellten fest, dass wir uns beide in unserem Glückspegel als eine maximale 10 einstufen. Sie ist glücklich als Witwe mit niedriger Witwenrente und ergänzender Sozialleistung – ich bin glücklich mit meinem abenteuerlichen Leben, das mir täglich viel Aufregung und Spannung beschert. Was uns verbindet, ist dieses Erleben, dass da oben unsere Seelenfamilie über uns wacht und uns zur rechten Zeit die rechten Dinge bringt.
Der alte Philosoph
Da ist der 90-Jährige mit dem eindringlichen Mitteilungsbedürfnis, der tatsächlich unbedingt einer Malerin mitteilen musste, dass ihre vielen Bilder in der Kaffeestube keine Kunst sind. Warum???? Was verbirgt sich hinter seinen wirren Reden über alles Mögliche, was betont, wie intellektuell und verstehend er als Mathematik-Gelehrter und Philosoph ist, der viele Jahre auf Lanzarote in Kontakt mit Anthroposophen lebte und arbeitete. Ist es Neid? Ist es Schmerz? Ist es die Angst vor dem Tod? Ist es eine traumatische Erinnerung?
Die von den Fasttoten Auferstandene
Da ist der Besuch bei der 87-jährigen Frau, die vor einigen Jahren schon monatelang bewegungsunfähig dem Tod nahe war und sich mühsam im Heim zurück ins Leben gekämpft hat. Und die einen Tag vor unserem Besuch noch ihre Hecke ordentlich geschnitten hat und Rasen gemäht. Und die wir mit vier Personen zurücklassen, mit ordentlich Kaffeegeschirr und viel zu viel Kuchen (den sie selbst bezahlt hat). Und die auf meine Bemerkung, dass sie jetzt auch noch allein spülen muss, weil ja ihre Spülmaschine den Geist aufgegeben hat, lächelnd antwortet „Ach, das macht nichts. Mach Dir keine Gedanken, die Nacht ist lang“.
Ich möchte Euch alle mitnehmen auf meinen Reisen durch die Welt der Menschen, die so zauberhaft ist wie die Erlebnisse von Alice im Wunderland. So märchenhaft, so vielschichtig, so ehrlich!
Der Klient
Als ich im Coaching meinen aggressivitätsgeplagten lauernden Klienten so außer mir anschnauzte (meine Kinder sagten mal, in solchen Momenten hätten die Menschen Angst vor mir) empfand ich dieses ergreifende Gefühl von nackter Wut, von „Schluss jetzt“, von „ab jetzt ist mir alles egal“. Auf der Etage war noch ein weiteres Büro besetzt mit einem Kollegen, der unfreiwillig Zeuge meines Wutanfalls wurde. Nachdem mein Klient gegangen war, verließen wir zusammen das Gebäude. Ich spürte, dass er etwas Angst vor mir hatte und sich bemühte, mich nicht zu reizen. Erst dadurch wurde mir bewusst, wie ungewöhnlich ich mich aufgeführt haben musste. Ich staunte innerlich. Immerhin ist mein Klient (den ich total gern mag, mit seiner Bulldoggen-Aggressivität und seiner Biografie voller Kämpfe, Gewalt, Gesetzesverstöße und Kontakt zur Macht des Bösen) einigermaßen ruhig geblieben, was nicht seiner Gewohnheit entspricht. Er hätte mich mit wenigen Fausthieben niederstrecken können.
Später (ich war nach meinem Ausbruch total erschöpft und musste mir erst mal was zum Anziehen kaufen, um mich zu erholen) schrieb er mir bei WhatsApp und entschuldigte sich, dass er mich so aus der Fassung gebracht hatte. Das war so lieb! Ich antwortete ihm, dass er tief in seinem Herzen viel lieber ist als ich. Und das meinte ich absolut ernst. Möge Gott oder der große „Wer auch immer“ ihm jede Sekunde seines letzten Lebensabschnitts zur Seite stehen und ihm zeigen, dass er als Auserwählter es verdient, endlich zur Ruhe zu kommen und ein glückliches Leben zu führen.
Alice im Wunderland
Ach, könntet Ihr erleben, was ich Tag für Tag erlebe, Ihr könntet verstehen, wie verzaubert diese Welt ist. So viele Seelen, die hier herumschwirren in menschlichen Körpern, so viele glitzernde Wunder, mit denen man schon hier auf der Erde kommunizieren kann, als wäre man bereits tot und frei. Es ist der Hammer!