„Kleider machen Leute…“ – auch im Lockdown?

Die Motivation, Kleidung zu konsumieren, ist während der Corona-Krise sehr gesunken. Kein Wunder, denn Kleidung ist Ausdruck unserer Persönlichkeit im Zusammenspiel mit anderen Menschen. Eremiten legen ganz sicher bei ihrer Bekleidung andere Maßstäbe an als jemand, der viel mit der Außenwelt interagiert. Sind für den Eremiten Funktionalität und der Ausdruck der inneren Haltung entscheidend, sind es für den sozial agierenden Menschen Ausdruck und Wirkung. Könnten wir da nicht den Lockdown nutzen, um uns einmal kleidungsmäßig neu aufzustellen?

Psychologie in der Mode

In dem Wissenschaftsmagazin wissenschaft.de habe ich einen sehr interessanten Artikel gefunden, der unter der Überschrift „Die Wirkung von Kleidern: Psychologie in der Mode“ erläutert, was viele internationale Studien im Laufe der Zeit ermittelt haben.
wissenschaft.de von Februar 2020: Psychologie in der Mode

Wie außen so innen?

Bild von GraphicMama-team auf Pixabay 

Unumstritten ist wohl, dass unser äußeres Erscheinungsbild unsere Mitmenschen beeinflusst. Gleichgültig, ob wir uns besonders angepasst kleiden, oder lieber aus der Masse herausstechen – wir erzeugen in unserem Gegenüber ein Bild, das mit einer Bewertung verbunden ist.

Vor Allem im Berufs- und Leistungsleben ist Kleidung sehr relevant. Bewerben sich Frauen um eine Führungsposition, tun sie gut daran, sich möglichst maskulin zu kleiden. Ein weibliches Erscheinungsbild beeinflusst die Entscheider dahingehend, dass sie der Frau weniger Durchsetzungskraft und Konfliktfähigkeit zutrauen.
Auch in der Bildung ist Kleidung für die Karriere ausschlaggebend. Lehrer zum Beispiel werden stark dadurch beeinflusst, wie ihre Schüler und Schülerinnen gekleidet sind. (Studie von 1991, bei der Intelligenz und schulische Leistung von Highschool-SchülerInnen bewertet wurden).

Anpassung oder Rebellion?

Bild von OpenClipart-Vectors auf Pixabay 

In Schule und Beruf können wir also wählen, ob wir uns weitmöglichst den Konditionen anpassen oder ob wir uns abgrenzen und dadurch weniger in eine Rolle zwängen lassen. Ob bewusst oder unbewusst – jeder der beiden Wege erfordert seinen Preis. Individualität und Querdenken sind nicht nur beim Militär schwierig. Gerade in kreativen Berufen wie Architektur, Kunst, Modebranche oder Journalismus gibt es ungeschriebene Ausdrucksregeln, die man besser beachten sollte, wenn man nicht zum Außenseiter werden will. Auch wenn diese Regeln so ganz anders sind als beim Militär…

Teenager suchen ihre Identität

Gerade junge Menschen suchen sich Vorbilder, um zu einer inneren Sicherheit in Bezug auf ihr Erscheinungsbild zu kommen. Meist sind Prominente solche Vorbilder. Man fühlt sich als Teenager oder Twen einer Subkultur zugehörig, die man zum Ausdruck bringen will. Dieser Ausdruck ist extrem wichtig, um die richtigen Peer-Groups zu finden und sich dort passend einzuordnen.

Eltern wollen Zeit sparen

Werden Erwachsene zu Eltern, verschieben sich die Prioritäten häufig. Die Familie wird zum wichtigsten System, in der Freizeit kleiden sich Mutter und Vater so, wie es ihre Rolle in der Familie stärkt. Auch die modischsten Karriere-Fixierten lernen, dass praktische und funktionale Aspekte wichtig sind, um das Zusammenleben mit kleinen Kindern zu bewältigen. Hochhackige Schuhe, Make-up und aufwändige Frisuren werden zu Hause lästig und stören. Der Business-Anzug wandert rasch in den Schrank, damit er nicht knittrig und schmutzig wird.

Kleidung im Homeoffice und Lockdown: Alles egal?

Nun leben wir also in einer Zeit, die durch die Corona-Pandemie die sozialen Kontakte extrem minimiert. Warum sich im Homeoffice schminken, wenn es niemand sieht? Wieso sich mit Fashion-Trends beschäftigen, wenn diese nach dem Lockdown womöglich schon wieder unmodern sind?

Und doch zeigen weitere psychologische Studien, dass unsere Intelligenz- und Leistungsfähigkeit auch in der Einsamkeit durch unser äußeres Erscheinungsbild beeinflusst wird. So können Menschen in einer ablenkungsreichen Umgebung besser konzentriert bleiben, wenn sie einen weißen Laborkittel tragen. Im weißen Kittel fühlt sich mensch eben intelligenter und wichtiger. Formelle Kleidung führt dazu, dass die Fähigkeit zum abstrakten Denken steigt – und somit die Fähigkeit, komplexe Aufgaben zu lösen.

Standardisierte Intelligenztests brachten in einer US-Studie von 2017 die besten Ergebnisse, wenn die Probanden einen Malerkittel trugen. Das Selbstwertgefühl, kreativ zu sein, schien den Kopf zu beflügeln. Straßenkleidung oder Business-Anzüge waren unterlegen. Die Forscher kamen durch die Resultate zu dem Schluss, dass die „Leistung in kreativen und abstrakten Aufgaben durch die Kleidung, die mit kreativer Arbeit in Verbindung gebracht steht, gefördert werden könnte“.

Einfach mal was ausprobieren?

Wir sehen also, dass Kleidung auch dann wirkt, wenn wir nicht gesehen werden können – bzw. nur von Menschen gesehen werden, deren Einschätzung unwichtig ist für uns. Im Homeoffice kann es herrlich sein, „heimlich“ Schlabberlook zu tragen, obwohl wir immer wieder ermahnt werden, uns auch zu Hause ordentlich zu kleiden. Schließlich wünscht sich der Arbeitgeber, dass wir leistungsfähig sind und die bezahlte Zeit auch ernsthaft arbeiten.

Doch durch die fehlende Kontrolle könnten wir ja auch vielleicht einmal neue Rollen ausprobieren! Wenn schon ein Malerkittel die Intelligenz erhöht, warum nicht zu Hause oder beim Einkaufen und spazieren gehen Dinge wagen, die wir sonst nie wagen würden! Im Internet gibt es so viel Inspiration für ausgefallene, kreative Looks – ist doch egal, wenn es nur die Liebsten sehen können – das ganze Leben ist schließlich eine Bühne!

Ich vermisse Shoppen sehr muss ich gestehen. Für mich war der Einkauf selbst – also die Jagd nach dem passenden Textil-Wild – ein höchster Genuss. Ich liebe es, mit scharf gestellten Augen durch die Geschäfte zu streifen und in Windeseile alle Ständer abzuscannen. Immer geleitet von den roten Sale-Schildern – denn eine wahre Jägerin akzeptiert grundsätzlich keine Standardpreise. Sie braucht Schnäppchen für ihr Glücksgefühl.

Im Moment ist bei mir „Schmalhans Küchenmeister“, da 2020 finanziell ein Desaster war. Seit Ende des Jahre habe ich eine neue, wunderbare Herausforderung annehmen können – doch ich brauche mindestens noch sechs Monate, bis ich den Verlust wettgemacht habe.

Kleidung im Telefon-Coaching

Im Homeoffice muss (darf) ich mit den unterschiedlichsten Menschen telefonieren, um diese zu coachen. Da wir uns nicht sehen können, sind beide Seiten völlig frei in ihrem Dresslook. Manchmal ist mir danach, mich wirklich völlig entspannt und ungeschminkt auf einer sehr persönlichen Ebene mit meinem Gesprächspartner zu verbinden – manchmal möchte ich in meinem unsichtbaren Theater Mut machen durch außergewöhnliche Kleidung nach dem Motto „Einfach was tun, was man nicht tut“, manchmal mache ich mich richtig fein, um meine Wertschätzung auszudrücken – ja , dann schminke ich mich auch. „Kleider machen Leute“ gilt auch in einer blinden Welt!

Bild von Majabel Creaciones auf Pixabay

Statt online Fashion zu shoppen (was sowieso viel zu viele Rücksendungen produziert, weil es angezogen immer anders aussieht als ich vermute), lege ich mir Alben an bei Pinterest: Wie würde ich gekleidet sein, wenn ich machen könnte, was ich wollte? Im Moment ist es übrigens ganz eindeutig der Mary-Poppins-Look. Wenn ich könnte, hätte ich noch so einen Schirm zum Fliegen – viktorianische Klamotten und die entsprechenden Stiefeletten habe ich schon. Ich liebe es!!!

Verkleiden steigert das Selbstbewusstsein

Also nur Mut! Jogginganzug ist das Naheliegendste, das sehe ich ein. Aber sich verkleiden und ungewöhnliche Outfits zu kombinieren kann auch Spaß machen, wenn es nur die Liebsten sehen – oder wenn es niemand sieht. Es regt nicht nur die Gehirnzellen an sondern auch unsere Stimmung, unsere Phantasie und unseren Willen. Und wenn wir dann irgendwann alle geläutert aus dem Lockdown kommen, können wir staunen über die vielen Paradiesvögel, die in der verrückten Zeit der Corona-Pandemie entstanden sind…

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert