Storytelling, Storytelling, Storytelling – im letzten Jahr nur ein Begriff für Experten, in diesem Jahr fasst der Begriff auch dank der Fernsehsender wie des ZDFs – „Dina Foxx“ – oder ARTE – „The Spiral“ – allmählich im Alltag Fuss. Was ist Storytelling aber eigentlich und was unterscheidet die verschiedenen Fachbegriffe voneinander?
Menschen brauchen Geschichten. Menschen lernen durch Geschichten. Menschen geben Wissen in Form von Geschichten weiter. Deswegen ist das Geschichtenerzählen, auf englisch dann Storytelling, ein Gewerbe, das so alt wie die Menschheit ist. Zudem wurden die Grundzüge von Geschichten auch schon immer für die Werbung genutzt – jeder Werbespot ist im Grunde eine kleine Geschichte, die versucht das Begehren für eine Marke zu erwecken und dabei teils mehr, teils weniger erfolgreich ist. Insofern ist der Storyteller kein neuer Beruf an sich sondern wohnte schon immer als Aspekt dem Marketing selbst inne. Im Zeitalter des Internets aber bieten sich neue Möglichkeiten und neue Verknüpfungen um das Geschichtengarn zu spinnen – daher ist der Storyteller mehr in den Vordergrund gerückt vor allem seitdem Buchverlage und Hollywood erkannt haben, dass man Storytelling geschickt dazu nutzen kann um mehr Umsatz zu erzielen. Zudem: Hollywood hat schon immer das Erzählen von Geschichten auf verschiedenen Ebenen beherrscht. Doch mit „The Matrix“ wurde lange bevor einem das bewußt wurde das Transmediale Storytelling ins Kino gebracht. Halten wir fest: Storyteling ist das Erzählen einer Geschichte zu einem bestimmten Zweck. Um zu unterhalten. Um zu belehren. Auch um zu verkaufen.
Mittlerweile könnten Satiriker durchaus auch schon ein Bullshit-Bingo fürs Storytelling an sich erstellen. Kein Wunder, werden doch laufend Begriffe wie Transmedial Storytelling, Crossmedia Storytelling, Social Media Storytelling, Digital Storytelling auf den Markt geworfen. Wobei Marcus Brown, der für den deutschsprachigen Raum das Thema zusammen mit Frank Tentler auf den Weg gebracht hat, durchaus auch genauso wie Henry Jenkins, der das Wort Transmedial Storytelling genauer definierte, erfrischenderweise zugibt: „Es ist ein Buzzword.“ Da es, so schränkte er bei der Operation Ton in diesem Jahr in Hamburg ein, allerdings kein besseres Wort für das Feld gibt wird es halt verwendet.
Fangen wir also mit dem Versuch an die verschiedenen Begriffe zu definieren und auseinanderzuhalten und beginnen mit dem Crossmedialem Storytelling. Crossmediales Storytelling ist das Erzählen von Geschichten mit verschiedenen Medien. Wer die Prequels von „Star Wars“ gesehen hat oder die Sequels von „Saw“ hat crossmediales Storytelling erlebt. Hier geht es um das Erzählen von Geschichten in einem Universum, die allerdings jeweils für sich abgeschlossen sind. Häufig findet man das im Verlagswesen, bei Comics, in der Spieleindustrie. Ein Beispiel: Nach dem Ende der Fernsehserie „Buffy“ erzählt der Serienmacher Joss Whedon die Abenteuer der Heldin als Comic weiter. Das Merkmal der abgeschlossenen, für sich stehenden Geschichte muss man hier hervorheben, denn zur Zeit neigen die Verlage und auch Hollywood zu behaupten, man habe das Transmedial Storytelling ja schon seit Urzeiten betrieben. Da muss ich widersprechen: Hollywood und Buchverlage beherrschen das Konzept des Crossmedialen Storytellings sicherlich aus dem Effeff. Das Transmediale Storytelling aber ist eher die Ausnahme als die Regel. Ob das „Matrix“-Universum der Wachowski-Brüder als transmediales Konzept gelten kann – da bin ich mir nicht so sicher, da die Animes, die Spiele und die Filme zwar in einem Universum spielen aber erzählen sie eine konsequente Geschichte und beleuchten sie aus diversen Facetten?
Transmediales Storytelling ist genau das: Das Erzählen einer Geschichte konsequent über mehrere Medien hinweg. In seinem Blogpost „Transmedia Storytelling 101“ definiert er Transmedia Storytelling als „a process where integral elements of a fiction get dispersed systematically across multiple delivery channels for the purpose of creating a unified and coordinated entertainment experience. Ideally, each medium makes it own unique contribution to the unfolding of the story.“ Es geht also um einen Prozess, bei dem die Inhalte einer Fiktion – Geschichte – systematisch über verschiedene Verteilungskanäle gestreut werden um das Erlebnis eines einheitlichen koordinierten Unterhaltungserlebnisses zu leisten. Im Idealfall, fügt Jenkins hinzu, trägt jedes Medium seine eigene Art und Einzigartigkeit für das Erzählen der Geschichte bei. Transmedial Storytelling hat also nicht nur ein Geschichtenuniversum – wie „Star Wars“ – als Hintergrund sondern bemüht sich eine übergreifende Geschichte mit verschiedenen Kanälen zu erzählen. Man kann nicht deutlich genug betonen wie wichtig dabei die Begriffe „unified and coordinated“ sind. Nine-Inch-Nails-Fans schwärmen heute noch von dem Projekt „Year Zero“ – zum damals gleichzeitig erscheinenden Album schuf die Band verschiedene Webseiten, streute USB-Sticks mit Hinweisen zum Album, schaltete Telefonnummern mit Anrufbeantworteransagen. Schlussendlich führte die Promotion-Aktion, bei der immer wieder Hinweise und Hintergründe fürs Album offengelegt wurden, dann konsequent bis zur Veröffentlichung des Albums. Fans, die im Internet allen Hinweisen nachgegangen waren hatten dann ein intensiveres Hörerlebnis, weil sie eine Geschichte zum Album kennenlernten.
Der Unterschied zwischen transmedial und crossmedial sollte jetzt einigermaßen klar sein. Unter dem Überbegriff des Transmedia Storytelling kann man jetzt den Social Media Storyteller einsortieren, seine Aufgabe ist es – anders als vielleicht seine Kollegen, die bei einem Storytelling-Konzept die Grenzen zwischen der digitalen und analogen Welt auch überschreiten, siehe die Transmedia-Erfahrung zu „The Dark Knight Rises“, bei dem Menschen für die Wahl des fiktiven Staranwalts Harvey Dent demonstrierten, konzentriert sich der Social-Media-Storyteller auf die Möglichkeiten des Internets und des Social Webs um eine Geschichte zu erzählen. Ein Social Media Storyteller sollte zudem auch ein guter Social Media Manager sein, ebenso wie das Wissen um die Kommunikation auch zu seinem Berufsfeld gehören sollte. Wer allerdings nicht weiß, wie Kommunikation funktioniert wird generell kein guter Storyteller sein. Der Social Media Storyteller ist also ein Fachmann für das Transmedia Storytelling im Internet.
Digital Storytelling ist ein Feld für sich: Hier stehen die Fakten im Vordergrund. Nicht die fiktiv-erdachte Geschichte. In der Regel wird hierzu Video als Medium zum Aufzeichnen benutzt, ergänzt werden kann dies aber durch die verschiedenen Formen des Internets bzw. des Social Webs. Diese Videos können, müssen aber nicht unbedingt interaktiv sein. In der Regel sind sie um die 8 Minuten lang. Einsetzen kann man diese Form für den Unterricht, wenn es darum geht Schülern Begriffe zu erklären oder wenn – wie bei den Überlebenden des Holocausts – Zeitzeugnisse und Statements festgehalten werden. Desöfteren greift auch das Digital Storytelling auf die Elemente des Crossemdia Storytellings zurück, in dem es Webseiten, Blogs oder Facebook nutzt um diverse Fakten weiter zu vertiefen. Hier findet aber Geschichts- statt Geschichtenunterricht statt.
Ich hoffe, ein wenig Licht in den Begriffswirrwarr gebracht zu haben und vermutlich habe ich nicht alle Begriffe zum Thema ausmachen können, dazu ist das Feld in Deutschland noch relativ neu. Und falls Sie jetzt denken, Sie haben aber nichts Spannendes was sich in Form einer Geschichte mit einem Helden erzählen lassen könnte: Auch eine Sachgeschichte aus der „Sendung mit der Maus“ ist – eine Geschichte…
Hallo Christian! Also mich hast du erleuchten können. Ich hatte immer angenommen, dass deine Berufsbezeichnung eine eigene Wortschöpfung von dir war. Ist schon interessant wie dieser Bereich differenziert wird!
Viele Grüße,
Raphael
Kleiner Hinweis in eigener Sache: Man kann natürlich auch auf das eventuell kostengünstigere Medium der Fotografie oder der Illustration zurückgreifen, um erklärende Geschichten zu erzählen…
Ein Beispiel gefällig?
Die beiden Gründerinnen der „Geschichtsmanufaktur“ präsentieren sich selbst und ihre Dienstleistungen mittels eines achtseitigen Fotocomics – produziert von mir und dem Fotografen Jens Sundheim, veröffentlicht sowohl im pdf-Format als auch in gedruckter Form. (Das pdf findet man auf ihrer Webseite: http://www.geschichtsmanufaktur.com )
Die während des eintägigen Fotoshootings entstandenen Bilder kommen gleichzeitig auch noch in den diversen Social Media Profilen der beiden Historikerinnen (also auf Xing, Facebook und Co. und ihrer Webseite) zum Einsatz.
Im Moment planen wir zum einen gerade die Geschichte um ein paar neue Seiten zu erweitern, da sich ihre Dienstleistungen und ihr Kundenprofil seit der Gründung ein wenig verändert hat – und die beiden als zusätzliche (zugegebenermaßen sehr kleine) Werbemaßnahme in der Geschichte meiner Union der Helden auftauchen zu lassen. – Gekoppelt mit einer entsprechenden Pressemitteilung und verknüpfendem TamTam bei Facebook, Twitter und Co.
„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ – danke Arne für Deinen Beitrag – mögen viele sich Eure Fotocomics einmal anschauen…
In der Tat ein schönes Beispiel dafür, wie man mit Storytelling sich selbst positionieren kann. Da kann man dann auf die neuen Seiten gespannt sein.
[…] ich habe dann am letzten Vormittag noch über einige Beispiele des crossmedialen und transmedialen Storytelling erzählt. (Siehe dazu auch eine Reihe spannender Artikel bei Angelika Unterholzner!) Es war aber […]
[…] gelagerte Begriffe, die aber nicht das Gleiche besagen. Bei meiner Recherche habe ich einen Fachbeitrag gefunden, der einzuordnen […]
[…] gelagerte Begriffe, die aber nicht das Gleiche besagen. Bei meiner Recherche habe ich einen Fachbeitrag gefunden, der einzuordnen […]