Eine 62-seitige Forschungsstudie, die auf Chat-Protokollen von 1,5 Millionen Nutzer/Innen zwischen Mai 2024 und Juni 2025 beruht, kommt zu erstaunlichen Ergebnissen: 73 Prozent der Chats haben keinen beruflichen, sondern einen privaten Hintergrund; etwas mehr als die Hälfte der Nutzer scheinen – dem Namen nach – weiblich zu sein; in ärmeren Ländern wächst die Nutzung schneller als in wohlhabenden Ländern; fast die Hälfte aller Anfragen kommen von jungen Menschen zwischen 18 und 25 Jahren. Am häufigsten wird nach praktischen Lösungen für Alltagsthemen gesucht. Am zweithäufigsten dient ChatGPT dazu, Texte zu erstellen, zu verbessern, zu übersetzen – oder für Konversationen Passendes per Mail oder Social Media zu schreiben.
Das Ende des organischen Internets?

Weiterhin wird deutlich, dass das bisherige Google-Imperium mit Suchergebnissen zu Fragestellungen abgelöst wird von KI-Chatbot-Antworten. Seit Google seine Gemini-Ergebnisse bei Google Anfragen in immer mehr Fällen nach vorn stellt, sinkt die Klickrate auf organische Suchergebnisse dramatisch. In sehr vielen Fällen geben sich die Suchenden mit der Chatbot-Antwort zufrieden und scrollen nicht weiter durch Ergebnis-Webseiten. Suchmaschinenoptimierung muss demnach ganz neu gedacht werden, was Agenturen wie Kunden vor ganz neue Herausforderungen stellt.
Wenn ChatGPT bei Alltagsfragen, textlichen Aufgaben, Konversationen und emotionalen Unsicherheiten antwortet, was macht diese Neuerung mit uns Menschen? Es könnte passieren, dass wir anfangen, dem „Verstand“ der Künstlichen Intelligenz mehr zu trauen als unserer eigenen Denk-, Fühl- und Sprachkompetenz. Schlimmstenfalls verstecken wir uns hinter dem ach so klugen Chatbot und schauen nur noch bewundernd zu, wenn er WhatsApp-Texte verfasst, Mails treffsicher formuliert, bei Trennungswünschen ausführliche Messages vorgibt, die den Empfänger trösten und aufbauen sollen.
Ich selbst habe vor einigen Tagen einen Schwall von Kommentaren zu meinem Podcast erhalten, die ich zunächst ganz toll fand. Nach dem Motto „Endlich versteht mal jemand, wie großartig meine samstäglichen Podcasts sind!“. Als ich jedoch die Absender ergoogelte, stellte ich fest, dass es einfach nur ChatGPT Lobhudeleien waren, die massenweise auf meine Blogbeiträge losgelassen wurden. Kommentare sollen ja gut für SEO sein.
Seit ChatGPT sich so weit ausgebreitet hat, dass schon zehn Prozent der Weltbevölkerung wöchentliche Nutzer sind, ist mir das Ganze verleidet. Ich nutzt ChatGPT nur noch für die Verbesserung von Texten, die ich minutiös vorher eingebe – und selbst dann übernehme ich sie selten ohne weitere Korrekturen durch mich selbst. Ich mag es einfach nicht, wenn ein Roboter sich in mein Leben einmischt. Lieber dümmer sein und echt, als geschmeidig perfekt und künstlich. OK, auch diese Phase wird vorübergehen – schließlich sind wir Menschen stolz auf uns und lassen uns nicht freiwillig verdrängen – oder etwa doch????
t3n vom 15.09.2025: ChatGPT-Studie enthüllt: Wer den KI-Bot wirklich nutzt – und wofür