Influencer, DSGVO… Selbstständige, Händler, Unternehmer und das Recht im (auf) Internet

In den letzten Wochen erlebe ich eine Inflation an Besorgnissen von Selbstständigen, Bloggern und kleineren Unternehmen, die an Panik grenzt. Kein Wunder, da in Deutschland das Damoklesschwert der Abmahnung ständig über jedem schwebt, der sich im Internet sichtbar macht. Während sich die Digital-Giganten Google, Amazon, Facebook, Apple und Co mit ihren Rechtsabteilungen auf die veränderte Rechtslage ab dem 25. Mai 2018 einstellen, ist die Verunsicherung bei denen, die keine eigenen Datenschutzbeauftragten und Anwälte beschäftigen, so extrem, dass Einige schon an Aufgeben denken – oder Abstand nehmen von dem geplanten Schritt in die Selbstständigkeit. Ob das von der Politik gewollt war?

DSGVO und Influencer-Schleichwerbung…

Gerade wir Deutsche neigen ständig zu der Angst, etwas falsch zu machen und gegen irgendwelche Gesetze zu verstoßen. Da die  DSGVO alle EU-Staaten betrifft, frage ich mich manchmal, ob auch Italiener und andere Südeuropäer im vorausschauendem Gehorsam tausend Veranstaltungen zur neuen Datenschutzgrundverordnung besuchen, um sich vor Angriffen und teuren Prozessen zu schützen. Schwer vorstellbar oder?
Alles über die DSGVO im Spiegel – viel Spaß beim Lesen, Verstehen und Umsetzen

Darf ich noch Visitenkarten in einer Schublade lagern? Muss ich bei jeder Visitenkarte den Inhaber derselben fragen, ob ich diese Daten auf Excel übertragen darf? Darf ich noch meine Scanner-App benutzen, die mir automatisch die Visitenkartendaten speichert? Darf ich noch bei Twitter andere User in einem Tweet kennzeichnen – oder muss ich diese zunächst um Erlaubnis fragen, da ich ja ihre Daten weitergebe dadurch? Darf ich Twitter-User mit ihrem Echt-Vornamen ansprechen, auch wenn ihr Twitter-Account nicht den Namen verrät?

Und dann der Kummer der Influencer! Muss man einen Post bei Instagram als „Anzeige“ mit Hashtag kennzeichnen, obwohl ich bei den Produkten, die ich dort trage, keinerlei Gegenleistung der entsprechenden Marke erhalten habe? Muss ich die Kassenzettel aller Fashion-Artikel und Accessoires aufbewahren, um jederzeit nachweisen zu können, dass ich das Produkt selbst bezahlt habe und nur bei Instagram empfehle, weil es eben empfehlen will? Wie überhaupt kann ich eindeutig belegen, dass ich kein bezahltes Testimonial bin?
Wie man bei Influencer korrekt kennzeichnet – Kassenzettel aufbewahren!

Ich wünschte, ich wäre Italiener

Ich stelle mir vor, dass unsere Freunde aus Italien oder Spanien über unseren vorausschauenden Gehorsam ein wenig schmunzeln müssen. Ja, das Leben ist gefährlich, und ich will die Möglichkeit einer teuren Abmahnung wirklich nicht in Zweifel ziehen. Kann gut sein, dass nach dem 25. Mai tausende von Anwaltskanzleien sich begierig darauf stürzen werden, mit Keyword-Suchmaschinen und Ghostery auf die Jagd zu gehen, um die winzigsten Kleinigkeiten an Datenschutzverstößen aufzudecken. War es bisher schon eine Herausforderung, ein rechtssicheres Impressum zu kreieren (was sehr viele bis heute noch nicht haben) wird es nun absurd schwierig.

Jedes Plugin, jeder Zugriff dritter Dienstleister auf den Quelltext, jede elektronische Zuordnung von personenbezogenen Daten kann theoretisch zum Verhängnis werden. Dürfen eigentlich bei der Stellenausschreibung noch Bewerbungen gespeichert werden, ohne die Zustimmung des Bewerbers einzuholen? Und muss man bei dieser Zustimmungs-Anfrage sehr genau angeben, bis zu welchem Datum man die elektronischen Daten speichert? Und auch akribisch darauf achten, dieses Datum einzuhalten?

An die armen Online-Händler mag ich gar nicht denken. Welche Daten sind für den Kaufvorgang unbedingt notwendig und welche bedürfen bei Speicherung der zusätzlichen aktiven Zustimmung des Kunden/ Interessenten? Darf ich noch Newsletter mit Tools versenden, die nicht von Anbietern aus der EU stammen und auf Grundlage der DSGVO aufgebaut sind? Wie kann ich Review-Marketing (Bewertungsmarketing) und Funnel-Marketing (aus der Masse heraus die echten Interessenten identifizieren und sie zu Kunden machen) organisieren, ohne die armen Interessenten ständig mit Einwilligungsbitten zu belästigen?

Die „Großen“ zeigen ja schon, wie lässig sie mit den neuen Regeln verfahren können. Täglich poppen neue AGB auf bei Facebook, Instagram, Google, Amazon und Co. Immer wird dem User freundlich freigestellt, auf diesen oder jenen Komfort zu verzichten – aber mal ehrlich, glauben wir ernsthaft, ab dem 25. Mai 2018 werden wir nur noch getrackt, wenn wir unser schriftlich nachweisbares „Ja“ gegeben haben dazu?

Abwarten und Tee trinken?

Wäre ich Influencer, würde ich es auf einen Gerichtsprozess ankommen lassen, wenn ich Marken und Produkte empfehle bzw. Rezensionen verfasse zu Produkten, die ich selbst bezahlt habe – und von denen ich ehrlich begeistert bin. Ich weiß, wann ich monetäre Vorteile erfahren habe von einer Marke. Wenn Gegenleistungen für Posts bzw. Rezensionen geflossen sind – dann wird natürlich gern gekennzeichnet (ist ja auch nichts Negatives dabei, wenn die Fans sehen, dass Marken mit meiner Inspirations-Quelle kooperieren). Ansonsten abwarten und Tee trinken. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mitbewerber der Marke unterstellt, es wäre womöglich Geld geflossen und einen Anwalt mit der Aufklärung des Sachverhalts beauftragt, ist sicher geringer als viele befürchten. Und wenn müssen sich die Gerichte damit herumschlagen, welches Beweismittel sie brauchen, um der einen oder anderen Seite zu glauben. Wir haben in unserem Rechtsstaat ja auch nichts Wichtigeres zu tun.

Als Blogger bin ich natürlich auch betroffen. Ich nutze Plugins bei WordPress, verwende Google Analytics und Mailchimp. Es ist ein Leichtes, anhand des Quelltextes und der Software Ghostery aufzuspüren, wie und wo ich einen Fauxpas begangen haben könnte. Ich bemühe mich natürlich vorzusorgen – doch wer ohne Fehl ist mag gern den ersten Stein werfen.

GAFA (Google, Amazon, Facebook, Apple) und die Big-Player allgemein

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass jede Überregulierung den Keim in sich trägt, nicht den Tätern zu schaden sondern den Opfern. So wie auch der „Grüne Punkt“ zu einer absurd, gefährlichen globalen Plastik-Müllflut geführt hat – oder die vielen gesetzlichen Regeln für Online-Händler zu einer Marktkonzentration hin zu Amazon und ebay. Oder wie das Leistungsschutzrecht zur wirkungsvollen Markteintrittsbarriere für Blogs und News-Aggregatoren wurde.

Wenn die vielen Selbstständigen, StartUps und idealistischen Blogger vom Markt gefegt werden sollen – ok, dann ist es wohl so. Dann gibt es irgendwann nur noch Konzern-Festungen, die sich vor Allem schützen können in ihrer Marktmacht und ihrem Lobbyismus. Dann leben wir bald eben in einer Welt der globalen Oligarchen, die mit unseren persönlichen Daten spielen wie mit Bazillen im Reagenzglas. Und das ohne Steuern zu zahlen.

Ich würde mir nur wünschen, dass wir ein wenig weniger eifrig wären in unserem Bemühen, der Obrigkeit zu dienen. Ist doch auch ein bisschen peinlich, wie wir uns bereitwillig jeder Führung unterordnen und unterwerfen oder? Auf die Freiheit der Unternehmenden! Oder wie Götz Werner, Gründer der Drogeriekette dm, gern betont: „Ein Unternehmern sagt; Wie – da ist eine Wand? Da ist keine Wand!“ So sprechen Unternehmende. Widerstände und Barrieren machen stark. Unterwerfung ist Selbstaufgabe.

 

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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