Warum ich unfähig bin, Unterhaltungen bei Facebook zu führen – Es tut mir leid!

Ich erlebe häufig, dass mir Geschäftspartner oder Freunde lange Nachrichten über Facebook, Mail oder WhatsApp schreiben. Sie geben sich richtig viel Mühe, einen Standpunkt zu erläutern, einen Vorschlag zu machen, ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken. Meine Reaktion? Ich schnappe mir den Telefonhörer und rufe an, um weiter in die Tiefe zu gehen. Mir fällt es total schwer, intensive Unterhaltungen schriftlich zu führen. Ich nutze WhatsApp, Mails und Facebook nur für sachliche Infos, kurze Absprachen, für anerkennende Worte und andere freundliche Zustimmungs-Bekundungen. Warum das so ist, möchte ich im Folgenden ein wenig ausführen.

Ich schreibe unglaublich gern. Schon bevor ich lesen und schreiben lernen konnte in der Schule, malte ich
Buchstaben und ungelenke erste Sätze. Es fasziniert mich bis heute, meinen Gedanken Struktur und Beständigkeit zu verleihen durch das Aufschreiben. „Worte, in Stein gemeißelt“ sind für mich Eva-Sekretärin-1024x783etwas Heiliges, vielleicht vergleichbar mit einem Gebet, das man ja auch nicht einfach so dahinblubbert, sondern bei dem man sich über Wünsche und Bewertungen klar wird. Das geschriebene Wort ermöglicht es mir, meine Ratio und mein bewertendes limbisches System zusammenzuführen. Wenn ich schreibe, paaren sich Verstand, Erfahrung, genetische Dispositionen und Emotion.

Wenn ich lese, was andere Menschen aufgeschrieben haben, bemühe ich mich, ihre Intention zu erkennen, zu verstehen, was sie wirklich ausdrücken wollen. Ich habe sehr viel Respekt vor jedem einzelnen menschlichen Wesen, ich bin sehr stolz auf die Gattung „Mensch“ und es zerreißt mir immer das Herz, wenn ich Sätze höre wie „Tiere sind die besseren Menschen“. Ich bin ein Menschenfreund.

Wenn ich nun drei, vier Sätze in einem sozialen Netzwerk lese von einem Menschen, den ich mehr oder weniger kenne, beginnt mein limbisches System automatisch, zu interpretieren und zu bewerten. Diese Bewertung ist durchweg subjektiv, sie beruht allein auf meinen Vorurteilen und Erfahrungen – entweder mit besagtem Menschen, oder mit den Wörtern, die dort aneinandergereiht zu lesen sind. Ich weiß, dass ich falsch liege mit meinen Bewertungen, doch ich kann mich nicht gegen diesen Automatismus wehren, er ist stärker als mein Verstand.

Das Einzige, was ich tun kann, um dieser Primitivität und diesem infantilen Schnellschuss zu entkommen ist: Anrufen! Das kostet natürlich viel Zeit und ist sehr oft nicht möglich. Darum bemühe ich mich, durch mein Verhalten so wenig Unterhaltungen über soziale Netzwerke und Mails wie möglich anzuregen. Ich finde, das klappt recht gut. Und das, obwohl ich sehr viel im Web unterwegs bin. Für mich ist das Internet ein hervorragender Ort, um Informationen zu geben und zu nehmen, um Absprachen zu treffen, um Zustimmung auszudrücken und sich zu vernetzen. Dafür liebe ich das „Neuland“, es ist ein Schatz an Wissen und ein Universum, um Menschen kennen zu lernen, mit denen mich gemeinsame Grundlagen verbinden. Der nächste Schritt ist dann immer sehr schnell: Telefon, Treffen, gemeinsame Ziele abstecken, etwas TUN.

Als Ort für Kritik finde ich das Internet nur dann geeignet, wenn ich durch meine Worte konstruktiv zum nächsten Step beitragen kann (oder mir das einbilde). Ich selbst lese sehr gern Kritik (auch destruktive), da diese meine Kreativität anregt und mich zu neuen Wegen bringt. Wie sagte Lenin: „Es ist eine alte Wahrheit, dass man in der Politik oft vom Feinde lernen muss.“. Doch ich führe mit meinen „Feinden“ keine Unterhaltungen, weder schriftlich noch mündlich. Ich bedanke mich höflich für die Inspiration, analysiere die Hintergründe im Stillen und arbeite sie in meine zukünftige Strategie ein. Ansonsten gehe ich destruktiv angelegten Menschen konsequent aus dem Weg. Sie kosten sehr viel Zeit und sind wie (leider) viele Politiker, die einfach nur Recht haben wollen. Ich gönne ihnen gern diesen Hormon-Kick, aber das ist nicht meine Welt.

Gerade höre ich als Hörbuch „The Circle“, geschrieben ein wenig als Hommage an Orwells 1984, übertragen auf unsere Welt. Das Buch ist überhaupt nicht mit der literarischen Qualität von Orwell zu vergleichen, es liest sich federleicht weg wie ein Krimi. In einem Interview (siehe Video) meint der Autor Dave Eggers, dass wir heute in einer infantilen Welt leben. Ich glaube, dass die Schreib- und Lese-Fastfood-Mentalität in den sozialen Netzwerken sehr zu dieser Infantilität beiträgt. Man ist immer leichter dabei, Menschen abzuurteilen, Unsinn zu glauben, weil er ins eigene Bewertungssystem passt, sich von einem Hormon-Kick zum nächsten zu klicken – und sich einzubilden, man gehöre einer Community von Gleichgesinnten an, die einem kuschelige Geborgenheit vermitteln.

Darum bitte ich um Verzeihung, wenn ich soziale Netzwerke nur beruflich nutze, für (Eigen)-Marketing, für Service-Leistungen, für Zustimmungsbekundungen. Mein Beruf ist es schon immer, gemeinsam mit „Schwächeren“ den „Stärkeren“ etwas entgegenzusetzen, und ich bin froh, dass ich mich mit diesem Beruf nun schon seit 11 Jahren erfolgreich ernähren kann. Ich baue Unternehmen auf, ich verlasse sie, wenn sie sich ändern, ich setze neue Ideen um. Ich habe meine Angst verloren, bei diesem Beruf irgendwann zu verhungern, und ich bin sehr glücklich, dass wir nun mit Geldwerk1 und mit KMU-digital den nächsten Schritt gehen, um genau das voranzubringen.
Unsere Ziele mit der SteadyNews-Facebook-Fanpage
Darum nicht erschrecken, wenn das Telefon klingelt und ich wegen einem Post, einem Kommentar oder einer persönlichen Nachricht nachfrage: Ich will mich ernsthaft weiterentwickeln, und ich brauche Euer Feedback und Eure Gedanken dazu.

18 Minuten Interview auf Deutsch mit dem Autoren von „The Circle“, Dave Eggers, und Jaron Lanier, Informatiker und Preisträger des „Friedenspreises des Deutschen Buchhandels“

Seit über zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Manager/Innen. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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2 thoughts on “Warum ich unfähig bin, Unterhaltungen bei Facebook zu führen – Es tut mir leid!

  • Reply Olga Benner 6. Oktober 2015 at 09:55

    Hallo liebe Eva,

    was für ein toller Artikel und ein spannendes Thema. Da schreibe ich doch gern was dazu ;-):

    Es geht nichts, über die Möglichkeit sich schriftlich auszudrücken. Ich bin davon begeistert! Dabei würde ich Privates und Persönliches vom Geschäftlichen abgrenzen und unterschiedlich sehen.

    Wenn es etwas mit einem Menschen direkt zu besprechen gibt, dann geht das aus meiner Sicht nur persönlich/telefonisch. Wenn es um berufliche Themen geht, sehe ich das anders.
    Und da bin ich von den neuen Möglichkeiten immer wieder überwältigt. Man braucht in einem Team bestehend aus Kunden und Mitarbeitern kein Kindermädchen mehr, das die 1 zu 1 Kommunikation zusammenfasst für alle, die am Projekt beteiligt sind und im Projektplan festschreibt. Jeder übernimmt ein Stück von dieser Arbeit und solche Projektdokumentationen erstellen sich von alleine: Luxus!

    Diese manchmal ewig langen und vielen Telefonate und Meetings, in denen man nicht auf den Punkt kommt und anschließend die „Platzhirsche ;-)“ die Meinung aller beeinflussen. Die Meinung wird sowieso erst nach diesem Meeting richtig diskutiert. „Das eigentliche Meeting ist nach dem Meeting…“ Das alles läuft anders ab, wenn jeder die gleiche Projektionsfläche für seine eigene Meinung hat. Und alle profitieren davon, dass man mitreden kann. Wir arbeiten in Gruppen an unseren Projekten. Sowohl unsere Mitarbeiter, als auch die Mitarbeiter unserer Kunden stecken in solch einer Gruppe und alle Informationen und Diskussionen landen an einer zentralen Stelle. Es wäre unbezahlbar, das alles in Telefonaten zu klären, aufzuschreiben und anderen zur Verfügung zu stellen. Die Kommunikation würde viel langsamer ablaufen, nicht mit dem gleichen Fokus auf die Problemlösung in einer Gruppe.
    Es wäre auch viel zu schade, wenn Birgit dich jetzt angerufen hätte und ich ihre Meinung dazu nicht erfahren dürfte hier auf Facebook 😉

    Ich würde als Mutter von 2 Kindern und mit dem Job nur 1/10 geregelt bekommen. Das wäre schade, denn ich habe so viel Spaß an diesem Job :-D.

    Auch das, was ich hier schreibe, ist natürlich Selbstmarketing. Und ich zeige lieber schon vor einem Projekt/Auftrag auf, wie wir arbeiten. So gibt es keine Enttäuschungen, wenn uns Kunden beauftragen und dann den telefonischen Service nicht in der Form bekommen, wie das gewünscht ist. Auch möchte ich diese Illusionen nehmen, wenn jemand in unserer Zentrale landet. Hier gibt es die Auskunft, dass wir zurückrufen können oder man uns gerne schon kurz per E-Mail das Anliegen zusammenfassen kann. Es gibt keinen Vertriebsmitarbeiter, der alle Fragen gleich beantworten kann, den sparen wir uns ;-). Wir haben damit einen guten Weg gefunden die Webprojekte für unsere Kundenzielgruppe bezahlbar zu machen 😉

    PS: Ich sehe das als Wertschätzung auf die Meinung anderer Menschen auch online einzugehen und tue das bei Weitem nicht bei jedem.

    Liebe Grüße
    Olga Benner

  • Reply Eva Ihnenfeldt 6. Oktober 2015 at 15:24

    Hi liebe Olga, Du Online-Marketing-Expertin und Pionierin der optimalen Online-Kommunikation! Ich bin so froh, dass Du als erfahrene IT-Projektleiterin Dich dieser wichtigen Thematik angenommen hast und in Deiner Agentur die vielen Facetten der internetbasierten Kommunikation anbietest. Kunden-Service und Kundengewinnung über Facebook, kollaboratives Arbeiten über Social Intranets, Eigenmarketing über alle Kanäle… Du weißt, was Du mit hoher Verantwortung tust. Und besonders wichtig ist mir Dein Aspekt, dass ich über Facebook, Blog und Co genau weiß, für welches Unternehmen, für welche Agentur oder welchen Dienstleister ich mich entscheide: Ich sehe sein Kommunikationsverhalten und bin gut informiert!

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