Desertion: Die Feigheit der Deserteure vor dem Feind

Desertion: Bis gestern wusste ich nicht einmal, dass es diesen Begriff gibt. Zwar hatte ich schon immer große Liebe zu Deserteuren – zu den Feiglingen im Krieg, zu denen, die sich nicht mitziehen lassen durch Schlachtrufe wie „Jeder Schuss ein Russ‘, jeder Stoß ein Franzos'“ – doch Desertion kann ich ja auch als Frau verwenden, dafür muss ich kein wehrpflichtiger Mann sein. Oh ja, gerade fühle ich mich als Deserteurin. Mein Lachen ist lauter als normal, meine Spannkraft höher, mein Augen können blitzen, wenn mir etwas nicht passt. Ihr wollt Krieg? Ok, ich kann es nicht verhindern.

Habe lang genug profitiert vom Leid Unzähliger auf der Welt in diesem komfortablen Versailles, in dem ich nach dem Motto lebe „Was schreit Ihr nach Brot? Esst doch Kuchen!“

Bild von brands amon auf Pixabay 

Natürlich kann es sein, dass schon in wenigen Wochen der Spuk vorbei ist. Die Ukraine wird neutral, die Großmächte einigen sich auf Verträge, in Deutschland meckern die Menschen eine Zeit lang über teuren Sprit, teures Brot und teuren Kuchen, und dann läuft alles wieder seinen gewohnten Gang. Corona hat ja auch funktioniert – dann wird das jetzt auch irgendwie funktionieren.

Doch egal wie es ausgeht, das was gerade in mir wach geworden ist, diese innere Desertion, fühlt sich verdammt gut an. Die will ich behalten. Samstag sagte ich in der Eingangsrunde meiner Ausbildung zur systemischen Sozialtherapeutin: „Ich bin raus. Ich bin hier nur noch als Außenstehende, ich gehöre nicht mehr dazu. Seht mich ab jetzt als die Einzelgängerin, die ich eh schon immer war und bleibe. Ich ziehe mich raus. Ich habe in diesem System keine Nummer mehr.“

Heute Nacht träumte ich, ich würde in dem Betrieb angestellt, in dem meine Tochter arbeitet. Irgendwas mit Energieherstellung glaube ich. Ich war in der Verwaltung, ging durch die Gänge, führte Gespräche, schaute mir alles an und versuchte herauszufinden, was ich dort zu tun habe – doch innerlich war ich völlig unbeteiligt. Gutmütig, unbekümmert, regelrecht übermütig in meiner Überzeugung, nirgendwo dazuzugehören.

Desertion klingt in meinem Kopf nach Freiheit – nach dem, was mein Ideal ist. Ich kann keine Partei ergreifen, kann keine Meinung fällen, kann keine Wahrheit erkennen. Es ist wie es ist. Ich fühle mich wie ein abgehalfterter einäugiger Soldat, der in seinen Stiefeln aus Büffelleder durch die Wälder zieht und nicht einmal mehr Rachegelüste gegenüber dem König empfindet, der ihn so lange benutzte für seine Kriege.

Ich zucke die Schultern und bleibe allein. Ich schaue mir das Weltgetriebe an und habe keinen Grund, mich dort einzugliedern. Ich bin raus. Mit meinen Leuten träume ich von „Evas Haus“, in dem wir Bekloppten Kartoffeln schälen, in der Sonne was häkeln und die Männer vielleicht Computer reparieren. Wir sind so unwichtig und untüchtig – aus uns wollt Ihr nicht einmal Soldaten machen. Und die Vöglein singen in den Bäumen der Unbrauchbaren…

Seit über zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Manager/Innen. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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