Heute früh las ich in der NZZ, dass in den USA mehr als die Hälfte der Afroamerikaner der erneuten Öffnung von Schulen kritisch gegenüber stehen. Auch 40 Prozent der Latinos sind besorgt, ihre Kinder wieder zur Schule zu schicken. Bei den Weißen haben nur 25 Prozent Angst, ihre Kinder könnten durch den Schulbesuch corona-infiziert werden. Das grundlegende Misstrauen der „Nicht-Weißen“ in den USA gegenüber Schulen, Gesundheitssystem, Politik und Polizei hat gute Gründe, wie wir alle wissen. Doch nicht nur Diskriminierung und schlechte Erfahrungen sind verantwortlich dafür, dass Arme misstrauischer gegenüber Mitmenschen sind außerhalb ihrer eigenen Community. Und leider führt Misstrauen bei uns allen dazu, dass wir kaum Chancen haben, unser Schicksal zu verbessern. Misstrauen ist wie eine Fußfessel…
In dem interessanten Artikel der NZZ lautet eine Zwischenüberschrift „Je höher der Status, umso mehr Vertrauen“. Das deckt sich mit meinen eigenen Erfahrungen aus Trainer, Dozent und Coach. Die NZZ schreibt, dass in Deutschland 81 Prozent der Arbeitslosen angeben, „man könne im Umgang mit anderen Menschen nicht vorsichtig genug sein“.
NZZ: Viele Afroamerikaner wollen Kinder lieber zu Hause behalten anstatt sie zur Schule zu schicken
Mittelpunkt meines Lebens
Ich weiß, dass meine Denkhaltung das ist was mein Erleben und meine Um-Welt bestimmt. Ich bin ein Mensch, der sich als Mittelpunkt seines Lebens wahrnimmt. Schon als kleines Kind dachte ich, wenn ich mich irgendwo gestoßen habe, der liebe Gott würde mich auf ein Fehlverhalten aufmerksam machen mit dem Schmerz. Egal was passierte, ich war selbst schuld. OK, diese Denkweise hat auch so einige Nachteile, doch dadurch, dass ich eher mein eigener Feind war als dass ich Feinde im Außen suchte, konnte ich Vertrauen zu anderen Menschen haben. Egal wie sie sich benehmen – schlimmer als ich können sie eigentlich nicht sein. So ist es leicht, zu verzeihen und Respekt zu haben vor jedem Lebensentwurf.
Mein Vertrauen in die Richtigkeit der Welt hat mich nach und nach dahin geführt, dass ich mich frei bewegen konnte. Ich brauchte keine Angst haben zu scheitern – was auch immer es sei, man kann es ja mal probieren! Ich weiß, dass ich nur glücklich bin, wenn ich arbeiten kann – und irgendwie hatte ich nie Probleme, einen Job zu finden. Auch nach der Trennung nicht, als ich ohne Ausbildung als Hausfrau von drei Kindern plötzlich für mich um den alltäglichen Lebensunterhalt kämpfen musste – es war abenteuerlich, aber irgendwie ging es immer. Nie musste ich Schulden machen – bis heute nicht.
Dass ich seit vielen vielen Jahren so glücklich bin mit meiner Arbeit, ist nicht mein Verdienst – es ist ganz einfach Glück. Oft war ich zur rechten Zeit am rechten Ort, oft trug mich das Schicksal von einer Chance nur nächsten. Oft gaben mir Andere den entscheidenden Tipp. Danke Euch so sehr dafür!! Mit meinem naiven Vertrauen in die Welt traute ich mich immer wieder, alles hinzuwerfen, wenn es nicht mehr gut war. Und jedes Mal fand sich fast durch Zauberhand eine neue Chance. Und nein, ich habe kein privilegiertes Elternhaus. Ich bin es gewohnt, ohne Absicherung von einem Monat in den anderen zu leben. Ohne Netz und doppelten Boden.
Misstrauen – DER Karrierekiller
Misstrauen ist leider ein entscheidender Karrierekiller. Wenn ich von der Welt und meinen Mitmenschen immer nur das Schlimmste erwarte, werden sie sich meinen Erwartungen fügen und sich genau so verhalten, wie ich es vorher gesehen habe. Wenn ich hingegen jeden Menschen anstrahle wie eine Kostbarkeit, die sich mir lebendig offenbart, wird sich dieser Mensch (unbewusst) darüber freuen und selbst staunen, wie großartig er ist. Eine gute Grundlage für gemeinsame Vorhaben. Und eins ist klar: Sich umdrehen und gehen kann man immer 😉
Natürlich weiß auch ich wie es ist, wenn „die Obrigkeit“ unterdrücken, verachten, ausbeuten und eigene Fehler abladen will. Auch das habe ich oft genug erlebt. Und da ich sehr empfindlich bin, halte ich solche Zustände kaum länger als ein paar Tage aus – sobald ich leide, wird mein braver Körper krank um mir zu helfen, mich zu befreien. Dann geh ich. Und ich gehe sehr schnell. Meine Gesundheit ist und mein Vertrauen in meine „Pippi-Langstrumpf-Welt“ sind mit wichtiger als Sicherheit. Klar lebe ich in ein Land, in dem es fantastische soziale Sicherheitssysteme gibt, doch ich glaube, auch in Südamerika oder wo auch immer würde ich mich durchschlagen mit meinem Vertrauen in die Welt.
Lernt bitte bitte Vertrauen!
Wenn unsere Kinder von uns lernen, dass sie Vertrauen haben können in ihr Leben und ihre Erfahrungen und Mitmenschen, geben wir ihnen gutes Rüstzeug für die selbstbewusste Gestaltung ihrer Zukunft. Es ist egal, ob sie einen Hauptschulabschluss machen, ob sie studieren oder ob sie ewige Vagabunden bleiben (wie ich). Fleißig sein ist gut, einem starken Willen haben ist gut, Selbstvertrauen zu haben und sich geliebt fühlen ist gut. Sich von der Familie zu lösen und sich in die freie Welt der Abenteuer zu trauen ist gut. Viel besser als Urlaub! Echtes Leben!
Dass es in den unteren Schichten so viel Misstrauen gibt hat nämlich auch den Grund, dass man die Liebsten beieinander halten möchte aus Angst vor Einsamkeit und Schutzlosigkeit. Sie sollen nicht weggehen – sie sollen bleiben! Kann ich supergut verstehen und hat meine volle Sympathie (bin ja Arbeiterkind). Aber um das Leben zu bezwingen und mit strahlenden Augen zu ergreifen, brauchen wir Vertrauen in all das, was uns an Neuem begegnet. Jeden Tag aufs Neue. Wie im Film. Das ist der Schlüssel, und das ist das ganze Geheimnis für ein glückliches Leben. Vertrauen ist Magie. Eine Magie, die funktioniert.