Gestern war der Geburtstag meine Mutter. Als ich sie im März 1959 kennenlernte, war sie 25 Jahre alt. Gerade hatte sie sich aus eigener Kraft ein Berufsleben aufgebaut, das ihre verwundete Seele heilte – doch sie hatte sich entschieden, meinen Vater zu heiraten und eine Familie zu gründen. Nun war sie Hausfrau geworden und es war vorbei mit Anerkennung im Beruf, finanzieller Unabhängigkeit und täglich neuen Herausforderungen. Geboren in eine Welt der „Deutschen Herrenmenschen“, war ihr Leben eine Aneinanderreihung von Einsamkeit und Schmerz. Stellvertretend für alle, die wie sie von Geburt an ein schweres Leben hatten, habe ich ihr dieses Gedicht gewidmet.
Gib auf und kämpfe
Du warst so klein und zart,
Als Du nach Luft geschnappt
Gewalt und Zwangsreflex,
um nicht zu ersticken.
Aufgetaucht in einer fremden Welt,
Von Menschen aufgebaut,
Nichts Gutes wartet hier.
Du ahnst es schon.
Schlag auf den nackten Po!
An Beinchen aufgehängt,
„Bamm“ – beißend Schockgefühl
Du hörst Dich schreien.
Es ist so weit. Die Erde packt Dich hart.
Kalt, fremd und mitleidslos,
kannst Du nicht mehr zurück
Gib auf und kämpfe.