Steigende Belastungen für Selbstständige, kleine und mittlere Betriebe in Deutschland

Deutschland ist das Land des Mittelstands. 99 Prozent aller Unternehmen in Deutschland gehören zu den kleinen und mittleren Unternehmen mit maximal 499 Beschäftigen und weniger als 50 Millionen Euro Jahresumsatz. Die Quote der haupt- oder nebenberuflich tätigen Selbstständigen betrug im Jahr 2022 in Deutschland mit 3,6 Millionen Männern und Frauen 8,5 Prozent. Die Hälfte der Selbstständigen hat keine Angestellten und arbeitet als Soloselbstständige. Doch welche Belastungen machen den Unternehmern/Innen und Selbstständigen mehr und mehr zu schaffen? Das lässt sich in fünf Hauptgruppen aufteilen: 1. Lohnkosten 2. Bürokratie 3. Energiekosten 4. Steuerbelastung 5. Fachkräftemangel.

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Lohnkosten bei kleinen und mittleren Unternehmen

Im europäischen Vergleich sind die Arbeitskosten in Deutschland sehr hoch. Im Jahr 2023 lagen die Arbeitskosten für produzierende Unternehmen und Dienstleister bei 41,20 Euro pro Stunde. Im EU-Durchschnitt sind es 31,80 Euro. Luxemburg hat die höchsten Arbeitskosten pro Stunde mit 53,90 Euro.

Arbeitskosten errechnen sich aus der Lohn, Steuer- und Abgabelast. Da sind zunächst die Bruttoverdienste (geleistete Arbeitszeit, Sonderzahlungen, Vergütung für nicht gearbeitete Tage wie Urlaubs- und Feiertage, vermögenswirksame Leistungen und Sachleistungen). Die Beiträge zu den Sozialversicherungen für Rente, Arbeitslosigkeit, Gesundheit und Pflege machen zurzeit im Schnitt 42,3 Prozent der Lohnnebenkosten aus.

Hinzu kommen die Steuern und Kosten zur beruflichen Aus- und Weiterbildung, zur Einrichtung des Arbeitsplatzes und andere Personalnebenkosten. Für die Berechnung der korrekten und nachvollziehbaren Lohnberechnungen wird in der Regel eine passgenaue Lohnabrechnung Software eingesetzt. Da bei kleinen und mittleren Unternehmen etwa ein Drittel der Gesamtkosten auf Löhne und Gehälter entfallen, stellen steigende Lohnkosten die größte Belastung dar.

So verzweifeln zurzeit das Handwerk daran, dass die Lohnkosten in manchen Handwerksbetrieben bis zu 80 % der Gesamtkosten betragen können.

Ein anderes Beispiel ist auch die Lage der Gastronomiebranche, welche mit massiven Personal- und wirtschaftlichen Problemen kämpfen muss. Die Zahl der Insolvenzen stieg 2023 um 27 Prozent. Seit Anfang 2024 ist die Mehrwertsteuer, die während der Corona-Zeit für Gastronomie und Hotellerie gesenkt worden war, von 7 Prozent zurück auf 19 Prozent angehoben worden, was die Situation weiter verschlechtert.

Seit Januar 2025: Anfang 2025 stiegen die Beiträge der gesetzlichen Krankenkassen erheblich – auch das belastet die Lohnkosten der Arbeitgeber wie Arbeitnehmer erheblich.

Bürokratie

Eine weitere Belastung stellen die ausufernden Vorschriften, Dokumentations- & und Nachweispflichten dar. So gibt es nicht nur hunderte von Regelungen auf Bundesebene, die zu erfüllen sind. Hinzu kommen noch die Vorschriften auf EU-, Landes- und Kommunal-Ebene. Zusätzliche Belastungen aus Brüssel sind die Taxonomie (Verordnung zur Definition von Nachhaltigkeit), das Lieferkettengesetz sowie die CSRD-Pflichten (Nachhaltigkeitsberichterstattung).

Energiekosten

Nicht nur die hohen Energiekosten in Deutschland, sondern auch die fehlende Planbarkeit der Energieversorgung verfestigt die Abwanderungstendenz von Industrieunternehmen ins Ausland, wie das bundesweite IHK-Energiewende-Barometer 2024 zeigt. Die Zahl der Industriebetriebe, die Produktionseinschränkungen oder eine Abwanderung ins Ausland erwägen, ist auf aktuell 37 Prozent gestiegen.

Steuerbelastung

Die Steuer- und Abgabenlast für Unternehmen ist in Deutschland deutlich höher als in den meisten anderen Industrieländern. Nicht nur die oben beschriebenen Arbeitskosten belasten insbesondere personalintensive Branchen wie Handwerk, Gastronomie und Einzelhandel, sondern auch die Einkommensteuer (Gewinnversteuerung) bei inhabergeführten Betrieben oder die Körperschaftssteuer – also die „Einkommensteuer“ für Gesellschaften wie GmbHs und Aktiengesellschaften. Zusätzlich werden regional noch Gewerbesteuern von den Kommunen erhoben. Diese sind je nach Region unterschiedlich hoch.

Jedes Unternehmen ist bemüht, seine Gewinne möglichst klein zu halten – zum Beispiel durch Investitionen. Dabei haben internationale Konzerne aufgrund ihrer Strukturen weitaus mehr steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten als regional ansässige Betriebe. Immer wieder stehen US-Konzerne wie Google, Amazon, Apple oder Facebook in der Kritik, weil es ihnen gelingt, so gut wie keine Unternehmenssteuern in Deutschland zu zahlen.

Diese unterschiedlichen steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten sind eine weitere Belastung für den deutschen Mittelstand. Allerdings bleibt die Belastung durch Arbeitskosten die größte Herausforderung für Betriebe mit Sitz in Deutschland.

Fachkräftemangel

Der viel beschworene Fachkräftemangel belastet gerade mittelständische Unternehmen sehr. In der Industrie fehlen in erster Linie IT-Fachkräfte und andere Digitalisierungsspezialisten, aber ebenso Fachkräfte mit dualer Ausbildung und Weiterbildungsabschluss wie Fachwirt oder Meister. Vergeblich gesucht werden Hochschulabsolventinnen und -absolventen aus dem MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik).

Auch die Bauwirtschaft leidet sehr unter dem Bewerbermangel von fachlich ausgebildeten Arbeitnehmern. An der Spitze des Fachkräftemangels stehen der Gesundheitssektor, die Altenpflege und die Kinderbetreuung.

Belastung für Solo-Selbstständige, Freiberufler, Freelancer

Anfang 2025 hat die Beitragserhöhung der deutschen Krankenkassen Soloselbstständige besonders hart getroffen, da diese sowohl die Arbeitnehmer- als auch die Arbeitgeberteile allein stemmen müssen. Auch andere Belastungen sind in der letzten Zeit hinzugekommen. Viele Freiberufler und gewerblich tätige Soloselbstständige geben in Umfragen an, dass sie wöchentlich etwa sechs Stunden für die anfallende Bürokratie verwenden müssen. Falls erste Mitarbeiter eingestellt werden, verlängert sich der Aufwand um weitere Stunden in der Woche.

Eine erhebliche Belastung ist im Jahr 2024 für Freelancer hinzugekommen, die als digitale Experten und Interims-Fachkräfte unabdingbar sind für viele Unternehmen: das Statusfeststellungsverfahren. Diese Prüfung einer „echten“ Selbstständigkeit gibt es zwar schon lange, doch die Regeln hierfür wurden Anfang 2024 erheblich verschärft. In diesen Verfahren wird geprüft, ob Freelancer wirklich selbstständig sind – oder ob sie als scheinselbstständig eingestuft werden müssen.

Falls Betriebe Freelancer in einer arbeitnehmerähnlichen Position beschäftigen, werden sie vom Auftraggeber zum Arbeitgeber und müssten bei Beauftragung Sozialversicherungsbeiträge entrichten. Viele IT-Fachkräfte, die selbstständig tätig sind für Auftraggeber, sind bereits ins Ausland abgewandert oder haben vor, dies zu tun.

Sowohl kleinere als auch größere Betriebe und Konzerne sind auf Freelancer angewiesen, entweder weil es Auftragsspitzen gibt – oder weil sie dringend Experten (zum Beispiel in der IT) brauchen und keine geeigneten Festangestellten finden. Auch der Öffentliche Dienst beschäftigt viele Freelancer. Soloselbstständige arbeiten häufig im Bildungsbereich, im sozialen Sektor, im Management, in der Kultur und im Gesundheitsbereich.

80 Prozent der Selbstständigen geben an, dass sie sehr zufrieden sind mit ihrem Status als selbstständig Tätiger. Trotzdem überlegen rund 30 Prozent, in eine Festanstellung zu wechseln, da sich aufgrund der bürokratischen Hürden ihre Auftragslage verschlechtert hat.

Da auch der Öffentliche Dienst auf Freelancer angewiesen ist, ist zu hoffen, dass die Verschärfung des Statusfeststellungsverfahrens reformiert wird – und eventuell auch die Eingliederung in das Sozialversicherungssystem (wie etwa in skandinavischen Ländern) Absicherung bei Krankheit, Auftragslosigkeit und Alter ermöglicht.

Seit über zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Manager/Innen. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

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