Freelancer oder Angestellter? Vorteile und Nachteile

Mehr als 60 Prozent aller Unternehmen sind Solo-Selbstständige (Statistisches Bundesamt 2016 – hier bei unternehmerhelden). Nur wenige von ihnen starten mit innovativen Konzepten – viele sind Freelancer oder selbstständige Dienstleister. Ein Drittel der Einzelunternehmer sind nebenberuflich selbstständig. Das durchschnittliche Nettoeinkommen lag 2014 bei 1.646 Euro monatlich. 53 Prozent können nur wenig oder sogar gar nichts ansparen.

Gegenüber Unternehmern mit abhängig Beschäftigten sind Selbstständige weitaus schlechter gestellt – kein Wunder. Schließlich müssen sie ihre Einkünfte komplett selbst erarbeiten und zusätzlich noch administrative und vertriebliche Aufgaben bewältigen. Je nach Branche differieren die Stundensätze bei Freelancern stark.

Während Freiberufler mit Lehraufträgen meist zwischen 20€ und 50€ pro Stunde abrechnen können, veranschlagen IT-Freelancer im Schnitt rund 90€. Das Prinzip von Angebot und Nachfrage regelt wie überall am freien Markt die Preise. Texter, Social Media Manager, Webdesigner, Grafiker und andere Homeoffice-Freelancer sollten allen Empfehlungen nach mindestens 50€ Stundensatz abrechnen – doch da meist nach Werk und nicht nach Aufwand bezahlt wird, gehen Theorie und Praxis oft weit auseinander.

Als Coach und Unternehmensberaterin ist mein Stundensatz von 100€ in der Stunde üblich und angemessen. Allerdings rechne ich hier in der Regel nicht den kompletten Aufwand ab (Telefonate, Vorbereitung, Nachbereitung, Fahrtzeiten etc. bleiben unberücksichtigt) sondern nur die eigentliche Leistung. So relativiert sich der Stundensatz erheblich – bis um die Hälfte.

Vorteile Freelancer gegenüber Festangestellten

Ich selbst übernehme als Einzelunternehmerin sehr gern Aufträge mit Lehrtätigkeiten – für freie Bildungsträger, IHK’s, Hochschulen, Firmen. Mir wurde tatsächlich vor Kurzem eine Festanstellung als Lehrkraft in der Erwachsenenbildung angeboten, doch nach einiger Recherche war mir klar, dass so eine Anstellung für mich nicht in Frage käme.

Zunächst würde ich weniger verdienen, da Festangestellte in der Regel schlechter bezahlt werden als freie Honorarkräfte. Ich müsste feste Arbeitszeiten einhalten und könnte nicht mehr meine Zeit frei gestalten. Das heißt, ich müsste meine Coaching-, Speaker- und Consultingaufträge aufgeben oder zumindest stark reduzieren, da ich nicht mehr flexibel wäre.

Überhaupt ist die Frage, ob mein fiktiver Arbeitgeber mit meinen freien Tätigkeiten einverstanden wäre. Festangestellte müssen um Erlaubnis bitten, wenn sie weiter selbstständig arbeiten wollen. Dazu wäre ich nicht bereit.

Ich müsste auch Tätigkeiten ausführen, die mir nicht gefallen. Als Festangestellter verkaufe ich nicht nur meine Zeit, sondern auch das „Was“ und „Wie“. Ich müsste Anordnungen Folge leisten, die mir widerstreben. Ich müsste mich in Hierarchien eingliedern, die meinem Selbstbewusstsein und meiner kreativen Entfaltung nicht entsprechen. Das wäre für mich unerträglich.

Die Vorstellung, Vorgesetzte könnten mich disziplinieren, ist eine Horrorvorstellung. Fühlt sich ganz anders an, als wenn Auftraggeber und Auftragnehmer sich trennen, weil sie nicht harmonieren. Abhängig Beschäftigte können sogar Abmahnungen erhalten bei Fehlverhalten – was für eine Demütigung!

Mir tut es gut, als Einzelunternehmerin „auf die Jagd“ zu gehen. Ich kann mich immer wieder verändern und neue Projekte und Geschäftsideen entwickeln. Ich lerne bei meinen vertrieblichen Tätigkeiten viele spannende Menschen kennen und bleibe flexibel und agil. Das brauche ich zum Glücklich sein. Die gesunde Panik bei Auftragsmangel hat mich in den 15 Jahren meiner Selbstständigkeit immer wieder zu neuen Ufern gespült – ohne dieses „Hunger ist des Arbeiters bester Freund“ Prinzip würde ich sicher starr und alt.

Zweimal habe ich bisher Unternehmen gegründet, die schließlich auch abhängig Beschäftigte benötigten. Dabei habe ich festgestellt, dass ich nicht zum Arbeitgeber tauge. Ich bin zwar kein Teamplayer, doch ein Augenhöhe-Player. Ich brauche die Zusammenarbeit mit eigenverantwortlichen Partnern – Chefin sein ist mir unangenehm.

Nachteile Freelancer gegenüber Festangestellten

Der größte Nachteil der Solo-Selbstständigen liegt darin, dass sie keine soziale Absicherung haben. Wir alle bemühen uns, unsere Liquidität mindestens drei Monate im Voraus zu sichern, falls wir einmal arbeitsunfähig werden sollten, doch unvorhergesehene Ausgaben wie große Steuernachforderungen, Auftragsdürre oder überraschende Investitionen können die trügerische Sicherheit schnell zum Einsturz bringen.

Krank werden? Unmöglich, da man nicht nur das Honorar der bestehenden Aufträge verliert sondern eventuell sogar wichtige Auftraggeber, da diese sich nach einem Ersatz umschauen müssen. Kein Urlaubsanspruch, keine Arbeitslosenversicherung, unsichere Altersvorsorge… Solo-Selbstständige leben ein bisschen wie ein „fahrendes Volk“ – und man findet dort auch gehäuft einen ganz bestimmten Typus Mensch. Selbstständige können oft nicht gehorchen und sind freiheitsbesessen – dafür nimmt man gern Risiken und die verrücktesten Abenteuer in Kauf.

Unbezahlte Tätigkeiten sind für Freelancer und Solo-Unternehmer eine Selbstverständlichkeit. Buchhaltung, Akquise, Eigenmarketing, Netzwerken, ehrenamtliches Engagement… Rund ein Drittel seiner Arbeitszeit investiert der durchschnittliche Selbstständige wöchentlich in solche und ähnliche Tätigkeiten. Dass der „selbst und ständig“ Selbstständige dabei meist weitaus mehr als vierzig Stunden wöchentlich arbeitet, muss wohl nicht extra betont werden.

Es ist normal und unerlässlich, dass Freelancer und Selbstständige einen Teil ihrer Aufträge ohne Gegenleistung erbringen. Telefonate, Besichtigungen, Meetings, Vorbereitungen, Nachbearbeitungen, Dokumentationen… Vieles von dem, was im Bereich Coaching, Lehraufträge, Interims-Management und Unternehmensberatung erforderlich ist, wird nicht vergütet (wie zum Beispiel die Erstellung und die Korrektur von Klausuren und Hausarbeiten).

Der Markt von Angebot und Nachfrage entscheidet über den Wert eines Freelancers. In vielen Branchen gibt es sehr viele Suchende und nur wenig Bedarf. Da sind die Verhandlungsgrundlagen denkbar schlecht. In anderen Branchen – vorwiegend in der IT – werden Freelancer und Freiberufler verzweifelt gesucht. Allerdings ist es hier üblich, dass man für die jeweiligen Projekte monatelang am Standort des Auftraggebers arbeiten muss – das bedeutet Hotel bzw. Monteurwohnung und Verzicht auf die Familie, auf Freunde und die gewohnte Umgebung.

Fazit

Grundsätzlich verdienen Solo-Selbstständige und Freelancer mehr als abhängig Beschäftigte – wenn sie voll ausgelastet sind, stets einsatzbereit und gesund wie eine deutsche Eiche (sind deutsche Eichen wirklich so gesund wie Freelancer?). Doch die meisten Freiberufler haben immer wieder Auftragsmangel und müssen dürre Zeiten überbrücken. Ich kenne viele Freiberufler, bei denen der Partner/ die Partnerin ein festes Einkommen nach Hause bringt – und der selbstständige Teil der Familie sich auch hauptverantwortlich um Kinder und Haushalt kümmert. Das kann eine sehr schöne Ergänzung bedeuten.

Ich selbst würde um keinen Preis der Welt abhängig beschäftigt sein wolle. Mit bedeutet mein unternehmerisches Denken sehr viel. Ich liebe es, lösungsorientiert an Probleme heranzugehen und mich immer wieder zu verändern und kreativ in neue Projekte zu springen. Die Vorstellung, mich in Teams und Hierarchien einzugliedern und ein Stück meiner Authentizität und Freiheit aufgeben zu müssen, ist mir unmöglich. Ich würde krank.

Ich mag es, dass wir Selbstständigen gute Kollegen sind, die sich gegenseitig unterstützen und den Wert von fairem Handel verstehen. Menschen, die „ihre Haut so teuer wie möglich“ verkaufen und lieber nehmen als geben, werden kaum länger selbstständig bleiben. Wer nicht anderen hilft und gerne gibt, erfährt auch keine Hilfe. Doch ohne Hilfe und gute Tauschgeschäfte sind Selbstständige und Unternehmer nicht lebensfähig. Danke an alle meine selbstständigen Kollegen und Wegbegleiter – ich mag uns 🙂

 

Seit über zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Manager/Innen. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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2 thoughts on “Freelancer oder Angestellter? Vorteile und Nachteile

  • Reply Peter 22. Februar 2019 at 19:04

    „Selbstständige können oft nicht gehorchen und sind freiheitsbesessen.“
    Herrlich diese klar umrissene Beschreibung, in der ich mich sofort erkannt habe. 😉

    • Reply Eva Ihnenfeldt 22. Februar 2019 at 21:10

      Jaja, so sind wir Peter 🙂 Bis ins Grab bleiben wir uns treu…

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