Abschiedsgruß: „Lass Dich nicht ärgern!“ statt „Pass auf Dich auf“?

Seit Corona hat sich der Abschiedsgruß „Pass auf Dich auf“ verbreitet. Ich weiß, dass diese Grußformel lieb gemeint ist und ausdrücken soll, wie wichtig dem Wünschenden die Gesundheit des Gegenüber ist. In meinen Ohren klingt es wie das „Pass auf, Du fällst!“, das Erwachsene manchmal Kindern nachrufen, die übermütig, frei und fröhlich so schnell laufen, wie sie nur können. Das Kind wird gebremst, verunsichert, vielleicht sogar in eine sich selbst erfüllende Prophezeiung getrieben. Wie wäre es mit einer alternativen Abschiedsformel? Ich habe da eine Idee…

Lass Dich nicht ärgern…

Ich habe eine wunderbare Coachingklientin, die zuverlässig beim Abschied die Grußformel „Lass Dich nicht ärgern…“ verwendet. Dieser gute Wunsch löst bei mir aus, dass ich schmunzeln muss. Gelassenheit entfaltet sich, Gutmütigkeit gegenüber dem, was da kommen mag, Entspannung und Tatkraft strecken sich genüsslich. Kurz und gut, der Wunsch (oder Segen) erhöht meine Selbstzufriedenheit. Ich bin kein eingeschüchtertes potenzielles Opfer wie beim „Pass auf Dich auf“, sondern ein Regent, der sich von seinem Volk nicht ärgern lässt.

Nun gehe ich also durch die Welt und lerne, immer häufiger ein „Lass Dich nicht ärgern!“ auszurufen. Ich wünsche es einer Freundin, die als Dozentin an einem Kurs verzweifelt. Ich wünsche es dem Zugbegleiter, der gerade eine stressige Schicht hat. Ich rufe die Grußformel anerkennend hinterher, wenn mir die Gelassenheit von Polizisten imponiert, die betrunkene Fußballfans ertragen müssen: „Nicht ärgern lassen!“ – und sie grinsen.

Bin ich Gestalter meiner Welt?

Nach und nach wird es zum Allgemeingut, dass wir Menschen die Gestalter unserer Welt sind. Religionen werden mehr und mehr ersetzt durch die Philosophie, dass Gedanken, Gefühle, Glaubenssätze, Sinnesprägungen und willensstarke Wünsche das sind, was unsere Realitäten formt.

In meiner Welt erlebe ich dieses Phänomen schon so lange, dass ich mich daran gewöhnt habe. Meine Welt ist nach und nach immer wundervoller und magischer geworden. Menschen, die mir zufällig begegnen, ob als Klient, als kurze Begegnung, als Nachbar oder Kollege, passen wie Puzzlesteine in mein Befinden. Als würden lauter Engel um mich herumtanzen, die sich ab und zu sichtbar machen, oder mich eine Zeit lang liebevoll begleiten.

Kassierer an der Kasse, Zugbekanntschaften auf einer fünfzehnminütigen Fahrt, Bekannte, die ich zufällig treffe… Es ist so verrückt, wie sich genau im rechten Moment mir die passenden Menschen zuwenden. Da muss ich doch mal gaaaanz intensiv „Danke“ sagen.

Doch natürlich weiß ich, dass sich die allermeisten Menschen immer wieder über andere Menschen ärgern. Das tun sie, weil sie sich als Opfer empfinden von Machtausübung und Ungerechtigkeiten. Beziehungspartner werden als toxisch wahrgenommen, Chefs und Kollegen als bedrohlich, Eltern als Ursache für eigenes Leid.

Lass Dich nicht ärgern!

…so rufe ich allen zu, die gespaltene Gefühle zu familiären Zusammenkünften haben oder die sich schon sonntags vor dem Montag grauen. Wer sich nicht ärgert, bleibt handlungsfähig. Sich nicht zu ärgern, ist der erste Schritt zum ehrlichen Mitteilen. Wenn ich mich nicht über meinen Chef ärgere, kann ich ehrlich sagen „Ich habe überhaupt keine Lust, Überstunden zu machen.“ Oder man sagt zu seiner Mutter bei der telefonischen Planung des Weihnachtsfestes: „Sei nicht böse, aber ich komme Dich dieses Jahr erst später besuchen. Ich möchte diese Familienfeier nicht. Ich möchte lieber einfach besinnlich allein Weihnachten genießen“.

Wer sich nicht ärgert, kann Gefühle aussprechen, ohne das Gegenüber anzugreifen. Keine Entschuldigungen, keine Rechtfertigungen, keine Ausreden, keine Lügen, keine Vorwürfe. Einfach nur „Nein“ oder „Ja“. Angstfrei äußern, dass man den Anderen lieb hat. Freundlich sagen, dass man dem Bekannten in seinen finanziellen Problemen kein Geld leihen wird. Aussprechen, wenn man sich unwohl fühlt, wenn man sich dann doch ärgert, wenn man sich bedroht fühlt oder eingeschüchtert. Ehrlichkeit ist der Schlüssel zur Gestaltungsfähigkeit.

Also: „Lasst Euch nicht ärgern!“ Leben ist so wunderwunderschön, wäre doch schade, es sich durch unterdrückte Wut kaputtzumachen. 🙂

Seit über zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Manager/Innen. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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