Das Bundessozialgericht hat in einem Urteil vom 31. März 2017 zum Thema „Scheinselbstständigkeit“ die Forderungen der Deutschen Rentenversicherung gegenüber dem Landkreis Erlangen-Höchstadt abgewiesen. Entscheidend für das Urteil war, dass das Honorar für die freiberuflichen Tätigkeiten eines Heilpädagogen viel höher war als vergleichbare Stundensätze von Festangestellten. Das Urteil ist sehr wichtig, da hiermit ein neues Kriterium für die Ermittlung entsteht: Wenn das Honorar eines Freelancers so hoch ist, dass es eine selbstständige Eigenvorsorge zulässt – und wenn weitgehend weisungsfrei gearbeitet werden kann, liegt (zumindest in diesem konkreten Fall) keine Scheinselbstständigkeit vor.
Der Verband der Gründer und Selbstständigen e.V. (VGSD) begrüßt das Urteil. „Das neue Kriterium schafft mehr Rechtssicherheit und setzt einen zusätzlichen Anreiz für Auftraggeber, Selbstständige fair zu bezahlen. Das finde ich sehr positiv. Es ist aber kein Freifahrtschein: Weiterhin muss die Tätigkeit weitgehend weisungsfrei erfolgen,“ meint dazu Dr. Andreas Lutz, Vorstandsvorsitzender des VGSD.
Informatik-aktuell vom 24.4.17
Falls sich diese Rechtsprechung nun auch auf weitere Fälle übertragen lässt und tatsächlich ein neues Kriterium zur Ermittlung von Scheinselbstständigkeit entstanden ist, wäre das meiner Meinung nach das Beste, was passieren kann. Ich denke, dass es in vielen Branchen nicht mehr passt, ausschließlich mit Festangestellten zu arbeiten – und ich denke, dass im Zuge der Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung auch viele Menschen das freie Arbeiten einer Festanstellung vorziehen.
Das Schöne an der Selbstständigkeit ist ja, dass man unternehmerisch denken kann bei seinen Aufträgen, dass man frei ist von innerbetrieblichen Hierarchien und Strukturen, dass man Arbeitszeit und Herangehensweise freier bestimmen kann als ein Angestellter.
Auf der anderen Seite darf Freiberuflichkeit auf keinen Fall ein Tür sein, die Arbeitgeber aus der Verantwortung entlässt und ihnen ermöglicht, Freelancer je nach Lage „zu heuern und zu feuern“. Die größte Gefahr beim Wandel unserer Arbeitswelt ist, dass immer mehr Menschen ihre „Ware“ Arbeitskraft ohne Rechte und zu Dumpingpreisen zu Markte tragen müssen. Doch bei einer angemessenen Vergütung selbst für Absicherung gegen Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unfälle zu sorgen, entspricht dem unternehmerischen Geist der Selbstständigen und kommt ihm entgegen. Wie wichtig, dass solche Erkenntnisse und Formulierungen von Bundes-Gerichten der Politik Rahmen setzen. Ohne die Gewaltenteilung sähe unser Land ganz anders aus. Möge sich diese Freiheit und Unabhängigkeit bewahren lassen.
SteadyNews vom 4. Mai 2017: Ist Existengründung ein Weg in die Freiheit – oder ein Weg ins Tagelöhner-Prekariat?