Gerade höre ich das Buch von Felix Lobrecht „Sonne und Beton“. Er schildert in dem Buch seine Jugend in den Hochhausschluchten von Gropiusstadt, Berlin Neukölln. Die türkisch- und arabischgeprägten Jungens in dem Buch sagen unfassbar häufig „Wallah“, um ihre Aussagen zu unterstreichen. Auch aus der deutschen Rap-Musik kenne ich „Wallah“ – doch was heißt das eigentlich? Ist es nur eine satzfüllende Floskel – oder steckt da mehr dahinter? Und tatsächlich: „Wallah“ ist ein religiöser Ausspruch aus dem Islam.
Wallah – Ich schwöre
Die deutschen Jungen in Felix Lobrechts Roman sagen natürlich nicht „Wallah“, sie nutzen stattdessen den Zusatz „Ich schwöre“, um ihre Aussagen zu unterstreichen. Beide Formeln gleichen sich, doch es gibt einen entscheidenden Unterschied: „Wallah“ bedeutet, dass ein Schwur immer und einzig und allein auf den allmächtigen Gott (im Islam Allah) zurückgeht.
Man könnte also „Wallah“ eher mit dem christlichen „Amen“ (So sei es) vergleichen als mit einem alltäglichen Versprechen, nicht gelogen zu haben. Ich schwöre nicht bei mir und meinem eigenen Leben – ich schwöre bei Gott und durch Gott – Amen. Verstoße ich gegen diesen Schwur, habe ich Gott selbst belogen und missbraucht.
Natürlich sind Jugendliche eher selten religiös motiviert, sie leben in einer hormongeschwängerten Lebensphase, die ihnen andauernd moralisch fragwürdige Entscheidungen abverlangt. „Hast Du geraucht?“ „Nein, ich schwöre!“. Wallah wird von vielen muslimischen Jugendlichen im Kiez benutzt, um der eigenen Aussage Eindringlichkeit und Kraft zu verleihen. „Mach das besser nicht – sonst werde ich zu Deinem Feind – ich schwöre!“.
Amen
Vielleicht gab es auch Zeiten, in denen nicht nur Priester „Amen“ verwendeten, um die Autorität und Gültigkeit ihrer Aussage zu bekräftigen durch den Segen Gottes. Vielleicht haben Jugendliche im Mittelalter andauernd „Amen“ gerufen, um sich Respekt zu verschaffen? Klingt doch nach einer Zauberformel: „So sei es“.
Sonne und Beton
Den Roman von Felix Lobrecht kann ich allen empfehlen, die sich für das Leben pubertierender Männer aus ungemütlichen Lebensverhältnissen in Metropolen interessieren. Das Buch ist durchaus auch unterhaltsam, manchmal witzig, es beschreibt den ganz normalen Alltag in Gropiusstadt Anfang der 2000er Jahre. Langeweile, Gewalt, Aufsässigkeit, Drogen und Geldknappheit bestimmen das Leben der Jungen aus vielen Kulturen und Ländern.
Man lernt viel über Jugendsprache – das bildet. Und man erkennt vielleicht, wie wichtig es ist, Jugendliche über Bildung und pädagogische Betreuung einen Weg aus dem Ghetto zu ermöglichen – Wallah.
Deutschlandfunkkultur über den Debütroman von Felix Lobrecht: Sonne und Beton