KI-Content überschwemmt das Netz. Ist die Kreativbranche am Ende?

Heute früh hörte ich in einem Podcast eine Sängerin, die darauf hinwies, dass gerade erfolgreiche Kreative eher Entertainment-Dienstleister sind als Künstler. Hinter der Kreativ-Branche steckt sehr viel Geld. Wer hier ein lukratives Business aufbauen will, muss die richtigen Leute kennen. Die „richtigen Leute“ müssen ein Interesse daran haben, die Musiker, gestaltenden Künstler, Schauspieler, Filmemacher, Kreativagenturen etc. zu fördern. So weit, so gut. Doch was wird aus den Kreativen, wenn Künstliche Intelligenz die Welt mit Entertainment überschwemmt?

Bild von tookapic auf Pixabay

Seit der Veröffentlichung von ChatGPT entstehen immer mehr „Content-Schleudern“ im Web. Laut OMR (Online Marketing Rockstars) werden wöchentlich immer mehr komplette Webportale in den Markt geworfen. Im Mai 2023 waren es rund 25 eindeutig identifizierte Nachrichten-Websites, die in Akkordzeit KI-Content produzieren. Texte, Bilder, Audios und Videos können in rasendem Tempo veröffentlicht werden. Entscheidend für die überzeugende Qualität des Contents scheint vor allem davon abhängig zu sein, wie gut die Prompts (Anweisungen, Befehle) gestaltet sind. Kein Wunder, dass so viele „Prompt-Engineer“ Jobs im Netz ausgeschrieben sind. Die KI-Software muss schließlich gefüttert werden, damit sie ideale Werbeinhalte, Avatare, Songs, Nachrichten, Kunstobjekte, Drehbücher etc. ausspuckt.

Immer mehr Kreative werden überflüssig. Der Standard schreibt am 22. Mai 2023, dass besonders Autoren, Werbetexter und Synchronsprecher betroffen sind. Wer braucht noch Synchronsprecher, wenn es so einfach und günstig ist, die Originalstimme der Schauspieler inklusive aller emotionalen Schwankungen in jede beliebige Sprache zu übersetzen – perfekt abgestimmt auf die Mundbewegungen selbstverständlich?

Wie wird sich die KI-Kreativbranche auf uns auswirken?

Die menschliche Kreativität beruht zwar zum einen auf handwerklicher Professionalität, doch sie beruht auch darauf, dass sie mutig ist. Menschliche Kreativität entsteht gerade dann, wenn die schöpferische Tätigkeit mit einem Wagnis verbunden ist. In der Corona-Zeit haben wir erlebt, dass Künstler und andere Prominente sehr still waren, wenn sie eine andere Meinung zu Impfung und Rechteeinschränkungen hatten als der Mainstream.

Ich bin sicher, bei Künstlern waren die Skeptiker prozentual nicht weniger stark vertreten als in der Bevölkerung allgemein. Doch während der „Normalbürger“ sich noch eher traute, Zweifel anzumelden, gab es so gut wie keine Prominenten, die das wagten. Und die wenigen, die es taten, erlebten erhebliche berufliche Konsequenzen – ganz abgesehen von persönlichen Schmähungen. Ich selbst konnte überall aussprechen, dass ich den schwedischen Weg für den richtigen halte – als Künstlerin oder Sportlerin hätte das wohl mein „Aus“ bedeutet. Auch ich hätte aus finanziellen Gründen nichts gesagt.

Die Neuentstehung „wahrer Künstler?“

Natürlich gibt es viele Menschen, die in ihrer Freizeit einfach nur gut unterhalten sein wollen. Entertainment ist der neuere Begriff für „Brot und Spiele“. Ist doch egal, ob eine spannende Serie bei Netflix von einer KI entworfen wurde oder einem Autorenteam – Hauptsache, sie unterhält gut! Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass wir von einer Content-Flut überschwemmt werden, von der wir uns heute noch gar keine Vorstellung machen können. Fake oder Wahrheit, Leidenschaft oder das Ergebnis kühl kalkulierter Prompts – ist doch egal, ob ein Popsong von Mensch oder Maschine produziert wird! Ist doch egal, ob er von einem Avatar performt wird!

Wahre Künstler erkennt man meiner Auffassung daran, dass sie so besessen sind von ihrer schöpferischen Leidenschaft, dass sie auch Opfer dafür bringen. Ich habe vor Jahren den Roman „Das Werk“ von Émile Zola gelesen, in dem es um die Entstehung des Impressionismus in der Pariser Künstlerszene geht. Da habe ich begriffen, wie leidvoll es sein kann, eine Künstlerseele zu sein. Es muss einfach raus, was drinnen ist.

Ich bin guten Mutes, dass die KI-Content-Schwemme in ihrer Gegenbewegung auch wieder die Künstlerszene hervorbringt. So wie es Dissidenten-Künstler in China und Russland gibt, die sogar ihr Leben aufs Spiel setzen für ihre Kunst, wird es sicher auch im Westen Menschen geben, die sich trotz aller Entertainment-Industrie mit ihren Visionen und Leidenschaften an die Öffentlichkeit wagen. Ich freue mich darauf und bin gespannt. Und ich bin gespannt, ob ich irgendwann die vielen Medien komplett für mich abstelle, weil mich die KI-Massenware ebenso abstößt wie Industrie-Lebensmittel. Mal sehen… noch gibt es ja menschengemachten Content 😉

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

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