„Wenn Du jemanden magst, schenk ihm einen Fisch. Wenn Du jemanden liebst, lehre ihn fischen.“ Wir Coaches und Therapeuten mit systemischem Ansatz wissen, dass jeder Mensch der beste (und eigentlich einzige) Experte seiner selbst ist. Von außen ist es zwar möglich, anhand von Symptomen, Untersuchungen, Tests und Befragungen dem Kern eines Leidens auf die Spur zu kommen, doch bei seelischen Leiden ist es noch schwieriger als bei körperlichen Erkrankungen, Ursachen zu ermitteln und Heilungswege vorzugeben.
In der systemischen Therapie geht es darum, dem Hilfesuchenden Werkzeuge an die Hand zu geben, um sich selbst zu erforschen. Die Aufdeckung von unbewussten Prozessen ist dabei der wichtigste Schritt, um Heilungswege zu finden. Diese Heilungswege sind so individuell wie wir Menschen selbst.
„Der Mensch ist ein Gewohnheitstier“
Der altbekannte Spruch klingt banal, ist es jedoch keineswegs. Unser Körper ist ein Abbild dessen, was in uns lebt. Wir können uns unser physisches Sein vorstellen wie ein Dorf, eine Großstadt, – einen Kosmos, der nach innen gerichtet ist. Unzählige Bewohner haben sich in unserem Körper einquartiert und arrangiert, tauschen sich untereinander aus und sind angewiesen auf den lebenswichtigen Austausch mit anderen Systemen.
Emotionen und Sinnesempfindungen sind die Grundlagen für unser Verhalten nach innen und außen. Oder wie der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick sagt und schreibt: „Man kann nicht nicht kommunizieren“.
Veränderungen der Ernährung, der Bewegung, der Bewertung unserer Sinnesempfindungen und unseres Verhaltens lösen selbstverständlich Widerstand aus in unserem inneren System. Systeme streben nach Ruhe und Sicherheit, Veränderungsprozesse können mit Aufruhr und Streik beantwortet werden, wenn wir Pech haben.
Menschen erhoffen sich in der Psychotherapie häufig eine starke Autorität, die – symbolisch gesprochen – auf den Tisch haut und die Umstände, in denen wir leben, zu Änderungen zwingt. Doch schnell lernen wir, dass nur wir selbst etwas ändern können – die Welt ist, wie sie ist…
In der Überzeugung, dass jeder Mensch der Experte seiner Selbst ist, steckt auch die Überzeugung, dass der Hungernde fischen lernen muss, um seinen Hunger zukünftig zu stillen. Fischen bedeutet für die Selbstheilung der Seele, dass der Leidende lernt, sich selbst zu helfen, indem er die Führung über sich selbst übernimmt.
Selbstcoaching
Wir leben in einer Zeit, die uns unzählige Möglichkeiten des Lernens ermöglicht. Je nach Neigung können wir uns fortbilden durch Bücher, durch Videos, durch Kurse und Gruppen. Die Einen lernen lieber in der Stille und für sich, die anderen brauchen den intensiven Austausch mit anderen Betroffenen.
Es gibt die, die zunächst ihren Intellekt beruhigen müssen, indem sie wissenschaftliche Erkenntnisse erforschen, und es gibt andere, die eine spirituelle Annäherung brauchen, um die Bereitschaft für Veränderungsprozesse zu bekommen. Wieder andere lernen vorwiegend über die Kraft von Beziehungen zu anderen Menschen, die ihr Leid annehmen und respektieren können.
Selbstcoaching ist nicht nur ein trauriger Ersatz für eine medizinisch anerkannte Psychotherapie, die ja nur schwer zu bekommen ist. Selbstcoaching ist die Kunst, sich selbst zu ermächtigen, an sich zu arbeiten.
Familiensystem
Ich selbst bin ein Anhänger der Theorie, dass jeder Mensch ein Teil seines Familiensystems ist – dass wir unser Erbe tragen über viele Generationen hinweg. Unaufgelöste Dramen und Konflikte aus der Vergangenheit leben in uns weiter wie herumspukende Geister.
Wer dieser Theorie anhängt, tut gut daran, in Familienarbeit und Familienaufstellungen aufzulösen, was da zum Vorschein kommen will.
Selbsthilfe-Buchempfehlung: „Dieser Schmerz ist nicht meiner“ von Mark Wolynn. Aussöhnung mit dem familiären Erbe
Selbstliebe
Andere Menschen sehnen sich vor Allem danach, sich selbst lieben zu können. Selbstliebe ist die entscheidende Grundlage für die Kraft, Führer des inneren Kosmos zu werden und Änderungen beharrlich durchzuhalten. Gerade zum Thema Selbstliebe gibt es unzählige Videos, Bücher, Methoden und Übungen, die dabei helfen, das innere Kind zu erlösen und sich selbst zu lieben.
Der friedliche Krieger
Wieder andere brauchen Disziplin, körperliche Herausforderungen, athletische Trainings, die an Grenzen bringen. Selbstkasteiung kann ein wunderbarer Weg sein, um das „störrische Innere“ dahin zu erziehen, sich nicht weiter gegen Änderungen zu wehren. Ob Yoga, Krafttraining oder Extremsport – der Ansatz, über den Körper zu Einsicht und Weisheit zu gelangen, ist autobiografisch viel beschrieben worden in der Literatur.
Therapie und Selbstcoaching
Psychotherapie ist medizinische Heilkunst. Nicht umsonst ist die Ausbildung zum Therapierenden mit kassenärztlicher Zulassung so akademisch langwierig und medizinisch anspruchsvoll. Es erfordert viel Durchhaltevermögen und Willensstärke, sich einen Therapieplatz zu erkämpfen. Die Wartezeiten sind lang, und nur mit ständigen aktiven Bemühungen gelangt man zum Erfolg.
Der Königsweg
Das zu schaffen, ist ein weiterer Weg zur Heilung. Man könnte auch sagen, das ist der „Königsweg“. In manchen Fällen erlebt der Suchende eine Enttäuschung, wenn endlich ein Platz errungen ist. Nicht immer passen Therapierende und Therapiesuchende zusammen. Genau, wie nicht alle Ärzte und alle Patienten zusammen passen. Der Weg, eine/n kassenärztlich anerkannte/n Therapeuten/In zu bekommen, ist wahrlich der Königsweg. Wer diesen Lorbeerzweig errungen hat, hat schon einiges bewiesen an Veränderungsbereitschaft. Diese Bereitschaft kann man nicht kaufen – man muss sie erringen mit eigenem Willen und Beharrlichkeit.
Ich möchte alle Sehnsüchtigen und tief Leidenden auffordern, sich professionelle Hilfe zu suchen und nicht aufzugeben. Medizinisch anerkannte Psychotherapeuten sind nicht durch Coaches zu ersetzen. Coaches können dabei unterstützen, die Selbstheilungskräfte zu stärken und neue Wege zu beschreiten – Psychotherapie ist die Arbeit an Ursachen und Heilungswegen und häufig die wichtige Ergänzung einer fachärztlichen Behandlung durch PsychiaterInnen und Neurologen/Innen.