Schönen „Die Hölle ist seit 500 Jahren abgeschafft“ Tag!

Meine Eltern waren konfessionell zerrissen: Mein Vater katholisch, meine Mutter evangelisch. Der katholische Pfarrer hatte für eine kirchliche Trauung 1957 zur Bedingung gemacht, dass meine Mutter schwören musste, mich im katholischen Sinne zu erziehen. Oh wie sie das gehasst hat! Was für eine Demütigung – in der Kirche! Im lächerlichen, weißen „Prinzessinnen-Kostüm“ vor allen Gästen! Man kann sich also vorstellen, wie zerrissen meine Kindheit war zwischen einem überzeugten Katholiken und einer rebellischen, aber machtlosen Protestantin.

Ich ging also als kleines Kind jeden Sonntag mit meinem Vater in die katholische Kirche und musste selbstverständlich auch in die katholische Grundschule – obwohl die evangelische nur wenige Schritte entfernt war. Ich war auch sehr gläubig – allerdings nicht konfessionell, sondern Jesus-mäßig. Immerhin das verband ja meine Eltern. Jesus war für Beide unantastbar der Größte.

Während also meine offizielle Kindheit geprägt war von den autoritären, konservativen Strukturen der katholischen Kirche (meine uralte Grundschullehrerin hat die Kinder noch geschlagen und auf Erbsen zur Strafe knieen lassen) nutzte meine Mutter ihre Einflussmöglichkeit aus, um mir täglich mit emotionalen Geschichten zu vermitteln, dass Katholiken nach außen heilig tun – aber dahinter ganz anders sind. Besonders beeindruckend und überzeugend fand ich, dass in ihrem Lebensmittelladen, in dem sie vor meiner Geburt Filialleiterin war, Katholiken viel mehr klauten als Protestanten.

Die Kommunion zog dann einen Schlussstrich unter die gläubig ergebene kleine Katholikin – ich war so enttäuscht von der Zeremonie und dem fehlenden Wunder dahinter, dass ich mich weigerte, zukünftig weiter auf den Namen „Eva-Maria“ zu hören und auch nicht mehr zur Kirche ging. Ich machte sozusagen Schluss mit den Katholiken.

Die Versöhnung kam erst einige Jahrzehnte später, als mein Papa alt war und ich ihn jeden Sonntag erneut zur Messe begleitete, damit er daran überhaupt noch teilnehmen konnte. Meine Verbundenheit mit ihm sorgte dafür, dass ich verstand, warum er seine gläubige Gemeinschaft so liebte und warum er dem Ritual und den Glaubenssätzen der katholischen Kirche so bedingungslos vertraute. Er hatte einen wunderschönen Tod – er starb als Gläubiger, der ohne Reue loslassen konnte.

Einmal fragte ich ihn „Papa, wie ist das mit der Hölle? Wie sicher bist Du, dass Du nicht in die Hölle kommst? Ich meine, wenn es für Dich ja nun eine Hölle gibt, glaubst Du, Du bist sicher davor? Und wenn ja, warum? Weil Du katholisch bist? Weil Katholiken etwas Besseres sind als Andere? Glaubst Du, nur Katholiken kommen in den Himmel?“

Auch fragte ich mich selbst mein ganzes Leben hindurch: „Wenn es eine Hölle gibt, komme ich wohl hinein? Wenn 20 Prozent, 30 Prozent, 50 Prozent oder 5 Prozent der Menschen so böse sind, dass sie in Hölle kommen, bin ich dabei? Bin ich ein besserer Mensch als Hitler oder Stalin? Besteht die Hölle nur aus Extrem-Verbrechern, denen der Mainstream die Hölle wünscht? Gibt es Entschuldigungen für Straftäter, die selbst als Kind schwer gequält wurden? Gibt es Unbarmherzigkeit für Menschen, denen von Baby ab alles Gute zufloss – und die trotzdem ohne Reue ihren Reichtum genießen, ohne diesen mit den Armen zu teilen?“

Für mich, die wahrlich kein altruistisch sich aufopfernder Mensch ist, gibt es keine Antwort auf diese Fragen. Die einige Lösung für mich ist der Glaube daran, den die Protestanten mit Martin Luther an der Spitze mühevoll in die Welt der Christenheit brachten:

„Wir sind alle Sünder, und zu glauben, eine Beichte könnte Sünden vergeben, ist Schwachsinn. Niemand ist in der Lage, ein sündenfreies Leben zu führen und die Höllenvorstellung ist nichts weiter als eine Ideologie, um Menschen gefügig zu machen. Gäbe es eine Hölle, würden alle Menschen in die Hölle kommen. Niemand ist besser oder schlechter. Punkt. Alle oder keiner. Also keiner. Wir streben nicht danach, aus Angst ein gutes Leben zu führen – wir streben danach aus Vernunft!“

Da bin ich dankbar für, Ihr lieben Protestanten! Zwar finde ich Eure „vernünftige Religion“ viel zu langweilig und magiefrei – aber ich bin so froh, dass Ihr mich und unzählige Andere befreit habt von dieser quälenden Angst, irgendwann bestraft zu werden für ein boshaftes Leben. Keine Ahnung, wie Ihr es schafft, die strengen und drohenden Botschaften Jesu mit Eurer tiefen – buchstäblich angenagelten – Überzeugung zu vereinbaren. Aber das kann mir ja auch egal sein. Ich surfe in Eurem Windschatten und sage „Danke“. Die Römer und Juden haben Jesus ans Kreuz genagelt – Ihr habt die Abschaffung der Hölle an eine Kirchentür genagelt. Yippiheyeh, das war eine Heldentat. Das feier ich gern.

 

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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2 thoughts on “Schönen „Die Hölle ist seit 500 Jahren abgeschafft“ Tag!

  • Reply Heiner 31. Oktober 2017 at 15:12

    Meine Vater war evangelisch, meine Mutter katholisch. Als anständige Katholikin hat meine Mutter den zuständigen Geistlichen gefragt, ob es denn in Ordnung wäre, einen evangelischen Mann zu heiraten. In der katholischen Kirche ginge das keinesfalls, sagte der Pfarrer. Sie dürfe sich auch nicht evangelisch kirchlich trauen lassen. Es wäre sowieso eine Todsünde, und sie müsse sich auf auf das Fegefeuer in der Hölle einstellen.
    Das war in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts; also auch schon über 400 Jahre nachdem Luther festgestellt hatte, dass es keine Hölle gibt. Bei der katholischen Kirche scheint diese frohe Botschaft zumindest nicht zu allen durchgedrungen zu sein. Weiß jemand, was das gegenwärtige Oberhaupt der allumfassenden römischen Kirche dazu meint. Gibt es für ihn eine Hölle?

    • Reply Eva Ihnenfeldt 6. November 2017 at 14:37

      Hi lieber Heiner, sorry, jetzt erst gesehen. WordPress schickt mir mir bei neuen Kommentare keine Benachrichtigung mehr – und von allein vergess ich es leider oft. Ob Franziskus die Hölle abgeschafft hat? Ich kann nichts finden. Glaube, er droht eher uns reichen Versailles-Bewohnern mit der Hölle – zumindest der Mafia. Aber Benedikt hat die Vorhölle abgeschafft 2007. Immerhin. Wenn wir lang genug leben, schaffen wir es vielleicht noch bis ins Nirwana. Ich will nämlich unbedingt ins bedingungslose Nichts. Verrückt, was unsere armen Eltern erleiden mussten nicht wahr? Und wie mutig sie waren, sich darüber hinwegzusetzen! Alle Achtung!

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