Soziale Phobie überwinden – vom Angsthasen zum David werden?

Als Kind war ich übermäßig schüchtern. Ich ging jedem Kontakt zu Menschen aus dem Weg. Erst viel später lernte ich, dass „Schüchternheit“ bei Kindern soziale Phobie bei Erwachsenen genannt wird. Schüchtern heißt, verscheucht zu sein. Das Wort stammt aus dem Mittelniederdeutschen und wurde für Tiere verwendet. Das Tier wird erfolgreich verscheucht – das Tier reagiert verscheucht. Super, ich war ein permanent erfolgreich verscheuchtes Tierchen. Ksch ksch – und zack, war ich weg. Was mich gerettet hat, war wohl mein Überlebenstrieb. Ich wollte nicht permanent vertrieben werden. So wurde aus dem verscheuchten Tierchen ein David mit Steinschleuder.

Soziale Phobie bei Erwachsenen

Seit ich als Job- und Karrierecoach tätig bin, lerne ich lauter Menschen kennen, die Angst haben vor Veränderung, vor Bewertung, vor Versagen. Manche von ihnen sind wie gelähmt in ihrer Angst. Manche wollen heraus aus ihrer quälenden Lage, nutzen das Coaching und finden eine Lösung, andere schauen mich an wie ein ewig verscheuchtes Tierchen. Sie glauben nicht daran, dass es eine Lösung gibt. Sie haben resigniert.

Bild von Engin Akyurt auf Pixabay 

Therapiemöglichkeiten bei sozialen Phobien

Erster Schritt
Zunächst ist es wichtig, die eigenen Ängste zu akzeptieren und sich mit ihnen anzufreunden. Ich habe Angst vor Menschen? Stimmt. Ich bin stolz darauf, zu den Verscheuchten zu gehören! Ich bin stolz darauf, zu denen zu gehören, die wissen, was Angst ist. Ich bin stolz darauf, genau der oder die zu sein, der oder die ich heute bin.

Zweiter Schritt
Ich analysiere gemeinsam mit meinem Coach meine Ängste. Wenn ich dazu in der Lage bin, kann ich Aufgaben übernehmen und meine Ängste in der Zeit zwischen den Sitzungen aufzeichnen. Ich kann sie in eine Reihenfolge bringen und betrachten. Falls ich zu „verscheucht“ bin, um Aufgaben zu übernehmen, kann ich in den Sitzungen über meine Ängste sprechen, kann sie analysieren, gewichten, kann Wünsche äußern, ohne dafür getadelt zu werden. Kann Wünsche äußern, ohne gleich mit Lösungs-Rat-Schlägen verscheucht zu werden.

Dritter Schritt
Ich kann meinem Coach gegenüber ein Anliegen formulieren. Ich wünsche mir, nicht mehr so leicht verscheucht zu werden. Ich wünsche mir, etwas zu tun, was ich noch nicht wage. Ich wünsche mir ein Training, um in ganz kleinen Schritten dahin zu kommen, mich etwas zu trauen, was ich mich noch nicht traue. Zum Beispiel wünsche ich mir, mich für einen neuen Job zu bewerben, Karriere zu machen, oder etwas Neues zu lernen – oder ganz einfach, allein in die Bibliothek zu gehen.

Vierter Schritt
Mein Coach hat freundlicherweise gewartet, bis ich mein Anliegen formuliert habe. Er hat mich nicht gedrängt, hat mich nicht dominiert, er hat mich stets so akzeptiert, wie ich bin. Nun können wir gemeinsam daran arbeite, wie ich meine Anliegen verwirkliche. Nun ist Disziplin angesagt. Nun muss David lernen, die Steinschleuder zu gebrauchen. Nun stähle ich mich in Überwindung, Schnelligkeit, Verzicht, Tatkraft.

Fünfter Schritt
Mein Trainingsplan ist hart, fordert mich jedoch immer nur ein Prozent mehr, als ich auszuhalten meine. Wenn ich meine Trainingsziele erreiche, genieße ich die Erfolge. Vielleicht haben wir sogar Belohnungsmomente kreiert für disziplinierte Fortschritte. Ich lerne, mich bewusst zu ernähren und genügend zu bewegen. Mein Körper ist mein Tempel. Das Tierchen in diesem Tempel ist der Wagenlenker und passt gut auf sein Gefährt auf. Ich lerne, Zusagen einzuhalten und verlässlich zu sein. Ich muss nichts tun – doch was ich zusage, das erfülle ich auch. Ich bin zuverlässig.

Leicht gesagt?

Jeder Schritt birgt Gefahren und Barrieren. Immer ist die Gefahr eines Rückfalls gegeben, besonders bei dem Loslassen von Süchten. Jedes verscheuchte Menschlein hat schließlich seine Taktiken entwickelt, mit dem Leben unter Übermächtigen klarzukommen. Bei den Meisten ist es eine ungesunde Lebensführung – die Geringschätzung des Körper-Schneckenhauses, bei einigen sind es Süchte wie Mediensucht, Spielsucht, Alkohol- und Drogensucht, Shoppingsucht oder auch Selbstoptimierungssucht.

Ja, es ist schwer, aus der Menschenangst herauszukommen und sich den Gedanken der Mitmenschen furchtlos zu stellen. Soziale Ängste bedeuten, sich bedroht zu fühlen wie ein gemobbtes Kind in der Schule. Es braucht Zeit und es braucht Disziplin. Aber es lohnt sich. Und seien die Schritte noch so winzig, es lohnt sich, den Kampf gegen Goliath aufzunehmen. Den Kampf gegen das innere Monster aus negativen Gedanken.

Aus Verscheuchten können durchaus Gestalter ihres eigenen Lebens werden! Selbstbewusste Menschen, die sehr gut wissen, was es bedeutet, Angst zu haben. Selbstliebende Menschen, die ihre Nächsten lieben wie sich selbst – und zwar alle. Menschen, die das Leben auf diesem Planeten lieben, weil es immer die Möglichkeit gibt, aus der Vorhölle der Gelähmten in die Frühlingswelt der Tatkräftigen zu kommen. Doch ohne Training geht leider gar nichts, da hilft nur, es zu tun…

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

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