Dürfen Unternehmen ungestraft Agenturen damit beauftragen, gefälschte Bewertungen, Kommentare und Forenbeiträge schreiben und veröffentlichen zu lassen? Verstößt es nicht gegen das UWG (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb), wenn Tui, Bayer, Opel, Sigma und andere große Firmen auf diese Irreführungen von Verbrauchern zurückgreifen? Am 10. November 2014 berichtete die Süddeutsche Zeitung ausführlich darüber, mit welchen Manipulationen große Marken arbeiten – erschreckend, aber leider wohl ganz gewöhnlicher Alltag.
Der jüngste Skandal kommt aus Österreich. Die Wiener Agentur Modern Mind Marketing soll schon seit mehreren Jahren Autoren dafür bezahlen, dass sie „hunderttausende“ von gefälschten Forenbeiträge in bekannten Online-Portalen schreiben, auch für Onlineforen in Zeitungen wie derStandard. Auch deutsche Angebote wie SPIEGELonline, Focus.de, gutefrage.net und meinauto.de sind betroffen. Gefälschte Beiträge und „Jubelpostings“ finden sich ebenfalls auf der Videoplattform YouTube. Ausführlich hier in DATUM: „Die Netzflüsterer“
Selbstverständlich wurden die Crowdworker, die von der Agentur anscheinend als „Journalisten“ bezeichnet werden, genau gebrieft. Viele Schlagwörter finden sich in den Beiträgen und Kommentaren, die bezahlten Autoren sollen mindestens zwei verschiedene E-Mail-Accounts benutzen und Tarnidentitäten mit Hobbys anlegen, die zu den Produkten passen. Der Kundenname soll in Forendiskussionen nicht häufiger als zwei Mal genannt werden, um keinen Verdacht zu erregen.
Bayer ließ – der Süddeutschen nach – nicht nur für Tierfutter versteckt werben, sondern auch für die Verhütungsspirale „Mirena“. Beispiel: „also dany87, ich hab mir vor ein paar monaten eine hormonspirale einsetzen lassen (mirena) und bin mittlerweile echt zufrieden, weil ich nix daovn merke und an nix denken muss.“
Für Opel setzte die Agentur zwischen zwei und sechs Redakteuren ein, die auch den Auftrag hatten, Diskussionen laufend attraktiv zu halten. Dafür zahlte Opel monatlich mehrere tausend Euro. Die meisten Postings, die nun mit hunderten von Unterlagen ans Licht kamen, stammen aus den Jahren 2007 bis 2012 – sind aber immer noch verfügbar und häufig sehr gut bei Google gerankt. Fazit: Wer sich über Opel, Sigma, Tui oder Bayer im Netz informiert, muss weiterhin damit rechnen, manipulierte Meinungen zu lesen.