Das Experiment „Universe25“ fand Anfang der Siebziger Jahre statt. Es wurde weltberühmt. Das Spezialgebiet des amerikanischen Verhaltensforschers John B. Calhoun war die Frage, wie sich eine dicht bevölkerte Population auf das Verhalten auswirkt. Bei diesem Experiment (unten im Video erklärt) erschuf er ein Mäuseparadies, das mit 8 Mäusen startete und innerhalb kürzester Zeit zu einer dicht bevölkerten Kolonie wurde. Nahrung und Wasser gab es im Überfluss, Feinde waren nicht vorhanden. Trotz der Dichte gab es Rückzugsmöglichkeiten für einzelne Mäuse. Die Wissenschaftler achteten darauf, dass die als verkraftbar errechnete Zahl von 2.200 Mäusen nicht überschritten werden konnte.
Lebten diese Mäuse nun glücklich und zufrieden in ihrem Paradies? Nein, sie starben „freiwillig“ aus – Weibchen wurden unfruchtbar, fraßen ihre Jungen auf und wehrten Männchen ab. Auch Männchen hatten keine Lust mehr auf Sex, einige wurden zu „Schönlingen“. In Gruppen gab es erbarmungsloses Mobbing des „Establishments“ gegenüber Außenseitern. Viele Mäuse wählten die Einsamkeit – oder wurden gewalttätig. Warum war das so?
SPIEGEL vom 2 Mai 1971 – Das Mäuseexperiment von John B. Calhoun
Mich wundert, wie viele Menschen heute dem Menschen das Aussterben wünschen – oder zumindest die Halbierung der Weltbevölkerung. Ich frage mich immer, wie sie sich das vorstellen in ihrer Fantasie: Halbierung durch Kriege? Hungersnöte? Unfruchtbarkeit? Krankheiten? Sterben die Wohlhabenden aus oder lieber die Bedürftigen? Oder doch lieber alle?
Es ist, wie es ist. Spannend finde ich an dem Experiment, dass der Untergang dadurch hervorgerufen wird, dass den paradiesisch lebenden Mäusen langweilig wird. Ihnen fehlt die soziale Rolle, der „Sinn des Lebens“, das Streben nach einer Zukunft, die durch die eigene Kraft mitgestaltet wird, durch Fürsorge und Verantwortung.
Im Moment ist es so, dass wohl nur noch in der afrikanischen Subsahelzone mehr als 2,1 Kinder geboren werden (mdr vom 21.03.24- Kamen 2021 29 Prozent aller weltweiten Babys im subsaharischen Afrika auf die Welt, so wird dieser Anteil bis zum Jahr 2100 auf 54 Prozent steigen). Das liegt sicher nicht daran, dass dort im Überfluss gelebt wird und die Früchte auf den Bäumen wachsen. Kinder sind Hoffnung auf eine lebenswerte Zukunft. Kinder sind das Produkt der Gewissheit, dass man wichtig ist für die Gemeinschaft.
Natürlich sind Menschen keine Mäuse. Ich bin weiterhin der Überzeugung, dass es mehr gibt als Genetik und Prägung. Ich wünsche mir von Herzen, dass wir aus dieser Mäuseparadies-Verwöhnung herauskommen, dass wir uns besinnen auf Nächstenliebe und den Wunsch, dass es allen fühlenden Wesen gutgehen möge. Auf jeden Fall ist es lustig, wie wir heute die Verhaltensänderungen der Mäuse beobachten können bei uns Menschen. Sogar die narzisstischen „Schönlinge“ sind dabei. Verrückt, oder? Vielleicht sind wir ja doch nur ganz normale Säugetiere…
Erklärvideo für Schüler und Studenten von @SproutsDeutschland