Peter Bigorajski ist erst durch die Entwicklung der digitalen Bildbearbeitung dazu gekommen, sich der Kunst der Architekturfotografie zu verschreiben. Seit etwa zehn Jahren fotografiert er – in erster Linie Innenräume, die er anschließend am Computer bearbeitet. Er „befreit“ architektonische Kunstwerke von sämtlichen störenden Faktoren, Minimalismus ist stets das Ziel. Bigorajski ist kein sachlicher Architekturfotograf, sondern er zeigt in seiner Bildersprache die Großartigkeit architektonischer Meisterwerke, indem er den Betrachter sanft und gefühlvoll an die Einzigartigkeit der Kunstwerke heranführt und emotional berührt.
Als Kind hatte ich viel Ehrfurcht vor imposanten Gebäuden: Rathäuser, Kirchen, Museen, das schöne alte Amtsgericht, in dem mein Papa arbeitete… wenn ich so manches öffentliche Gebäude betrat, kam ich mir ganz klein vor, wurde still, alles um mich an Raum gebot Respekt und zeugte von Macht und Größe.
Gestern auf der Ausstellung von Peter Bigorajski ging es mir ein wenig wie damals als Kind. Bei manchen Bildern überlief mich direkt ein Schauer. Manche Räume schienen von innen zu leuchten, manche waren direkt unheimlich und erzählten von Geistern längst vergangener Tage, manche wirkten verwirrend wie ein Bild von M. C. Escher. Wie nur konnte es dem Baumeister gelungen sein, solche Perspektiven zu erzeugen?
Bigorajski „lügt“ nicht bei seiner Bildbearbeitung, er schummelt nicht wie in der Mode- und Kosmetikfotografie, sondern er schält das eigentliche Kunstwerk hervor, so wie man behutsam eine Apfelsine schält und das Fruchtfleisch freilegt. Ich werde nun, nach dem Besuch dieser Ausstellung, ganz anders Museen, öffentliche Verwaltungsgebäude, Bibliotheken und Gerichte erleben können. Auch das Landgericht in Essen, in dem die Ausstellung bis Ende Januar 2015 zu sehen ist, ist Motiv eines Bildes.
Mit einer lieben Ausstellungs-Begleiterin (und Instagram-Fotografin) suchten wir lange im ganzen Gebäude nach dem zauberhaften Säulengang von dem Bild. Nach vielen Treppen, Etagen und Gängen erkannten wir endlich das Original – direkt im Erdgeschoss im Eingang! Wir hatten das Motiv ganz einfach übersehen, weil wir uns von der Umgebung hatten ablenken lassen. Da standen wir, staunend wie bei der Enthüllung eines Geheimnisses – und verstanden, wie Auge, Geist und Herz von Peter Bigorajski arbeiten: behutsam, wahrhaftig und mit viel meditativer Hingabe. Architektur, ihre Schöpfer und ihre Gäste und Bewohner, welch geistvoll intensive Verbindung!