März 2012: Ursula van der Leyen hat es bekannt gegeben: Selbstständige sollen zukünftig verpflichtet sein, für ihr Alter vorzusorgen – entweder mit Beiträgen in die gesetzliche Rentenversicherung – oder mit privaten Vorsorgemodellen. Das alles steht genau in einem Eckpunktepapier des Arbeitsministeriums mit dem Titel: „Für eine Altersvorsorgepflicht für selbständig tätige Erwerbspersonen“
In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich der Anteil der Selbstständigen in Deutschland enorm erhöht. Zwischen 1990 und 2011 ist ihre Zahl auf 4,3 Millionen Menschen angestiegen – ein Zuwachs um 40 Prozent. Viele dieser „neuen“ Selbstständigen haben gegründet, da es im Rahmen der gestiegenen Arbeitslosigkeit attraktive Förderprogramme gab: von der „Ich-AG“ bis zum „Gründungszuschuss“. Sie gründeten aus mangelnden Perspektiven heraus, sie waren arbeitslos und suchten einen Weg daraus.
Zwar sind die meisten der Gründer aus der Arbeitslosigkeit weiter am Markt, doch viele von ihnen leben „von der Hand in den Mund“ – sie bleiben Einzelkämpfer, Freelancer, Freiberufler, der Aufbau eines Unternehmens mit Wachstumsfaktor, Kapitalstärke und Mitarbeitern gelingt nur wenigen.
Für eine „Rentenversicherung“ bleibt da wenig Raum, denn um eine lebenswerte Altersvorsorge aufzubauen, sind Beiträge von 200 bis 400 Euro monatlich erforderlich – zusätzlich zur Krankenversicherung, die ebenfalls mit mindestens 300 Euro im Monat zu Buche steht. Nimmt man die Arbeitslosenversicherung und die notwendige betriebliche Haftpflicht hinzu, liegt allein die Versicherungsbelastung monatlich bei etwa 1.000 Euro – zusätzlich zu Raummiete, Auto, Bürobedarf und weiteren Betriebskosten.
Ein Freelancer oder Freiberufler ohne Mitarbeiter und nennenswerte Unternehmenskosten muss also im Monat mindestens 5.000 Euro Umsatz erwirtschaften, um eine tragfähige Existenz zu begründen – das ist nicht leicht, wenn man bedenkt, dass nur etwa ein Drittel der Arbeitszeit auch abgerechnet werden kann! Viele Stunden verbringt man mit Telefonieren, Meetings, Mails, Akquise, Buchhaltung, Verwaltung und anderen Tätigkeiten, für die man keinen Cent erhält. Hinzu kommen Urlaubs- und Krankheitszeiten, die noch ausgeglichen werden müssen, indem man mehr erwirtschaftet.
Es ist also verständlich, dass Ursula van der Leyen mit der Politik der letzten Jahrzehnte unzufrieden ist und die Hemmschwellen für Existenzgründungen anhebt. Schon vor wenigen Monaten kam die erste große „Keule“, die Gründungen aus der Arbeitslosigkeit erschwert: Der Gründungszuschuss, der zumindest die ersten neun Monate nach Gründung den Lebensunterhalt sichert, wurde gekürzt und in eine „Kann-Leistung“ umgewandelt. Es gibt seit Januar 2012 keinen Rechtsanspruch mehr.
Rentenversicherung für Selbstständige
Zurzeit gibt es nur wenige Selbstständige, die in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen müssen: z.B. Handwerker, Hebammen, Künstler, Pflege- und Erziehungspersonen. Auch Selbstständige, die nur einen Auftraggeber haben, sind verpflichtet, in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen, sie gelten als „Scheinselbstständige“, wenn sie über einen längeren Zeitraum für nur einen einzigen Auftraggeber arbeiten.
Das Arbeitsministerium will nun diese Vorsorge fürs Alter auf fast alle Selbstständigen ausweiten. Unter 30-Jährige müssen mit Pflichtbeiträgen (einschließlich Erwerbsminderungsrente) von 350 bis 400 Euro monatlich rechnen – denn bei 45 Beitragsjahren würde so die Mindestrente von 700 Euro gewährleistet sein.
Wo genau die Selbstständigen sich versichern, bleibt ihnen überlassen, die Versicherungsansprüche dürfen nur nicht vererblich, übertragbar, beleihbar, veräußerbar oder kapitalisierbar sein. Wer nicht selbst aktiv wird, wird automatisch Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung, die natürlich eine sehr viel schlechtere Verzinsung hat, da sie ja eine Solidarversicherung ist.
30- bis 50-Jährige werden etwas gemäßigt behandelt. Sie müssen zwar glaubhaft nachweisen, dass sie ausreichend für ihr Alter vorsorgen, aber auch Immobilienvermögen wird anerkannt. Über 50-Jährige sind von den Plänen ausgenommen – für sie bleibt alles wie bisher. Und Selbstständige, die maximal 400 Euro monatlich Gewinn vor Steuer erzielen, müssen ebenfalls keine Beiträge für die Altersvorsorge zahlen.
Falls das Eckpapier umgesetzt wird, wird sicher die Zahl der Existenzgründer weiter zurückgehen, denn gerade zu Anfang ist so eine hohe Belastung kaum zu stemmen. Man sagt, jeder Geschäftsaufbau dauert etwa drei bis fünf Jahre, und auch danach haben sehr viele Selbstständige andere Alternativen zur Altersabsicherung gewählt: Gerade die Investition in Immobilien und daraus erzielte Mieteinnahmen ist eine beliebte Alternative.
Ein Blick in Nachbarländer lohnt: In Dänemark etwa sind Selbstständige gleichgestellt mit Angestellten: Je nach Einnahmen zahlen sie prozentual ein für Rente, Arbeitslosenversicherung, Kranken- und Pflegeversicherung – jeder so, wie er gerade kann, genau so wie auch sozialversicherungspflichtig Beschäftigte.
Mir persönlich gefällt diese Gleichstellung viel besser, da ich befürchte, dass wir in Deutschland durch die rigorosen Kürzungen und Belastungen zurückfallen in eine Zeit, in der die „Kaufmanns-Kaste“ unter sich blieb und nur Ärzte, Rechtsanwälte, Handwerker und andere Kammerberufe zu den Selbstständigen hinzukamen.
Das würde den Unternehmergeist sehr hemmen – gar nicht gut in einer Zeit, die angewiesen ist auf Entrepreneure und Querdenker. Vom Zeitalter des „gütigen Herrn und gehorsamen Knechts“ haben wir doch eigentlich genug, oder???
nicht nur das… es steht zu befürchten, dass dann viele kleinselbstständige, für die die selbstständigkeit die einzige alternative zur arbeitslosigkeit ist, dann sofort der solidargemeinschaft zur last fallen, weil ihnen die zur diskussion stehenden beträge das genick brechen. die beitragshöhe müsste wenn schon an die wirtschaftliche leistungsfähigkeit angepasst sein, wie das beim angestellten ja auch der fall ist.
Es trifft vermutlich wieder einmal die Falschen.
Richtig ist das jeder für das Alter vorsorgen sollte. Wichtig ist auch die Absicherung der Berufsunfähigkeit.
Wenn es heute vielen kleinen Betrieben nicht gelingt Gewinne zu erzielen, welche über dem Existenzminimum liegen, dann sicherlich, weil in den Schulen Geschichte, Erdkunde Psychologie und Sozialwissenschaften als wichtige Fächer angesehen werden.
Das Fach Geldlehre fehlt völlig.
Ich war vor einigen Wochen bei Kunden in Bayern.
Dort wird es richtig gemacht.
Schon in der 7. Klasse lernt die Tochter einer Kundin Buchhaltung und Bilanzen zu erstellen. Anhand ihres Taschengeldes kann sie Kassenführung lernen und ihren eigenen „Betrieb“ mit einer Einnahmen Überschussrechnung führen. Was am Monatsende übrigbleibt wird investiert oder zurückgelegt.
Dieses junge Mädchen war so an dem Versicherungsgespräch zwischen ihrer Mutter und mir interessiert, das ich fast vergaß,dass es erst 12 Jahre alt war.
[…] übertragbar, beleihbar, veräußerbar oder kapitalisierbar sein, so melden verschiedene Medien unter Berufung auf Eckpunktepapier des Arbeitsministeriums mit dem Titel: “Für eine […]
[…] nur nicht vererblich, übertragbar, beleihbar, veräußerbar oder kapitalisierbar sein, so melden verschiedene Medien unter Berufung auf Eckpunktepapier des Arbeitsministeriums mit dem Titel: “Für eine […]
[…] nur nicht vererblich, übertragbar, beleihbar, veräußerbar oder kapitalisierbar sein, so melden verschiedene Medien unter Berufung auf Eckpunktepapier des Arbeitsministeriums mit dem Titel: “Für eine […]