Schon seit 86 Jahren wird mit der berühmten Harvard-Langzeitstudie zum Thema Glück erforscht, was Menschen brauchen, um ein glückliches Leben zu führen. Im Jahr 1938 begannen Forscher im Rahmen der Studie „Harvard Study of Adult Development“, das Leben von 724 Männern und deren Familien zu begleiten und aufzuzeichnen. Das Besondere an dieser Studie ist, dass erzählte Erinnerungen keine Rolle spielen – sondern ausschließlich Befragungen zur gegenwärtigen Situation. Was also brauchen Menschen wirklich, um ein glückliches Leben zu führen? Schlussfolgert man aus Sicht der Studienleiter, klingt die Formel äußerst simpel: «Menschen brauchen Nahrung, Bewegung, Sinnhaftigkeit, und sie brauchen einander» (Studienleiter Robert Waldinger)
Kann man ein glückliches Leben trainieren?
Auch wenn sich im Laufe der Generationen Werte und Lebensstile sehr verändert haben, bleibt die Formel für ein glückliches Leben anscheinend gleich: Neben der Erfüllung der Grundbedürfnisse sind sinnvolle Aufgaben und soziale Kontakte das Entscheidende, um ein erfülltes Leben zu führen.
Die Harvard Langzeitstudie zeigt im Übrigen auch auf, wie sehr Gesundheit und ein langes Leben davon abhängen, ob man (zumindest als weißer US-Amerikaner, der Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts geboren wurde) sich geborgen und geachtet fühlt.
Selbstzweifel und deren katastrophale Wirkung: Ein geringes Selbstwertgefühl wird durch nagende Selbstzweifel immer weiter genährt und verstärkt. Menschen, die ständig an sich zweifeln, haben unweigerlich auch Probleme damit, soziale Beziehungen zu pflegen und den Sinn ihres Lebens zu erkennen und zu leben. Der Top-Speaker und Bestseller-Autor Tobias Beck hat in einem Blogbeitrag beschrieben, wie es möglich ist, Selbstzweifel zu überwinden. Das eigentliche Geheimnis der Kunst, nicht weiter so streng an sich zu zweifeln, ist demnach die unermüdliche Selbsterforschung und das tägliche Training in der Begegnung mit Menschen.
Die Männer aus der Harvard-Studie zeigen in den Befragungen, wie wichtig ihnen ihre Familien sind, ihre Ehe, ihre Kinder. Während ihre Ehefrauen häufiger über Auseinandersetzungen und Konflikte in der Beziehung klagten, nahmen die eigentlichen Probanden der Studie diese Beziehungsstörungen häufig nicht einmal wahr.
Würde man heute eine solche Glücksstudie starten, sähe das Ergebnis vielleicht anders aus. Heute würde man sicher darauf achten, gleich viele Frauen wie Männer zu befragen, würde die Diversität sozioökonomischer Voraussetzungen, kultureller Prägungen und biografischer Unterschiede bei der Auswahl der Probanden berücksichtigen. Der derzeitige Studienleiter, Robert Waldinger betont in einem Interview mit der NZZ, dass trotz der eingeschränkten Teilnehmerauswahl der Studie, die seit 1938 läuft, auch in anderen Kulturen die ermittelte Glücksformel zutrifft.
Sein TED-Vortrag „What makes a good life? Lessons from the longest study on happiness“ zählt zu den erfolgreichsten Ted-Talks aller Zeiten (bei YouTube mit Untertiteln in 48 Sprachen verfügbar) und wird seiner Aussage nach sogar in China begeistert aufgenommen.
Die Glücksformel bleibt also gleich: Nicht beruflicher Erfolg, finanzieller Reichtum oder Berühmtheit bestimmen das empfundene Lebensglück, sondern ein gesunder Lebensstil, Lebenssinn und verbindende menschliche Beziehungen.
Der Sinn des Lebens
Der Sinn des Lebens hängt laut Wikipedia davon ab, inwieweit das eigene Leben einer idealen Wertvorstellung entspricht. Dafür ist laut Robert Waldinger keine religiöse Bindung nötig. Religiöse Probanden aus der Harvard-Studie gaben zwar an, dass ihr Leben glücklicher sei, weil sie gläubig sind, doch bei den Befragungsergebnissen zeigte sich kein Unterschied zwischen Gläubigen und Ungläubigen. Wichtig war hingegen, ob die Befragten ihr Leben als sinnvoll und wichtig empfanden.
Heute muss der Sinn des Lebens wahrscheinlich anders definiert werden als in patriarchalischen Zeiten der Studie. Doch eines bleibt immer gleich: Sinn ergibt sich daraus, ob ein Mensch wichtig ist und gebraucht wird.
Der Platz in der Familie ist von großer Bedeutung hierfür, aber nicht unabdingbar. In den Ergebnissen der Harvard-Glücksstudie zeigt sich, dass Paare ohne Kinder genauso glücklich leben können wie Paare mit Kindern. Entscheidend ist, ob die Beziehung innerhalb der Partnerschaft Geborgenheit und Sinn gibt, und ob der Mensch dort eine Aufgabe erfüllt, die ihm das Gefühl verleiht, gebraucht zu werden.
Gebraucht zu werden, an seinen Erfahrungen zu wachsen und den eigenen Idealen gerecht zu werden, scheint unabhängig von Religion, Kultur und familiärer Wertvorstellungen ein allgemeingültiger Schlüssel zu sein, um das eigene Leben als sinnvoll zu empfinden und mit sich selbst in Frieden zu sein.
Beziehungen mit Menschen
Ebenso verhält es sich mit den glücklich machenden Beziehungen zu Menschen. Auch als Alleinstehende/r kann man ein glückliches Leben führen, wenn man Freundschaften und Beziehungen pflegt oder auf andere Art intensive Begegnungen mit Menschen erlebt, in denen man eine Aufgabe erfüllt, die dem Gegenüber Gutes bringt.
Waldinger Zitat: „Wenn wir alle vierundachtzig Jahre der Harvard-Studie nehmen und sie zu einem einzigen Lebensprinzip zusammenfassen, wäre dieses: Gute Beziehungen machen uns gesünder und glücklicher“
Fazit
Je individueller unsere Lebenswege in der heutigen Zeit werden, desto wichtiger ist es, das eigene Lebensglück durch Eigenerforschung und Training im Außen zu finden. Der Beruf spielt unweigerlich eine große Rolle, ebenso wie die Familiengründung.
Manche Menschen brauchen Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit, um glücklich zu leben, andere brauchen stabile Beziehungen und die Geborgenheit in ihrer Familie. Was jedoch alle brauchen, ist Nahrung, Bewegung, eine als sinnvoll empfundene Aufgabe und bedeutende Begegnungen mit Menschen, denn durch unsere Beziehungen mit Menschen erfahren wir Liebe, Bedeutung und Wachstum.