Messevorbereitung: Interview mit Doris Kolem, Marketing und Kommunikations-Ökonom

Eva Ihnenfeldt: Bei einem Fortbildungslehrgang zum Thema „PR und Öffentlichkeitsarbeit“ konnte ich als Dozentin die Top-Managerin Doris Kolem für ein persönliches Gespräch vor Ort gewinnen. Sie kam tatsächlich extra für unsere Teilnehmer (Hochschulabsolventen, Journalisten und Marketing-Manager) nach Dortmund und ließ sich intensiv befragen zu den Feinheiten einer Messe-Planung. Messen sind in vielen Branchen das Haupt-Werbeinstrument – und gerade hier wird häufig viel Geld verbrannt, denn eine sorgfältige Planung und Durchführung sind leider nicht immer selbstverständlich. Zum Interview:

Frage: Welche Vorbereitungszeiten sollte man bei einer Messeplanung beachten?

Doris Kolem: Das hängt von der Messe ab. Manche Messen finden nur alle drei Jahre statt, da ist die Anmeldefrist teilweise 1,5 Jahre vor Messe. Da die Messen nach Bereichen aufgeteilt sind, kann es sein, dass man, wenn man zu spätbucht, einen unpassenden Standort bekommt – oder sogar keinen. Das kann aber nur bei Fachmessen passieren, allgemein hat das Messegeschäft etwas nachgelassen.

Frage: Welche Messen sollte man besuchen?

Doris Kolem: Ziele und Zielgruppen werden zunächst analysiert. Messen bedeuten immer große Kosten, nicht nur die Standkosten. Die Statistiken der Messeveranstalter sind gut zu verwenden, wenn die Messeteilnehmer die Fragen bei der Anmeldung sorgfältig ausfüllen – was auch meistens so ist. Manche Veranstalter laden auch Hosted Buyer ein, das sind wichtige Einkäufer von Großunternehmen. Da kann man schon eventuell davon ausgehen, dass direkt vor Ort Aufträge erteilt werden, bzw. man zumindest wichtige Kontakte knüpfen kann.

Wenn man sich nicht sicher ist, ob eine Messe sinnvoll ist, sollte man im ersten Jahr zunächst als Besucher die Messe ansehen – am besten mit einem Mitarbeiter aus dem Vertrieb. Wenn man einige Marktbegleiter (Mitbewerber) antrifft, kann man sicher sein, dass eine Teilnahme sinnvoll ist.

Frage: Was kostet eine Messe?

Doris Kolem: Standfläche und Standbau kosten extra. Bei der Fläche fangen die Quadratmeterpreise schon unter 100 Euro an, doch sie gehen leicht bis 240, 260, 280 Euro pro qm. Der Standbau schlägt mit 200 bis 300 Euro pro qm zu buche. Messen bieten auch fertige Stände an, abhängig von der Art und Größe kosten Komplettangebote bis 20 qm um die 12.000 bis 14.000 Euro. Meistens werden Gemeinschaftsstände von Verbänden oder Ländern angeboten, da kostet ein „Arbeitsplatz“ um die 3.500 Euro.

Man muss sich genau überlegen, wo brauch ich Strom, Wasser, Internet, und was genau und in welcher Stärke. Auch diese Zusatzleistungen treiben die Kosten in die Höhe.
Es gibt Messezuschüsse und Fördermittel für Messen. Das Land NRW bezuschusst Gemeinschaftsstände. Über De Minimis gibt es Förderprogramme. Das ist relativ unkompliziert zu beantragen. Viele dieser Angebote sind speziell auf die KMU, kleine und mittlere Unternehmen zugeschnitten.

Frage: Wer bastelt die „Story“ zur Messe?

Doris Kolem: Das ist der Job des Marketings, aber in Zusammenarbeit mit den relevanten Abteilungen (z.B. mit der Produktentwicklung). Es ist immer gut, einen Plan B in der Tasche zu haben. Gerade bei Produkt- oder Software-Entwicklungen gibt es oft das Problem, dass wenige Tage vor der Messe das Produkt oder das Computerprogramm doch nicht fertig geworden ist. Sicher sein mit Produkteinführungen muss man spätestens, wenn es Zeit ist, die Pressemitteilungen zu verschicken…

Eine gute Definition von Messe ist: „Messen = Ereignisse, zu denen häufig Dinge fertig sein sollen, an denen schon länger gearbeitet wird, z.B. neue Produkte, die Überarbeitung von Print oder Online Medien.“

Das neue Produkt muss schließlich auch im Internet zu finden sein, mit Datenblättern, Broschüren etc. Es ist immer noch besser, Produkte mit zur Messe zu nehmen, die zusätzlich präsentiert werden – als Produkte anzukündigen, die dann noch nicht fertig sind.

Frage: Was macht man selbst, wann arbeitet man mit Agenturen zusammen?

Doris Kolem: Wieviel man selbst im Unternehmen übernimmt, steht in Abhängigkeit zu Personal und Budget. Agenturen werden vor allem beauftragt, wenn man nicht alles selbst übernehmen kann, oder wenn das Unternehmen sehr groß ist.  Ob man mit einer reinen PR Agentur oder einer Full-Service Agentur arbeite hängt von der Hilfe ab die man benötigt.

Geht es nur um Kommunikation (PR Meldungen, Mailing Texte, Pressebetreuung) bietet sich eine PR-Agentur an. Wenn man breitere Unterstützung benötigt, ist eine Full-Service-Agentur angebracht. Bei der Auswahl sind Branchenkenntnisse ein wichtiges Kriterium. Agenturen wählt man nach Empfehlungen aus, oder man lernt sie auf PR-Seminaren kennen – selten „googlet“ man eine Agentur. Wichtig ist, dass die Agentur passt, und das ist eben meist branchenabhängig. Und natürlich sind die Referenzen mit entscheidend.

Wenn man eine kleine Agentur auswählt ist es gut , wenn sie über ein großes Netzwerk an Freiberuflern verfügt. So hat man die Möglichkeit, einen Full Service zu bekommen – und hat doch nur einen Ansprechpartner. Ein gutes Beispiel ist die Agentur Mediapolis, die im Moment noch in Marl sitzen, bald aber nach Dorsten umziehen.

Die Messe-Story muss aus dem Unternehmen kommen. Wenn man mit einer Agentur schon länger zusammenarbeitet, kann man natürlich auch das Brainstorming schon gemeinsam durchführen.

Die Story kann sehr schön in den Messestand mit eingebaut werden. Die Story entscheidet mit über den Messe-Erfolg.

  • Die Besucher müssen sich eingeladen fühlen.
  • Der Stand muss „offen“ sein, zum Anfassen und Erleben einladen. Wenn der Spieltrieb abgesprochen wird, ist das gut.
  • Die Besucher müssen in Ruhe angucken und anfassen können, bevor ein Mitarbeiter sie anspricht.
  • Die Message muss ehrlich und glaubwürdig sein.

Frage: Was ist im Umgang mit Pressevertretern zu beachten?

Doris Kolem: Kleine Geschenke an Pressevertreter sind häufig Schreibwerkzeuge und USB-Sticks. Die kann man in die Pressemappe mit einbauen. Pressekonferenzen sollte man nur einberufen, wenn es wirklich für eine interessante Neuerung ein breites Publikum gibt – sonst läuft man Gefahr das niemand kommt. Um in Fachmagazine redaktionell zu kommen, sind häufig Anzeigen Voraussetzung.

Einmal im Jahr kann man Fachredaktionen besuchen, das wird gern angenommen. Fachredaktionen haben Interesse am Kontakt mit Unternehmen, die Brancheninsider sind. Das ist dann ein geben und nehmen von Informationen und Redaktion, da kann man durchaus gut zusammenarbeiten.

Frage: Wer betreibt am besten den Messestand?

Doris Kolem: Eigene Mitarbeiter werden meist genommen, doch die sind nicht immer geeignet, es ist besser eine freundliche Hostess am Stand zu haben als einen demotivierten Mitarbeiter. Absolute No-Gos sind

  • Essen am Stand
  • Mit Kollegen schwatzen
  • Hände in der Tasche…

Am besten versendet man man etwa eine Woche vor Messebeginn eine präzise Handlungsanweisung an die Mitarbeiter. Eine Kleiderordnung sollte festgelegt sein – man sollte als Besucher immer erkennen, wer Mitarbeiter des Unternehmens ist.
Wenn man es sich budgetmäßig leisten kann, ist eine Schulung sehr sinnvoll – bis zum zweitägigen Messetraining. Gut ist immer, wenn die Mitarbeiter die Besucher dazu bekommen, von sich und ihrem Unternehmen zu erzählen. Dazu gibt es bestimmte Fragetechniken, z.B. immer offene Fragen zu stellen und nicht geschlossene (die mit Ja oder Nein beantwortet werden können).

Mitarbeiter sollten auch wirklich spüren, dass sie etwas von dem Messeeinsatz haben. Ein gutes Hotel, abendliches gemeinsames Essen-gehen, Vertretungspläne, um zwischendurch mal eine Pause machen zu können – und auch Extra Honorierungen erhöhen die Motivation.

Frage: Wie unterscheiden sich die Messebesucher, wie kann man sie effektiv „anlocken“?

Doris Kolem: Da unterscheidet sich klar B2C und B2B. Grundsätzlich sollte gewährleistet sein, dass immer etwas am Stand passiert. Man spricht nicht nur die Besucher mit der „Action“ an – sondern eventuell auch die Presse! Im B2C-bereich gibt es allerdings viele Jäger und Sammler – das kann bei Giveaways sehr ins Geld gehen.

Natürlich sind Giveaways für ernsthafte Interessenten und Kunden wichtig. Weiterhin beliebt sind Kugelschreiber, Schlüsselbänder, Knautschbälle, Papierblöcke, USB-Sticks. Man sollte wich fragen: was braucht die Zielgruppe – und was gibt es Neues? Auf der Hannover-Messe ist immer eine Halle reserviert nur für Giveaways, da kann man sich Anregungen holen. Klug ist dafür zu sorgen, dass auch alle Mitarbeiter auf der Messe etwas Schönes bekommen. Es lohnt sich, für Giveaways wirklich immer die Ohren offen zu halten.

Tipp: Eiskratzer in Postkartenformat kommen vor allem im Herbst und Winter sehr gut an. Man kann sie sogar direkt – mit Briefmarke versehen – versenden. Das ist bunt, ansprechend, außergewöhnlich und praktisch.

Frage: Wonach bemisst man, ob die Messe erfolgreich war?

Doris Kolem: Erfolge sind schwer messbar und nachzuhalten, da häufig erst nach einem Jahr wirklich Aufträge erteilt werden. Oder bei Aufträgen, die erteilt werden, nicht klar ist, ob sie über den Messekontakt beeinflusst wurden.

Wichtig ist die Messenachbereitung. „Was ist gut gelaufen, was ist schlecht gelaufen“. Und wichtig ist die akribische Kontaktnachverfolgung. Am besten werden vom Back-Office schon während der Messe die ersten Informationen an Kontakte verschickt und dann vom Vertrieb nachgearbeitet.

Frage: Welche Stolperfallen sind bei Messe häufig?

Doris Kolem: Deadlines sind fatal. Wenn die verpasst wurden (z.B. Parkplatzreservierungen für Mitarbeiter), ist es sehr schlecht. Ebenfalls fatal ist eine schlechte Kommunikation. Die Kunden und Interessenten müssen wissen, dass man auf der Messe ist, man muss sorgfältig einladen. Und Pressearbeit ist wichtig.

Schlimmstenfalls kann man auf der falschen Messe sein. Eine weitere Stolperfalle: Das Standpersonal ist oft schlecht. Einer  muss den Hut aufhaben und unangebrachtes Verhalten unterbinden, zum Beispiel Gespräche zwischen Mitarbeitern höflich unterbinden.

Wenn der Besucher nicht auf den ersten Blick erkennt, was das Unternehmen macht, ist das schlecht. Wenn ein Stand wirkt wie ein „Closed Shop“, ist das ebenfalls schlecht.
Eine weitere Stolperfalle: nicht genau wissen, was vom Messeveranstalter alles verboten ist. Man sollte sich diese Geschäftsbedingungen genau durchlesen. Ebenfalls wichtig: die Person, die sich um die Messeorganisation gekümmert hat, sollte auch auf der Messe sein.

Doris Kolem
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