Interviewserie „Frauen in Führung“: Sylvia Uehlendahl, Leiterin Tiefbauamt Dortmund

Sylvia Uehlendahl entspricht nicht dem Bild, das ich mir von einer Amtsleiterin gemacht hätte. Sie ist jung (mit 45 Jahren eine der jüngsten Amtsleiter in Dortmund), hübsch, selbstbewusst und offen, freundlich und aufgeschlossen. Gern erzählt sie in unserem Interview, wie sich der Arbeitsalltag einer Amtsleiterin im Tiefbauamt mit rund 650 Mitarbeitern gestaltet – und immer wenn es um technische Innovationen geht, leuchten die Augen der Dipl. Bauingenieurin, denn gerade das ist das Herausragende an diesem Amt und ihrem Führungsstil: Das Dortmunder Tiefbauamt hat schon großartige innovative Projekte umgesetzt wie z.B. den Einsatz von lärmarmen oder recycelten Asphalt – denn alle ziehen hier an einem Strang.

SteadyNews: Bitte stellen Sie sich unseren Lesern vor: Was genau ist Ihre Aufgabe und wie gestaltet sich Ihr Arbeitsauftrag in Ihrer derzeitigen Position?

Sylvia Uehlendahl: ich bin Chefin des Tiefbauamts. Insgesamt sind hier rund 650 Mitarbeiter beschäftigt, davon sich 120 Frauen, also weniger als 20 Prozent. Wir planen, bauen und betreiben Straßen und Grünanlagen. Das sind 1.800 km Straßen inklusive Rad- und Gehwege. Wir kümmern uns um 274 Brücken, 650 Signalanlagen, 50.000 Straßenleuchten, 150.000 Straßen- und Alleebäume, 800 ha Grünanlagen, beispielsweise Fredenbaum.

Auch sind wir für den Bau der Stadtbahnanlagen verantwortlich, die später von DSW21 betrieben werden. So verbreitern wir z.B. auch gerade unter dem Bahnhof die Bahnsteige der U-Bahn im unterirdischen Vortrieb – heißt Tunnelbau. Eine hochspannende Aufgabe. Da haben beim Auftragnehmer übrigens zwei junge Frauen die Bauleitung, und die machen das so klasse – hübsche, junge, blonde Ingenieurinnen, und sie machen einen hervorragenden Job!

SteadyNews: Wie sieht denn so ein Aufgabenbereich konkret aus:

Sylvia Uehlendahl: Wir haben im dreistelligen Bereich laufende Projekte in Planung und im Bau, hinzu kommt der laufende Betrieb. Das geht natürlich nur, weil ich eine klasse Führungsmannschaft und ganz klasse Mitarbeiter habe. Ich weiß, dass ich mich auf die Führungsmannschaft verlassen kann. Alle ziehen an einem Strang. Früher habe ich selbst erlebt wie es ist, wenn man Verantwortung übertragen bekommt und das mit viel Engagement verfolgen kann. Das versuche ich, jetzt in meiner Führungsposition weiterzugeben. Wie kann ich besser motivieren als durch Eigenverantwortung?

SteadyNews: Wie können wir uns so einen Arbeitsalltag vorstellen?

Sylvia Uehlendahl: Menschenführung macht ein Hauptteil meiner Arbeit aus: Fachliche Führung und Menschenführung. Zusammen sind das sicher 70 Prozent meiner Arbeit. Projekte führen, leiten, Entscheidungen treffen – und eben die Menschen hinter der Arbeit sehen und begleiten.

Ich meine, dass Informationen sehr wertvoll sind. Ich bemühe mich, dass alle Informationen von oben nach unten weitergegeben werden. Wöchentlich finden Amtsleiterkonferenzen statt in unserem Dezernat. Da berichtet der Dezernent aus dem Verwaltungsvorstand seinem Amtsleitern. Und ich gebe dann in unserem wöchentlichen Bereichsleiterkonferenzen mit 7 Bereichsleitern diese Informationen weiter, so auch wenn sie nicht direkt unser Amt betreffen. Die Bereichsleiter berichten dann ihren Mitarbeitern. Zusätzlich gibt es ein Protokoll, das allen Mitarbeitern elektronisch zur Verfügung steht. Das wird auch gut angenommen.

Ich glaube sogar, dass das ein ganz wichtiges Führungsinstrument ist. Früher war es in der Führung üblich, Informationen als persönlichen Besitz zu betrachten und nur gezielt und ausgewählt weiterzugeben. Davon halte ich nichts. Natürlich kann man nicht alle Informationen 1 zu 1 weitergeben, doch alles, was für die Allgemeinheit wichtig sein könnte, wird weitergeben. Das stärkt den Zusammenhalt und gibt den Mitarbeitern das Gefühl, respektiert und ernst genommen zu werden. Ich signalisiere damit „Ich nehme mir die Zeit“. Was mir bei uns besonders gut gefällt ist, wir können bei den Dienstbesprechungen auch miteinander lachen, aber wenn es ernst wird, sind alle sofort bereit. Da stimmt das Vertrauen. So macht das Spaß.

Ansonsten gibt es natürlich sehr viele inhaltliche, fachliche Termine, bei denen ich Entscheidungen treffen muss. Aber es gibt auch viele personelle Fragen, wo ich wichtig bin. Es gibt immer mehr und immer vielfältigere Aufgaben, Umstrukturierungen, die wir mit immer weniger Personal bewältigen müssen. Heute Nachmittag habe ich z.B. einen Termin mit Kollegen, die – zu Recht – eine Überlastungsanzeige geschrieben haben und schon klasse Vorschläge zur Lösung haben. Was ich erwarte von den Mitarbeitern ist, dass sie sich Gedanken machen, wie wir das Problem lösen können. Mitdenken, Eigenverantwortung übernehmen – und dann finden wir gemeinsam eine Lösung. Manches muss dann natürlich ich organisieren, anstoßen, auf den Weg bringen, ich sehe uns da beide in der Pflicht.

Bürgeranfragen und Politik sind ein weiterer Schwerpunkt meiner Arbeit. Wir bereiten in der Regel Entscheidungen für den Rat vor und bearbeiten kleine und große Anfragen aus der Politik und aus der Bürgerschaft. So legen wir beispielsweise den Plan einer Straße vor, und in der Politik wird dann entschieden. Je nachdem, wie die politischen Gremien tagen, sind das pro Bezirksvertretungssitzung mal schnell bis zu 10 Anfragen, die unser Amt betreffen. Neben den Bezirksvertretungen gibt es noch den Bauausschuss. Insgesamt kommen da schnell bis zu 100 Anfragen monatlich zusammen, die bearbeitet werden müssen. Ich bin sozusagen der Mittler zwischen Amt, Bürgerschaft und Politik. Ich muss mich in jedes Thema inhaltlich einarbeiten und Rede und Antwort stehen. Man kann sagen, wir sind Zulieferer für Politik und Bürger, das ist mein Tagesgeschäft.

SteadyNews: Wie war der Weg zu Ihrer jetzigen Position? Welche Einflüsse und Stationen in Ihrer Biografie haben entscheidend zu Ihrer Karriere/ Ihrer heutigen Aufgabe beigetragen?

Sylvia Uehlendahl: Ich glaube, ich habe eine relativ gradlinige Karriere gemacht. Zunächst habe ich Bauingenieurwesen studiert, dann folgte das Referendariat in der Fachrichtung Stadtbauwesen. Da stand für mich schon fest, dass ich im öffentlichen Dienst eine Karriere anstrebe. Darum wählte ich das Referendariat, das für Ingenieure nicht so typisch ist. Das Referendariat läuft (ähnlich wie bei Juristen und Lehrern) zwei Jahre. Damals habe ich schon erste Erfahrungen im Tiefbauamt Dortmund gesammelt. Aus dem Referendariat heraus hat mich meine Prüferin nach Wuppertal geholt, wo ich acht Jahre lang die Straßenplanung mit 15 Mitarbeitern geleitet habe.

Ja, und dann habe ich mich bei der Stadt Dortmund als Abteilungsleiter für den Straßenbau beworben, habe Frau Bobitka kennen gelernt – und habe den Job bekommen. Das war 2008. Das war mein Einstieg, in Dortmund als Chefin aufzutreten. Was gar nicht so leicht war, schließlich hatte ich es mit vielen gestandenen Bauleitern zu tun – zu 95 Prozent Männer. Ich war erst 38 und wurde natürlich zunächst kritisch beäugt. Wie man sich vorstellen kann, muss man da fachlich und menschlich gut sein, um Respekt zu bekommen. Und das war ich, so dass mir dieser Anfang gut gelungen ist.

Als ich mir diese Anerkennung erst einmal erarbeitet habe, habe ich mehr und mehr gehört, dass die Männer stolz darauf waren, eine Frau als Chefin zu haben. Ich verstehe mich als jemand, dessen Aufgabe es ist, die Interessen meiner Mitarbeiter nach oben zu vertreten – und nicht von oben nach unten zu treten.

Eine Art Schlüsselmoment war für mich, als ich einer Mitarbeiterin persönlich zum Geburtstag gratuliert habe. Sie meinte ganz erstaunt „Das ist mir ja noch nie passiert!“ und ihr Kollege wusste nicht einmal, dass sie Geburtstag hatte… Da habe ich schon gedacht, dass Frauen anders führen, und diese Geste habe ich fortgeführt. Ich gratuliere allen Mitarbeiter, die ich persönlich kenne, zum Geburtstag, wenn möglich mit Handschlag, sonst zumindest telefonisch oder per E-Mail. Hier im Haus sitzen etwa 200 Mitarbeiter. Für mich sind Geburtstage eine schöne Gelegenheit, allen einmal persönlich zu begegnen und mich für ihre Arbeit zu bedanken.

SteadyNews: Was begeistert Sie an Ihrer jetzigen Position? Welche Faktoren sind es, die Sie anspornen, auch bei schwierigen Herausforderungen weiterzumachen und Ihr Bestes zu geben?

Sylvia Uehlendahl: Etwas bewegen zu können ist mir wichtig. Innovationen nach vorn zu bringen, technische Entwicklungen zu fördern, ist für mich eins der Highlights meines Berufs und reizt mich immer wieder. Es ist noch so viel zu tun. Straßenbau ist schließlich viel mehr als „Schwarzer Asphalt“. Und selbst bei jeder einzelnen Straßenleuchte steckt soviel innovative Technik dahinter, das macht mir Spaß. Und überhaupt schätze ich die Vielfältigkeit meiner Aufgaben. Jeder Tag ist anders, nie ist etwas Routine oder gleich. Es gibt viel Raum für technische Kreativität – neben der menschlichen Führung, die sehr viel Spaß macht. Gemeinsam etwas bewegen zu können, spornt mich an. Allein könnte ich nichts bewegen. Fehlt nur einer im Team, funktioniert es nicht. Jeder ist wichtig, vom Straßenwärter bis zur Amtsleiterin.

Bei den technischen Berufen sind ja normalerweise mehr die introvertierten Typen vertreten. Ich als eher extrovertierter Typ habe da sicher so etwas wie einen Wettbewerbsvorteil, weil mir Kommunikation, Führung und Menschlichkeit sehr liegen. Für mich ist Technik meine Begabung, mich kreativ auszudrücken. Das kann ich in dieser Position leben. Ich fühle mich in Jeans und dickem Pullover genauso wohl wie im feinen Kostüm, ob Baustelle oder öffentlicher Auftritt, ich mag Beides und bin auch sehr gern mal ausgesprochen weiblich.

SteadyNews: Welchen Preis müssen Sie für Ihre verantwortungsvolle Position zahlen? Welche Opfer und Einschränkungen begleiten Ihre Karriere/ Ihre heutige Aufgabe?

Sylvia Uehlendahl: Eigentlich muss ich keinen Preis zahlen. Ich habe keinen geregelten 8-Stunden-Tag, ok, aber ich muss keine Opfer bringen, keinen Preis zahlen. Ich mache das, was ich mache, gern. Ich glaube, wenn ich Opfer bringen müsste, würde das dem Spaß an der Arbeit schaden. Ich tue gern, was ich tue, und achte auf Balance zwischen Arbeit und Privatem, damit das so bleibt. Zufriedenheit und Ausgeglichenheit sind wichtig, um diese Balance zu behalten.

SteadyNews: Was sagen Sie zu der Aussage „Frauen führen anders“? Würden Sie anderen Frauen empfehlen, einflussreiche Positionen anzustreben? Wünschen Sie sich mehr Frauen in Macht- und Führungspositionen?

Sylvia Uehlendahl: Definitiv führen Frauen anders, nicht besser, aber anders. Ich denke, dass es einfach die Mischung macht. Frauen und Männer können viel voneinander lernen. Wichtig ist in jedem Fall Empathie, um gut führen zu können.

Zur Frage, ob ich mir mehr Frauen in Führung wünsche: Selbstverständlich wünsche ich mir mehr Frauen in Führung! Doch gerade im Ingenieurwesen ist das noch schwierig. Zweimal musste ich erleben, dass Frauen zu mir sagten: „Führung auf erster Ebene, lieber nicht – lieber auf zweiter Ebene“. Aber ich bin guter Hoffnung, dass sich da auch im technischen Bereich etwas ändert. Immer mehr junge Frauen bewerben sich um Ingenieur-Stellen und können sich auch Führung vorstellen. Ich glaube, wir sind auf einem sehr guten Weg. Das, was die Frauen in den 70er, 80er Jahren erkämpft haben, ebnet uns heute den Weg. Da sage ich doch einfach mal „Danke“.

Sylvia_UehlendahlKontaktdaten:
Sylvia Uehlendahl
Ltd. Städt.Baudirektorin
Amtsleiterin Tiefbauamt
Stadt Dortmund
Königswall 14
44122 Dortmund
Tel:    0231 – 50 22669
Fax.:  0231 – 50 24107

 

 

 

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Seit über zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Manager/Innen. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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