Arbeitgeber Überwachung: Wenn die Gefühle der Mitarbeiter gemessen werden

Im Rahmen der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (Computer lernen, anhand von erkannten Mustern nach und nach Schlüsse zu ziehen) gibt es auch immer mehr Software, die Gefühlsanalysen vornehmen kann. Laut dem US-Magazin theatlantic.com nutzen große Unternehmen wie Accenture, Intel, IBM und Twitter immer selbstverständlicher diese Sentiment-Analyse-Software-Lösungen, um den Gefühlen und Befindlichkeiten ihrer Mitarbeiter auf die Spur zu kommen. IBM etwa hat bereits in allen 170 Ländern bei allen 380.000 Mitarbeitern ein Social Intranet implementiert, das unter Anderem auch ein Sentiment-Analyse-Tool enthält.

woman-1594711_640Nun ist die Frage, was durch diese Überwachung und Analyse passiert: Werden Unternehmen immer besser darin, begeisternde, glücklichmachende Arbeitsplätze zu schaffen, weil sie die Sorgen und Nöte ihrer Mitarbeiter verstehen? Oder führt die Überwachung der Gefühle dazu, dass die Menschen sich immer mehr ducken und höchstens noch mit passiver Aggressivität (Bockigkeit) einen Rest Widerstand leisten?
theatlantic.com vom 29.9.16: The Algorithms That Tell Bosses How Employees Are Feeling

Schon vor Jahren erzählte mir ein BASF-Manager, wie wunderbar Yammer als Social Intranet (funktioniert ähnlich wie Facebook) auch dafür einsetzbar ist, dass die Mausbewegungen der Mitarbeiter aufgezeichnet werden. Man hat also einen Überblick darüber, welcher Mitarbeiter die meisten Pausen macht und am wenigsten produktiv tätig ist. Nun geht das Ganze noch viel weiter: Anhand meiner Tonalität in Mails, Projekten, Ausarbeitungen, Foren etc. des Unternehmens können Algorithmen ermitteln, ob ich entspannt, gestresst, authentisch, kreativ, motiviert bin. Und sicher können auch Kameras meinem Gesicht ablesen, wie meine Stimmungslage ist. Was passiert da gerade?

Da immer mehr Firmen fusionieren und zu internationalen Größen zusammenwachsen, werden auch in Deutschland die gewerkschaftlichen Einflussnahmen abnehmen. Wie gesagt, IBM setzt sein Social Intranet in allen 170 Ländern ein – da wird ganz sicher Deutschland keine datenschutzrechtliche Insel sein. Wenn einmal technische Möglichkeiten entwickelt wurden (IBM verkauft die Software natürlich auch an Kunden), lassen sie sich selten zurückfahren. Wir werden uns also wahrscheinlich daran gewöhnen müssen, dass nicht nur die Produktivität des einzelnen Mitarbeiters gemessen wird, sondern auch sein Befinden.

Ich bin ziemlich sicher, dass dieses Wissen unweigerlich zu Einschüchterung führen muss. Auch wenn sich die Konzerne bemühen, aus den Erkenntnissen der Sentiment-Analyse die Arbeitssituationen und Arbeitsbedingungen zu verbessern, auch wenn nicht der Einzelne, sondern die Gesamtheit der Belegschaft zu Analysen und Strategien im HR-Bereich herangezogen werden, weiß doch jeder einzelne Mitarbeiter, dass „Big Brother“ ihn überwacht. Unmöglich, sich vorzustellen, dass das keine Auswirkungen auf die Persönlichkeit hat.

OK, ich selbst bin selbstständig und kann mich erst einmal sicher fühlen, doch auch für Bürger, Geschäftspartner, Konsumenten, Eltern, Schüler, Freiberufler und gesellschaftlich Engagierte kann diese Errungenschaft von Sentiment-Analyse-Software folgenschwer werden. Heute funktioniert das Ganze noch so mangelhaft, dass immer ein menschliches Team die Analysen von Einzelnen nachkontrollieren muss, doch unsere Maschinen werden besser und besser. Ein Zurück gibt es nicht mehr. Ob ein Volk von (glücklichen) Sklaven in der Lage sein wird, einen glücklichen, gesunden Planeten zu schaffen? Wer weiß, vielleicht ist das ja die beste aller Zukunftsvisionen: Umweltschonende, positive, motivierte und ausgeglichene Durchleuchtete leben in einer weltweiten Sekte friedlich und gut versorgt zusammen. Oh mein Gott, da will ich nicht bei sein. Wirklich nicht.

Herrlich zynische Szene aus „Utopia“: Ist es aus Umweltschutz-Gründen überhaupt verantwortbar, ein Kind großzuziehen? Also mal ehrlich, schon extrem egoistisch…

Seit über zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Manager/Innen. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

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