Warum verkrusten Systeme und werden korrupt?

Franz von Assisi – der Franziskaner/Innen-Gründer mit dem Respekt vor Tieren und der Abscheu vor Reichtum – hat angeblich zum Ende seines Lebens gesagt „Hätte ich gewusst was daraus wird, hätte ich nie damit angefangen“. Das System aus Nächstenliebe, Armut, Machtlosigkeit, Poesie und Gleichberechtigung verlor an Unschuld. Macht folgte dem Erfolg. Und Skrupellosigkeit folgte der Macht. Das System wurde umfunktionalisiert für die eigenen Interessen – und die Gier nach immer mehr Profit.

Jedes System wird korrupt

Warum ist das so? Wird wirklich jedes System korrupt? Was heißt überhaupt „korrupt“? Und wenn diese Entwicklung etwas zu Verurteilendes ist, was soll man tun? Eremit werden? Schulterzuckend akzeptieren, dass es nun Mal so ist und sich anpassen? Oder wie Helmut Schmidt sagte: „Menschen mit Visionen sollten zum Arzt gehen“? Hätte der junge wohlhabende Franz von Assisi zum Arzt gehen sollen, anstatt seinen leidenschaftlichen Kampf gegen die Dekadenz und Skrupellosigkeit der Kirche zu führen?

Die notwendigen Phasen der disruptiver Innovation

Bild von Niek Verlaan auf Pixabay 

Um etwas Disruptives zu erschaffen, braucht es den emotional leidenschaftlichen Funken. Disruptiv heißt, bestehende machtvolle Systeme stören und zerstören zu können. David schlägt Goliath. Menschen sehnen sich danach. So schwach David auch ist, die Sehnsucht der eingepressten Mitmenschen nach Freiheit kann ihn tragen, leiten, erheben und bewahren. – Bis er dann erfolgreich ist…

Ist die „Revolution“ erfolgreich, beginnt notwendigerweise Phase 2. Strukturen und Regeln müssen geschaffen werden. Richter und Bürokraten ordnen, was im Chaos des Funkens begann.

In Phase 3 der erfolgreichen Disruption erscheinen die Profiteure des neuen Systems. Sie nutzen die aufgebauten Regeln und Strukturen für sich, um in Machtpositionen zu kommen. Sie suchen sich Verbündete, schmieden Allianzen, verdrängen die Chaoten des Gründungsfunkens. Häufig verlassen diese Idealisten an diesem Punkt das neue System.

In Phase 4 zementieren sich die Machtstrukturen, die in Phase 3 starteten. Das ist unvermeidlich, wenn ein System wächst und sich räumlich ausbreitet. Wird es nicht mit Gesetz und Verwaltung geführt, versinkt es im Chaos der Machtlosigkeit.

Immer wieder versucht das verkrustete System, das mehr von politischen Bündnissen der Führungsebene beeinflusst wird als von der kreativen Schöpfungskraft der Innovatoren, durch Belohnungssysteme und andere pädagogische Maßnahmen „disruptive Schöpferenergie“ einzubinden. Das kann auch gelingen! Doch das ist unweigerlich mit dem Verzicht auf Kontrolle verbunden. Die meisten Systeme bevorzugen Druck und Sanktionsstrukturen. Nicht gerade ein ideales Biotop für Künstler und Visionäre…

Was nun?

Alles ist ok. Die Zerstörung verkrusteter Systeme ist OK. Aus Ideen Systeme geordnet aufbauen ist OK. Als Profiteure diese jungen aufstrebenden Organisationen nutzen ist OK. Sich als Mitglied anpassen und seine Pflicht tun ist OK. Etablierte Systeme durch pädagogische Maßnahmen lebendig erhalten ist OK. Systeme skrupellos ausbeuten und aussaugen ist OK – wichtig ist in sich selbst festzustellen wer man ist und die eigene Rolle ins Bewusstsein holen.

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne…

Ich selbst bin schon immer süchtig nach dem Funken gewesen. Man kann sagen, ich bin als Dauerverliebte auf die Welt gekommen. Dieser Funke entzündet sich an Begeisterung, Faszination, Bewunderung, Mitleid – und am Besten und Erfolgreichsten an Wut.

Meine disruptiven Projekte und Gründungen entstanden aus Mitgefühl und Wut. Wut auf verkrustete Systeme, die mit Macht und Erbarmungslosigkeit über ihren „Besitz“ herrschten. Unternehmen, Politik, Bürokraten…

So Einiges habe ich aufgebaut – doch jedes Mal bin ich gegangen, wenn Phase 3 begann. Kommt die Zeit des Profits, gehe ich, überlebe wieder als „Tagelöhner“, warte auf den nächsten Funken (und den gibt es immer – Dauerverliebten reicht schon ein schöner Vollmond um ihn zu spüren) und lege los.

Das hält meinen Körper gesund (seit ich mich 2004 selbstständig gemacht habe, habe ich keinen einzigen Tag Ausfall gehabt wegen Krankheit), lässt mich hervorragend schlafen, regelt Verdauung und die Balance zwischen „zu viel“ und „zu wenig“. Ich habe mich daran gewöhnt, dass es für mich keine Sicherheit gibt. Es ist bis heute immer gut gegangen – es wird sicher die paar Jahre auch noch gut gehen. Und wenn nicht, na dann eben nicht.

Helfer und Betrüger

Ich habe gelesen, dass es in der sozialen Evolutionstheorie „Helfer“ und „Betrüger“ gibt. Beide haben Vorteile beim Kampf um die Weitergabe ihres Erbgutes. Schließlich regelt die erfolgreiche Fortpflanzung, welche Gene sich durchsetzen auf Dauer. Die Helfer sind attraktiv, weil sie friedlich sind und gern helfen – die Betrüger sind attraktiv, weil sie kriegerisch sind und den Besitzenden so viel wie möglich wegnehmen.

Ich mag sie gleich gern – diese Träumer, Dickköpfe, Störer, Diebe und Unangepassten. Und die vielen vielen tapferen Angepassten mag ich auch gern. Was wären wir ohne sie? Verloren!  Auf jeden Fall ist es unausweichlich, dass Systeme den Regeln der Evolution und Selektion folgen. Und so füge ich mich gern im mein Schicksal und freue mich auf die nächste Disruption. Möge ich Gutes leisten und Sinnvolles ermöglichen.












Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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