Zunächst war Corona für mich ein Phänomen aus China. Ich war fasziniert, bei YouTube zu sehen, in welch rasender Geschwindigkeit ein Krankenhaus erbaut wurde. Da gab es also ein neuartiges Virus, das vielleicht durch einen Fehler aus einem Forschungslabor entwichen war – wie im Stephen King Roman „The Stand“. Angst hatte ich merkwürdigerweise nicht. Egal, wie es weitergehen würde – ich war bereit. Ich habe stets auf das gehört, was von außen kam – das liegt wohl an meinem religiösen Grundgefühl.
Als eine meiner Studentinnen mir im Februar 2020 schrieb, ich solle Hamsterkäufe machen, weil da was Großes auf uns zukommt, habe ich gehorcht. Mein damaliger Freund Uli und ich – wir hatten genügend Nudeln, Reis und Klopapier für Monate. Dann kam im März der erste Lockdown. Uli und ich waren damals sehr verliebt. Wir saßen am Hammerteich und hörten aneinandergeschmiegt die Rede von Angela Merkel auf dem Smartphone. Was mir am meisten in Erinnerung geblieben ist, ist die Aufforderung, einen Podcast zu starten. Das habe ich dann ja auch später umgesetzt.
Es war wunderschön, diese Lockdown-Ruhe zu erleben. Wir haben jede Gelegenheit genutzt, rausgehen zu dürfen. In Dortmund waren nur noch ein paar Bettler in der City, ansonsten war alles leer. Faszinierend!
Die Welt um mich war weiterhin freundlich. Auch bei der Hochzeit meines Sohnes im April war die Standesbeamtin gutmütig. Entgegen der Corona-Verordnung durften die Trauzeugen und ich mit ins Standesamt. Das Wetter war herrlich und wir haben bei mir zu Hause klein und gemütlich zu Sechst gefeiert. Angst vor Denunziantentum meiner Nachbarn hatte ich nicht.
Ich konnte jeden Tag ganz normal unterrichten von 8.00 Uhr bis 16.30 Uhr. Der Kurs war ja schon vor Corona online gewesen, jetzt eben nur im Homeoffice. Es war eine gemütliche Zeit. Angst vor dem Virus hatte ich auch jetzt nicht. Im Kurs war ein Teilnehmer, der immer entsetzlich gehustet hat und ich dachte „Oh, das ist bestimmt Corona“. Sein Arzt sprach dagegen, weil er auch andere Symptome (Schnupfen) hatte, die damals noch nicht ins offizielle Narrativ passten. Er durfte keinen Test machen. Irgendwann war er wieder gesund.
Dann die Masken! Meine Freundin Margitta und ich nutzten jede Lockdown-Lücke, um shoppen gehen zu dürfen. In Düsseldorf kauften wir uns in der Adventszeit schicke Stoffmasken an der Kö mit weihnachtlichen Motiven.
Alles war so außergewöhnlich, so abenteuerlich. Ich fand es toll und aufregend. Die Beziehung mit Uli war im Sommer 2020 vorbei. Erst wollten wir im April sogar heiraten – dann plötzlich war er weg. Ich hatte schrecklichen Liebeskummer, aber nach einigen Monaten wurde es immer weniger. Ab Anfang 2021 war ich wieder komplett handlungsfähig.
Mein Social-Media-Unterricht veränderte sich im Laufe des Jahres 2020. Plötzlich ging es nur noch um Verkaufen, um Vertrieb. Social Media wurde zur Online-Konsumenten-Gehirnwäsche – die „Graswurzelrevolution‘ war passe. Im Sommer warf ich meinen Dozentenjob hin.
Nach einigen Wochen, in denen ich bereit war, zur Not auch in Hartz-IV zu gehen, erhielt ich die berufliche Chance für einen kompletten Neuanfang. Ich begann im Oktober 2020, Arme und Arbeitsunfähige zu begleiten im Auftrag des Jobcenters.
Ich wurde ein neuer Mensch. Ich erlebte, wie es ist, zu den Verachteten der Gesellschaft zu gehören. Ich erlebte, wie Corona und die Impfpflicht meine Leute noch tiefer in die Welt der Ausgestoßenen trieb. Ich selbst hatte mich impfen lassen, ganz einfach, um in Ruhe arbeiten und leben zu können. Ob ich daran früher sterben würde, war mir egal. Ich lebe schließlich in der Gegenwart, der morgige Tag soll sich morgen um sich kümmern – ich habe keinen Moment zu vergeuden. Ich will mein Leben im Hier und Jetzt genießen.
Dass sich die Politik, meine Kinder und die allgemeine Stimmung Richtung autoritärer Anerkennung wandten, habe ich hingenommen. Mein Sohn und ich vereinbarten, nicht mehr über Politik zu sprechen. Das machte mir wenig aus. Es ist sein Leben, sein Recht, seine Überzeugung. Ich habe kein Bedürfnis, ihn zu überzeugen oder im Rededuell zu besiegen. Außerdem würde ich sowieso immer verlieren.
Irgendwann begann ich, alternative Kanäle bei YouTube zu schauen. Alles 50+ Journalisten, die ich zum Teil aus meiner Kindheit und Jugend kannte. Viele Altlinke – aber auch Konservative wie Peter Hahne. Alles Leute, die aus einer anderen Welt entstammen – aus meiner Welt: „Misstraue jeder Obrigkeit, die Gewalt über Dich hat.“
Ich bin sehr dankbar, dass ich durch meinen Beruf in die Unterschicht gehen durfte. Ich lerne lauter Menschen kennen, die keinerlei Macht haben, keinen Status, keine gesellschaftliche Anerkennung. Es sind alles Typen mit harten Biografien. Lauter Wunder. Ich komme mir oft vor wie Alice im Wunderland. Ich liebe mein neues Leben Minute für Minute.
Ja, ich bin froh, dass ich schon so alt bin. Ich weiß nicht, wohin diese Welt treibt. In den globalen Totalitarismus? In Siechtum und Hoffnungslosigkeit? Ich werde tun, was ich kann, um Menschen aufzurichten, zum Lachen zu bringen, zu beweisen, wie schön sie sind.
Aber jung sein möchte ich nicht in dieser neuen Welt, die seit 2020 Freiheit und politische Selbstbestimmung immer weiter einschränkt. Ich akzeptiere, dass die Menschen die Einengung von Freiheit als beruhigend empfinden – und vielleicht haben sie recht – aber ich werde altmodisch so bleiben, wie ich bin. Und wird auch meine Nische immer kleiner: Ich werde bis zu meinem Tod Menschen finden, mit denen ich offen reden kann „wie früher“.
Oder ich lebe am Ende völlig allein. Auch das finde ich gut. Kontemplation bei Wasser und Brot? OK! Hauptsache, ein Dach über dem Kopf und Heizung, wärmende Kleidung und Essen und Trinken. Alles andere lässt sich gestalten – auch im Angesicht der Überwachung, der weltweiten Verelendung, der Kriege und des Transhumanismus. Ich habe keine Angst. Die paar Jahre kriege ich auch noch ‚rum.