Kurzgeschichte: Zu Ende ist es erst, wenn es sein schlechtmöglichstes Ende gefunden hat

Eva Ihnenfeldt: Martha weiß, wie es ist, in voller Pracht zu leuchten. Martha weiß auch, wie es ist, in vollem Umfang zu scheitern. Martha kennt den Weg der Sonne aus allen Perspektiven. Martha hat gelernt, diese Wechsel zu lieben. Wärme und Kälte, Licht und Dunkel, Aufgang und Untergang – das lange Warten auf den nächsten Morgen.

Martha spricht seit einiger Zeit wieder gern mit ihrer Seele – wie damals, als Kind. Täglich tauschen sich die Beiden aus über den Sinn, die Bedeutung, die Hintergründe und Sehnsüchte des Erdenlebens – über das Davor und Danach.

Heute früh beim Kaffee fragt Martha ihre Seele: „Warum bloß ist Angst so wichtig, um nicht im Schlamm der Stagnation zu verharren?“ „Was meinst Du selbst dazu, liebe Martha?“ antwortet die Seele in ihrer typisch freundlichen Gelassenheit.

„Angst ist wichtig, da sie Veränderung nach sich zieht“ überlegt Martha. „Flucht, Angriff, Überwindung. Angst ist Antrieb.“

„Und wenn Angst zu Lähmung führt, was ist sie dann?“ fragt ihre Seele. „Das ist schlecht.“ beurteilt Martha den Einwurf. „Lähmung ist schlecht, macht krank und willenlos“. „Soso“ sagt die Seele, „Willenlosigkeit ist schlecht?“ Martha stutzt. Ganz langsam beginnt sie, zu verstehen.

Bild von Robert Owen-Wahl auf Pixabay 

Kann es sein, dass gerade in dem Moment, in dem nichts mehr bleibt, in dem Ohnmacht und Hilflosigkeit den Regenten Mensch vom Thron stürzen, sich das Tor zur Freiheit öffnet? Kann es sein, dass Martha nichts so sehr fürchtet wie dieses endgültige Scheitern? Den endgültigen Schmerz? Oja, ganz gewiss ist es so!

„Was nur kann ich tun, liebe Seele? Ich habe solche Angst vor dem letzten Scheitern, dem langen Schmerz, dem endlosen Siechtum, dem hilflosen Warten auf den erlösenden Tod“

„Ich will Dir etwas verraten“ flüstert ihre Seele. „Ein Geheimnis, das Dich schützt vor dem Widerstand gegen das Siechtum des Alters.

Weißt Du, das Schicksal Jesu ist der Schlüssel. Jesus hat es gewagt, demütig, öffentlich zelebriert, stumm und ergeben das Martyrium des Ausgelieferten anzunehmen. Nimm Dein Kreuz auf Dich, hat er gesagt. Wehre Dich nicht“.

„Na toll“, sagt Martha. „Ich soll also bewusst darauf zugehen, einsam und leidend zu enden in einem Pflegeheim oder auf einer Intensivstation?

„Genau! Tut es bewusst! Lerne Menschen kennen, die bereits im Martyrium des Siechtums sind. Sprich mit ihnen. Begleite sie. Lerne von ihnen. Wehre Dich nicht.“

So endet das heutige Gespräch mit meiner Seele. Da werde ich wohl mal wieder Einiges ändern müssen in meinem Leben. Raum schaffen für Stunden mit Siechenden.

In Pflegeeinrichtungen gehen, mir bei den Siechenden eine Aufgabe suchen. Vielleicht kann ich vom Heiligen Franziskus lernen, die Ausgestoßenen zu umarmen und in ihrer Gemeinschaft Heimat zu finden. Danke liebe Seele – wie gut, dass ich Dich hab.

Seit über zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Manager/Innen. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

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