Ungezügelte Meinungsfreiheit im Web: Grund zur Freude – oder Grund, die eigenen Accounts zu löschen?

Mark Zuckerberg hat angekündigt, dass er die bisherige Zusammenarbeit mit externen Faktenprüfern beenden wird. Zunächst soll diese Aufkündigung der Zusammenarbeit nur in den USA umgesetzt werden, doch die Europäische Kommission geht davon aus, dass Meta mit Facebook, Instagram und WhatsApp diesen Wechsel demnächst auch in der EU umsetzen will. Beim Faktencheck geht es darum, Falschmeldungen, Hetze und Hassrede zu identifizieren, an den Betreiber zu melden und ihn um schnellstmögliche Löschung zu ersuchen. Das hat dazu geführt, dass die Attraktivität von Facebook gelitten hat. Eine offene Debattenkultur ist schon lange nicht mehr möglich.

In Deutschland übernehmen das Medienunternehmen Correctiv und die Nachrichtenagenturen dpa und AFP bisher die Beurteilung von Desinformation und Hetzrede. Zukünftig soll stattdessen die Community an Meta melden, wenn sie Aussagen für Fehlinformationen oder Hassrede halten.
mdr: Wie arbeiten Faktenchecker in Deutschland?

Kontrolle der Meinungsfreiheit im digitale Wandel

Die letzten Wochen gibt es viel Diskussion darüber, dass einige Politiker massenhaft Strafanzeigen stellen bei Äußerungen von Community-Nutzern, die von den Politikerinnen und Politikern als beleidigend empfunden werden. Das, was seit Urgedenken bei Familienfeiern, in Vereinen und auf Stammtischen die Würze des debattierenden Miteinanders gibt, ist durch den digitalen Wandel in den öffentlichen Raum gerückt.

Von Meinungsfreiheit und Lynchjustiz

Ebenso können Minderheiten, die von Teilen der Menschheit verachtet, verhöhnt, gehasst und bedroht werden, nicht gleichgültig bleiben, wenn sich ihre Widersacher über Internet-Foren und soziale Netzwerke verbünden und womöglich Jagd auf die Verhöhnten oder Gehassten machen. Selbst, wenn es bei Diffamierungen in Posts und Kommentaren bleibt, könnte sich jederzeit daraus etwas Unkalkulierbares entwickeln, was zu verheerendem Unheil führt.

Demokratie oder einschränkende Regierungsgewalt?

Meinungsfreiheit ist für jede Demokratie unverzichtbar. Wie sollen die Bürger eines Landes eine für sie schädliche Regierung abwählen, wenn sie sich nicht informieren, austauschen und organisieren können?

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten […]

Und doch stellt uns die Digitalisierung und eine damit zeitlich und räumlich ausgeweitete Kommunikation in weltweiter Öffentlichkeit vor Probleme, die verständlich sind. Ich zum Beispiel bin ein großer Verfechter der Meinungsfreiheit und des Grundgesetzes, doch auch ich sehe mit Besorgnis, was passiert, wenn sich hassende Parteien digital und analog gegenüberstehen – oder wenn, wie Friedrich Schiller es in seinem Meisterwerk „Die Glocke“ beschreibt, sich das Volk gegen seine Regierung zusammenschließt, um diese zu stürzen:

Weh, wenn sich in dem Schoß der Städte
Der Feuerzunder still gehäuft,
Das Volk, zerreißend seine Kette,

Zur Eigenhilfe schrecklich greift!
Da zerret an der Glocken Strängen
Der Aufruhr, dass sie heulend schallt
Und, nur geweiht zu Friedensklängen,
Die Losung anstimmt zur Gewalt.
Freiheit und Gleichheit!

Friedrich Schiller: Das Lied von der Glocke

Ich selbst werde mich nicht bei Facebook abmelden wegen dieser (wahrscheinlich der neuen Regierung Trump geschuldeten) Umorientierung in Bezug auf Zensur und Verhinderung von riskanten Debatten. Zurzeit ist Facebook einfach nur langweilig. Alles, was ich dort finde, sind Kulturposts und langweilige Privatfotos von Urlauben, Treffen, Events.

Eine Zeit lang hatte ich gehofft, dass Facebook eine Alternative zu Paywall-Zeitungen werden könnte – dass ich mir selbst meine individuelle Tageszeitung zusammenstellen könnte – auch und vor allem mit Lokalnachrichten. Ich vermisse den Lokalteil sehr, mit seinen Berichten über Parlamentsentscheidungen, über Baumaßnahmen, Vereine, Termine und alles, was die Region belebt – oder auch bedroht. Ich vermisse sogar die Todesanzeigen.

Durch die Ausweitung der Einordnung durch externe Faktenchecker (besonders seit 2020) ist diese Ausrichtung des Netzwerkes verloren gegangen. Nun warte ich einmal ab, ob eine neue Vielfalt und neue journalistische Akteure das gute alte Facebook nutzen. Sollte es zu einer Hassbude werden, kann ich mich immer noch abmelden – aber ich glaube nicht, dass das passiert. Seit 2015 (Aufnahme der Kriegsflüchtlinge aus Syrien) habe ich ohne Aufregung sofort alles blockiert, was mich erschreckt oder anwidert.

Ihr wollt Euch abmelden aus Facebook, Instagram, Snapchat, TikTok, Telegram und X? Hier steht, wie es geht:

Die Digital-Zeitschrift t3n hat am 13. Januar 2025 veröffentlicht, wie man sich aus all diesen sozialen Netzwerken, Messengern und Communitys sicher abmeldet und seinen Account endgültig löscht.
t3n: Facebook, Instagram und X: So löscht ihr eure Social-Media-Accounts

Und hier eine 15-minütige Version des Videos, in dem Mark Zuckerberg erklärt, dass er die Zusammenarbeit mit Faktencheckern in den USA beendet. Um die Untertitel auf deutsch zu lesen
1. Untertitel aktivieren
2. in den Einstellungen die automatische Übersetzung auf deutsch anklicken

Seit über zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Manager/Innen. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

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