Wir Konsumenten sind darauf dressiert, dass wir Werbung akzeptieren als den Preis, den wir für gewünschten Content hinnehmen müssen. Ob in Print oder digital – Werbeanzeigen sind lästig und werden so gut wie möglich ignoriert. Im Digitalen sind sie sogar manchmal bedrohlich, wenn sie uns den Blick versperren auf den Content – oder uns gar gegen unseren Willen auf riskante Webseiten leiten. Andererseits lieben wir es, bei Pinterest, Instagram, Google, Trivago, Amazon, Zalando und Co nach Produkten und Dienstleistungen zu stöbern und uns zum Kauf animieren zu lassen. Wird Werbung mehr und mehr zu einem erwünschten Dienst werden – wenn erst einmal der lineare und analoge Medienkonsum der Vergangenheit angehört?
Werbung im digitalen Zeitalter
Wenn nun immer besser die Vernetzung zwischen Persönlichkeitsprofil und Content funktioniert, wenn auch die großen Werbevermarkter im Web – also Google und Facebook – von den Werbetreibenden verlangen, dass sie die Konsumenten gewünschte Werbung einblenden, könnte in sehr rascher Zeit ein Wertewandel in Bezug auf Werbung eintreten.
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Wird lästige Werbung zum „Love Advertising“?
Es könnte passieren, dass wir uns freuen über die vielen Inspirationen, die uns individuell und passgenau genau das an Ideen servieren, was uns gerade unbewusst durch den Kopf geht: „Soll ich in den nächsten 5 freien Tagen nicht doch verreisen?“, „Für die Party am Samstag habe ich irgendwie noch nicht das Richtige anzuziehen“, „Ich glaube, ich mache meiner Freundin jetzt den lang ersehnten Heiratsantrag – aber wie?“.
Vom TV zum Streaming
Die Menschen steigen um von TV auf Streaming, keine Frage. Sie lesen online und werden immer verwöhnter, was weiterführende Informationen und Hintergründe betrifft. Print geht einfach nicht in die Tiefe und berücksichtigt nicht meine jetzigen Fragen und Themen. Menschen ärgern sich immer schneller, wenn Werbung nicht zu ihren Bedürfnissen passt – schließlich geben sie so viele Daten preis – sollten da nicht mal die Produktempfehlungen besser passen?!
Zurzeit haben wir verschiedene Interessen, die noch dem „Love Advertising“ entgegenstehen. Unternehmen beauftragen Agenturen, um deren Botschaften möglichst emotional zu kreieren und zu platzieren. Agenturen kooperieren mit Werbe-Netzwerken und kaufen dort Werbeplätze ein. Vermarkter erheben ihre Preise anhand von Aufmerksamkeit und Klicks. Diese verschiedenen Interessen und Geschäftsmodelle führen dazu, dass uns Werbung im Web oft erinnert an Clockwork Orange – eine Konditionierungsfolter durch aufgezwungene Sinneseindrücke, der wir nicht entkommen können.
Man darf gespannt sein! Wird diese Konditionierungs-Folter noch zunehmen, wenn wir dank der Digitalisierung aller Medien mit individualisierten Werbebotschaften überhäuft werden? Oder werden wir zum genau richtigen Zeitpunkt genau die richtigen „Konsum-Liebkosungen“ erleben, und uns immer wieder neu verlieben in einer Anbieter-Welt, die nichts weiter will als uns glücklich machen mit Produkten und Erlebnissen? Kommen wird es auf jeden Fall, so viel steht fest.
Quelle: chip.de vom 10.08.17: Wie sich TV-Werbung grundsätzlich verändert