Es war dunkel. Es war kalt. Maria fror. Sie spürte ein Ziehen in ihrem Unterleib. Wohin? Wohin? Die öffentlichen Toiletten waren wegen Reparaturarbeiten geschlossen. Das Ziehen wurde stärker, wurde zum Schmerz. Sie wusste nichts über Geburten, sie war ja erst 14. Ziellos irrte sie durch den Bahnhof, die Fußgängerzone, die dunklen Nebengassen.
Die wellenförmigen Schmerzen erfassten ihren ganzen Körper, ihr ganzes Sein, wurden von Mal zu Mal schlimmer. Die Abstände zwischen diesen Urgewalten hingegen wurden geringer. Was tun? In ihrer Not klopfte Maria an fremde Türen, wurde verjagt, verdächtigt, belogen. Manche gaben ihr etwas Geld. Sie wurde immer schwächer. Aus einer Bierspelunke roch es nach Hefe, vergorenem Alkohol und Qualm.
Die Gäste und der Wirt starrten sie an, das fremde Mädchen mit dem dicken Bauch und dem bleichen, schmerzverzerrten Gesicht. OK, sie waren betrunken, arm, einsame Looser jenseits der 50 – doch in solchen Momenten zeigt sich der wahre Charakter.
Arme stützten sie, jemand reichte ihr einen heißen Tee, der Wirt erhitzte Wasser auf dem Herd. Ein Lager wurde bereitet aus Mänteln und Sitzkissen. Einer von den Jüngeren googlete bei YouTube, wie man bei Geburten helfen kann.
Zwei Blut, Schweiß und tränenreiche Stunden später war er da. Der Kleine. Der Schöne. Der Verzaubernde. Der König der Könige. Die alten Männer weinten stumm. Der Wirt spendierte eine Runde Schnaps. Auch Maria bekam einen.
Und ausgerechnet Josef, ehemaliger Gerüstbauer aus dem Osten mit kaputtem Rücken und viel zu kleiner Rente, hörte sich sagen „Lasset uns beten“. Und Gott sah herab und sah, dass es gut war.