Warum Eva Ihnenfeldt weiterhin nicht aus der katholischen Kirche austritt

Ich gebe zu, ich bin entsetzlich wütend darüber, wie der Vatikan, die Gemeinschaft der Kleriker und die Verwaltung der römisch-katholischen Kirche mit der Realität des massenhaften sexuellen Kindermissbrauchs umgeht. In der Öffentlichkeit zur Schau gestellte Reue und Selbstkasteiung erscheint mir als eine der widerwärtigsten PR-Shows, die ich mir vorstellen kann. Wie eine öffentliche Selbstbefriedigung der sexuellen Schuldgefühle, durch die diese Kirche seit jeher lebt. Lust durch Sünde – was für eine perverse Verquickung!

Allein der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, ist anscheinend in der Lage, nüchtern und sachlich das zu fordern, worum es geht: Aufhebung des sogenannten päpstlichen Geheimnisses (Geheimhaltungsnormen für bestimmte Rechts- und Verwaltungsvorgänge in der katholischen Kirche) und die Anpassung des Rechtssystems an öffentliche Standards. Bravo, genau wie die Kirchen im Arbeitsrecht auf den Teppich kommen müssen, müssen sie im Fall von sexuellen Straftaten ihrer abhängig Beschäftigten reagieren wie jede andere Organisation auch. Zeitlonline: Reinhard Marx beim Amtsmissbrauchsgipfel

Warum darf die katholische Kirche als „Kinderfickersekte“ bezeichnet werden?

Als der Blog Schockwellenreiter im Jahr 2011 die katholische Kirche als „Kinderfickersekte“ bezeichnete, lehnte das Amtsgericht Tiergarten in Berlin ein Hauptverfahren gegen den Blogbetreiber ab mit der Begründung, die vielen aufgedeckten Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche seien so massiv, dass eine solche Bezeichnung nicht als Störung des öffentlichen Friedens angesehen werden könnte. Sexueller Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche bei Wikipedia

Auch ich begegne jedem einzelnen Kleriker aus der Kirche, der ich angehöre, mit einem gewissen Misstrauen. Zwar glaube ich nicht, dass die Mehrheit der Priester Kinder missbraucht, doch ich bin überzeugt davon, dass so gut wie keiner von ihnen nach dem Prinzip des Keuschheitsgebots lebt. Es ist einfach unmöglich – es ist zu schwer…

Masturbation – im katholischen Katechismus eine Sünde

Im katholischen Katechismus Dritter Teil (Das Leben in Christus) wird in Artikel 6, Absatz II, die Berufung zur Keuschheit beschrieben. Da dieser Katechismus als Handbuch für alle Gläubigen gedacht ist, müssen sich natürlich vor Allem Priesterschüler, Mönche und Priester den Gesetzen und Vorgaben verpflichtet fühlen. Unter Punkt 2352 wird Maturbation als „schwere ordnungswidrige Handlung gebrandmarkt“. Doch wie viele junge Männer wird es geben, die tatsächlich in der Lage sind, ihren sexuellen Trieb in eine höhere Form der Spiritualität zu transformieren und nie zu onanieren?

Wie ist es, im Priesterseminar in einer Gemeinschaft junger Männer zu leben, in der jeder Einzelne ständige Schuldgefühle hegt, weil er nachts onaniert? Wie ist es, wenn jeder es vom anderen vermutet. aber keiner darüber sprechen kann? Ich glaube sogar, dass die Schuldgefühle, das Verstecken und die Angst vor göttlicher Strafe die sexuellen Triebe verstärkt. Wir wissen ja, wie eng Lust und Schmerz bei sexuellen Praktiken miteinander verbunden sein können. Perversion entsteht immer dann, wenn man nicht unschuldig und entspannt das sexuell leben kann, worauf man gerade Lust hat. Katholischer Katechismus: Berufung zur Keuschheit 

Wie heißt es so schön? Wer lügt, der stiehlt… Wer durch Maturbation sündigt, ist nur einen Schritt von weitergehenden sexuellen Sünden entfernt. Die Selbstbewusstesten, die das Ganze nicht so ernst nehmen und einfach Bock darauf haben, katholischer Priester zu sein, können einfach ihre heimlichen Liebschaften leben – doch was machen all die Anderen, die tatsächlich dem Katechismus glauben und sich bemühen, dem Keuschheitsgebot zu folgen? Peitschen sie sich ständig aus, um Reue zu zeigen? Beichten sie nach jeder Masturbation bei ihrem geistlichen Betreuer? Oder beginnen sie, ein Doppelleben zu führen wie Dr. Jequill?

Warum ich nicht aus der katholischen Kirche austrete

Ich bin eines der Kinder mit einem katholischen Vater und einer protestantischen Mutter. Mit meinem Papa ging ich Sonntags zur Kirche und von meiner Mutti erfuhr ich, wie bigott und verlogen die Katholiken sind. Ich war ständig hin- und hergerissen zwischen Hingabe an Jesus und seine Tempel – und dem zutiefst empfundenen Misstrauen gegenüber Allem, was von der Kanzel und im Religionsunterricht erzählt wurde. Da unser Dechant beim Kommunikonsunterricht sogar gern männliche Kinder schlug, war es nicht schwierig, das nebeneinander stehen zu lassen.

Jesus war wie ein unschuldig geopfertes Lamm in diesem verworrenen Gebilde aus Lug und Trug und Machtmissbrauch. Gerade dieses Gefühl von gnadenlosem Pharisäertum bei den Autoritäten der Kirche stärkte und fütterte meine Solidarität und Liebe zu diesem traurigen Menschen, der sich selbst opferte, um Nächstenliebe und Vergebung in die Welt zu bringen. Und so viele der Gemeindemitglieder glichen diesem unschuldigen Lamm, waren wie er Gläubige in einem Märchen der Gebrüder Grimm. Aschenbrödel, Taugenichtse, abgehalfterte Kriegsveteranen, verbannte Königstöchter… Sie alle waren gefangen bei der Stiefmutter und dem gierigen König, denen sie gehorsam dienten und ihr Schicksal demütig erduldeten.

Genau wegen dieser Menschen werde ich die Allerletzte sein, die aus der katholischen Kirche austritt. Ich möchte zu den Letzten gehören, die das Licht ausmachen. Ich möchte erleben, wie dieses elende Gebäude aus „Sie predigten Wasser und tranken Wein“ in sich zusammenfällt wie Staub.

Ich möchte diejenigen umarmen, die ihr Leben in Naivität und Nächstenliebe dem gewidmet haben, was Jesus vertrat. Ich liebe die Evangelien und das, was Pier Paolo Pasolini in seinem wunderbarem Filmwerk  „Das 1. Evangelium nach Matthäus“ zeigt. Der linke, homosexuelle Schriftsteller und Regisseur und ich sind uns einig. Jesus war ein Revolutionär der allumfassenden Liebe. Und dem bleibe ich treu und pass auf ihn auf – gemeinsam mit vielen anderen Katholiken, die sich der Gewalt der ausübenden Obrigkeit fügen…

 

 

 

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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2 thoughts on “Warum Eva Ihnenfeldt weiterhin nicht aus der katholischen Kirche austritt

  • Reply Axel F. Seitz 1. Mai 2019 at 05:22

    Moin moin Eva
    Dein Text gefällt mir sehr – nur den letzten Teil verstehe ich nicht. Jesus war doch nur ein Mensch. Das du dem Menschen treu bleiben möchtest verstehe ich gut. Die Institution Kirche (egal welcher Art) wird erst wach werden wenn ihr die Schafe & Sünder davon laufen. Sei doch ein Vorbild & lebe den Glauben frei.

    • Reply Eva Ihnenfeldt 1. Mai 2019 at 15:45

      Weißt Du, ich habe mich an den Kabarettisten Werner Fink erinnert, der ganz am Schluss des Nazireichs in ein Parteibüro in Berlin ging und sagte, er wolle in die Partei eintreten – und der Nazi antwortete wütend „Ja sehen Sie denn nicht: Das geht jetzt nicht mehr!“ – das war ihm eine große Befriedigung. Aber vielleicht schiebe ich das nur vor und bin einfach sentimental in Wirklichkeit. Ich denke darüber nach – vielleicht hast Du recht. Wahrscheinlich hast Du recht – danke!

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