Ist Instagram ein „toxisches Netzwerk“? ARTE Doku im Beitrag verlinkt

Berühmt, glamourös, aufregend. Instagram ist eine Droge. 2010 verbreitete sich dank dem ersten iPhone, über das ein Handy zur Kamera mit Internetzugang wurde – zur“ Kamera in der Tasche“. Das iPhone-„Smartphone-Auge“ wurde in der Folgezeit zum „Auge der Anderen“ – Selfies bahnten sich ihren Weg. Instagram-Filter waren der Schlüssel zum Erfolg. So entstand die Erkenntnis: „Je mehr Du aus Deinem Leben zeigst, desto beliebter bist Du“. Mit dem Kauf durch Facebook wurde aus der „Hipster-App“ ein visueller Konsum-Rausch

Hier die ARTE-Doku vom 23. August 2022 bei YouTube – verfügbar bis zum 29/10/2022


Und hier eine kurze Zusammenfassung für Diejenigen, die lieber einen Text lesend überfliegen, als dass sie sich 90 Minuten das Video anschauen

Instagrams Weg zum Erfolg

  • 2010 Gründung durch Mike Krieger und Kevin Systorm 
  • 2012 (zwei Jahre nach Gründung) kaufte Facebook Instagram für eine Milliarde Dollar.
  • 2014 hatte Instagram bereits 150 Millionen Nutzer – Facebook startete vorsichtig die erste Instagram-Werbung. Damals wurde jede Werbung von Mitarbeitern geprüft. Instagram hatte den Anspruch, ein „Digitales Hochglanz-Magazin“ zu sein. Nach und nach wandelte sich Instagram vom Marken-Magazin zum Influencer Magazin. Nutzer wurden zu Markenbotschafterin. Influencer wurden ein Berufsfeld.
  • 2016 wurde das Business professionell – Influencer-Agenturen entstanden und nahmen Teenager unter Vertrag. Verkäufer versuchen, immer mehr Teenager anzuwerben. 4 von 100.000 Influencern bringen es auf eine Million Follower und mehr.

Mega-Influencer sind in der Regel Prominente mit mehr als 10 Millionen Follower’n
Macro-Influencer haben mehr als 1 Millionen Follower
Micro-Influencer – ab 10.000 Follower
Nano-Influencer – sehr klein. Erhalten von Anbietern nur Gutscheine und Produkte


Die Selbstinszenierung: muss immer weiter perfektioniert werden, da es so viele Influencer gibt und immer neue hinzukommen. Man muss auffallen.
Erfolgreichere Influencer entwerfen eigene Produkte (bzw. lassen Produkte für sich entwerfen) und vermarkten diese.

Instagram wird zum globalen Handy-Schaufenster. Es wird immer schwieriger, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Immer mehr Kollektionen werden für Instagram produziert. Die Kommunikation läuft vor allem über das einzelne Produkt, nicht mehr so sehr über die Marke.

Instagram wird mehr und mehr zum „Softporno“ – wegen der Algorithmen

Der Instagram-Algorithmus bevorzugt stark entblößte Körper. Das soll auch daran liegen, dass die Instagram-IT-ler zu 80 Prozent männlich und in der Regel sehr jung sind. Ihr Verhältnis zum weiblichen Geschlecht ist häufig verklemmt und sehr von sexuellen Hormonen gesteuert. Das führt zu Frauenfeindlichkeit bzw. zu Hypersexualisierung.

Kim Kardashian – das Symbol des Netzwerks Instagram

Schönheitsoperationen nehmen zu: Fett wird z.B. aus dem Bauch in den Po gespritzt für die gewünschte Birnenform (Brasilian Butt Lift – zurzeit die beliebteste OP – kostet in Miami bei Dr. Miami 13.000 Dollar) – und ist auch die riskanteste Schönheits-OP. Promi-Fotos werden zum Vorbild für die Eingriffe. Schönheitskliniken schießen wie Pilze aus dem Boden. Die Operateure müssen in den USA nicht einmal Chirurgen sein!

Instagram ist heute Facebooks Geldmaschine. 2018 stiegen die beiden Gründer Instagrams aus dem Unternehmen Facebook aus. 2021 veröffentlicht die frühere Facebook-Produktmanagerin Frances Haugen Studienergebnisse über Teenager als Whistleblowerin.

Jede/r 5. Jugendliche gibt an, dass Instagram sein/ihr Selbstwertgefühl erschüttert. Ein Experte in der Doku sagt, Instagram wirkt auf Teenager schlimmer als ein Beliebtheits-Wettbewerb auf dem Schulhof. Jeder kann sofort sehen, wer am beliebtesten und unbeliebtesten ist.

Beispiel: Paul verbrachte mit 13 Jahren rund 12 Stunden täglich bei Instagram. Er stellte sich im Netzwerk als cooler Drogendealer dar – das machte ihn populärer. Sogar das Jugendamt schaltete sich irgendwann ein. Er hatte plötzlich ca 50.000 Follower und Angebote von Unternehmen, die ihm Kooperationen anboten oder seinen Account kaufen wollten.

Jugend sucht nach Identität und Anerkennung

Jugendliche haben ein noch nicht ausgereiftes Gehirn, sie suchen nach Bestätigung und das macht sie besonders anfällig für psychische Erkrankungen. Instagram ist härter als ein Schulhof-Beliebtheitswettbewerb, weil hier öffentlich sichtbar ist, wer wie beliebt ist.

Instagram ist für Kinder und Teenager vielleicht eine echte gesundheitliche Gefahr. Zuckerberg legt die Pläne für die Instagram-Kids-App zunächst auf Eis seit der Whistleblower-Aktion von Frances Haugen. Die politischen Proteste sind zu stark.

Instagram ist auch die weltweit größte Tourismus-Plattform: Durch die Instagram-Touristen-Influencer entsteht eine extreme Konformität bei Urlaubszielen. Wenn Influencer von irgendwo Bilder, Videos und/oder Stories gepostet haben bei Instagram, zieht das Touristen an.

Früher war es der Reisejournalist, der Aufträge erhielt von Anbietern aus der Touristik, heute sind es viele Reiseinfluencer/Innen, große wie kleine, die z.B. kostenlos Urlaub machen können für Posts, Stories, Videos und Reels. So werden selbst unbekannte Orte zu Massentourismus-Zielen. Früher war Island ein Geheimtipp – heute ist es völlig überlaufen.

Weiterer Aufschwung durch die Corona-Pandemie

Mit Corona ist der Werbeumsatz von Instagram von 2019 (9 Milliarden) auf 18 Milliarden Dollar gestiegen. Es entwickelt sich eine neue, inszenierte Schnappschuss-Ästhetik. Und noch ein Trend ist zu verzeichnen: Aktivisten erobern Instagram in der Pandemie-Leere. LGBTQ und andere unterdrückte, verfolgte bzw. ignorierte Gruppierungen nutzen Instagram, um Öffentlichkeit zu schaffen, sich zu vernetzen, sich zu organisieren, sich zu wehren, Öffentlichkeitsarbeit zu machen und nach außen zu kommunizieren.

Frances Haugen glaubt weiterhin an das Potential von Instagram, was sie ausdrücklich betont. Bei aller Kritik ist es auch ein Fortschritt, wenn man sich über Bilder, Videos und Stories ausdrücken kann. Liken, kommentieren, über DM oder Reposts teilen. Instagram schafft auch eine neue Öffentlichkeit für die, die vorher keine hatten.

Gerade in autokratischen Systemen (zum Beispiel auf dem Kontinent Afrika) nutzen politische Oppositionelle Instagram, Twitter und andere soziale Netzwerke, um den Widerstand gegen die herrschenden Regime aufzubauen und zu organisieren. Es ist immer das Gleiche: Jede bahnbrechende Erfindung ist ein Werkzeug und zugleich eine Waffe – es ist etwas Gutes und etwas Schlechtes.

Bleibt zu hoffen, dass Frances Haugen recht behält und Instagram sein gutes Potential weiter ausbaut. Aber ist das wirklich möglich, wenn es auf Gewinnmaximierung gepolt ist? Man wird sehen….











Seit über zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Manager/Innen. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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