Eva Ihnenfeldt: Am 16. April 2013 fand sowohl bei mir zu Hause als auch in unseren Geschäftsräumen eine polizeiliche Hausdurchsuchung statt. Grund war ein Blogbeitrag von März 2012, bei dem ich mich öffentlich und humoristisch für mein Geburtstagsgeschenk bedankt hatte: Einen Spaßdoktortitel „Dr. h.c. of Ministry MLDC Miami“. Ich war so empört über die Missachtung der Unverletzlichkeit meiner Wohnung und meiner Redaktion, dass ich an die Öffentlichkeit ging – und tatsächlich auf großen Widerhall stieß, sogar der SPIEGEL brachte es auf der Online-Titelseite.
Am 20. April brach ich erst einmal weitere Wünsche ab (ARD, ZDF und RTL wollten mich auch gern interviewen), da innerhalb meiner Familie die Sorge aufgetaucht war, eigene akademische Titel könnten unter meiner „Affaire“ leiden. Ich war sehr erschrocken über diese Befürchtungen, wahrscheinlich ist selbst in China die Sorge bei Dissidenten geringer, dass Verwandte in ihrer Karriere beeinträchtigt werden könnten…. aber natürlich nahm ich Rücksicht und sagte die Termine schweren Herzens ab.
In den folgenden Tagen riefen mich einige Betroffene an oder schrieben mir Mails, dass sie ein Schreiben von der Staatsanwaltschaft erhalten hätten: Wenn sei zwischen 600 und 900 Euro an bestimmte Einrichtungen zahlen würden (z.B. Telefonseelsorge Lübeck) würde das Verfahren gegen sie eingestellt. Alle die mit mir Kontakt aufgenommen hatten hatten den kirchlichen Titel – so wie es damals die Medien wie Focus, BILD und Kieler Nachrichten empfohlen hatten – komplett ausgeschrieben in ihre Xing- oder LinkdeIn Profile z.B. unter „Auszeichnungen“ eingetragen – mehr nicht.
Ich einigte mich mit meinem Anwalt, Maik Swienty, dass wir auf Akteneinsicht warten um neue Informationen zu bekommen. Endlich, am 13. Mai, saß ich in seiner Kanzlei und Maik Swienty erläuterte mir die Akte, die schätzungsweise etwa 200 Seiten dick war. Spannend war für mich dass es tatsächlich etwa 100 Hausdurchsuchungen gegeben hat, da über Groupon die E-Mail Korrespondenz (natürlich auch meine) des Deals komplett durchforstet wurde und daraufhin Internetrecherchen durchgeführt wurden, immerhin bei fast 10.000 Käufern, soweit ich weiß.
Spannend war für mich auch, dass das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie in Schleswig-Holstein die Staatsanwaltschaft Lübeck gebeten hatte, tätig zu werden. Es wurde befürchtet dass es eine Inflation von Dr.h.c.’s geben würde in der Bevölkerung, wenn nicht eingegriffen wird. Ich fragte Maik Swienty natürlich empört: „Wie? Einschüchterungen wegen Majestätsbeleidigung? Ist das sowas wie Zensur?“
Das alles war im Juni 2012 gewesen und im September gab es dann das bekannte Urteil des Verwaltungsgerichtes Berlin, das zunächst weitere Groupon-Titel-Schnäppchen untersagte. Übrigens kann man sich jetzt bei Groupon die 39 Euro für den Titel wiedergeben lassen, mir hat ein Betroffener geschrieben, dass ihm das gelungen ist.
Was ich besonders lustig fand war. dass zwei von den etwa 100 Hausdurchsuchungen nicht stattgefunden haben, da die Betroffenen damals direkt nach dem Kauf sich bei der Polizei erkundigt hatten, ob sie wirklich den Titel ausgeschrieben verwenden dürften. Da sie eine Positive Bestätigung erhalten hatten war es jetzt natürlich unmöglich, aus dem gleichen Grund eine Hausdurchsuchung vorzunehmen – das hatte wohl die Polizei der Staatsanwaltschaft erklären können.
Hier ein Presseauszug von Februar, März 2012
focus.de: 39-statt-150-euro-groupon-verkauft-schnaeppchen-doktortitel
bild.de: groupon-verkauft-jetzt-doktortitel
bz-berlin.de: doktortitel-zum-schnaeppchenpreis
sueddeutsche.de: doktortitel-kaufen-sind-wir-nicht-alle-ein-bisschen-doktor-1.1084350
Na und dann eben ich mit meinem Blogbeitrag, und im Newsletter der Woche hatte meine Praktikantin auch darüber geschrieben (aber ihren Beitrag musste ich leider entfernen, weil da Kunden drin vorkamen, die sich sorgten jetzt nach der Hausdurchsuchung…)
Ja, und am 15. Mai waren dann Tom Aslan und seine Lebensgefährtin Melina Thaler bei mir und machten ein schönes Videointerview. Und am 16. Mai war ich abends bei den Piraten die mir dabei helfen wollen, dass mir weitere Groupon Dr.h.c.’s ihre Hausdurchsuchungsbeschlüsse schicken – denn wir wollen beweisen dass es sich tatsächlich um ein vorgefertigtes Formular handelte dass der Richter beim Amtsgericht Lübeck ohne sorgfältige Prüfung des Einzelfalls massenweise unterzeichnet hat – das darf nun mal wirklich nicht sein. Bin gespannt wie sehr sich die Piratennetzwerke mit denen der „normalen Bevölkerung“ vermischen und so vielleicht den ein oder anderen erreichen.
Sehr gefreut habe ich mich, dass die Deutschen Wirtschafts Nachrichten am 23. April noch einmal das Thema aufgegriffen haben: Staatsanwaltschaft: 100 Razzien wegen falscher Doktortitel
Tom Aslan und seine Freundin sind übrigens Teil der Bewegung „Global Change“. Tom hat schon viele Prominente per Video interviewt, Friedrich Schorlemmer, Rita Süßmuth, Kurt Biedenkopf, Jakob Augstein… und viele andere interessante Menschen, die sich für Freiheit und Gesellschaft einsetzen. Am 15. Juni (Samstag) ist bei uns in Dortmund ein Kongress von Global Change zu dem ich auch gehen werde – sobald ich mehr weiß, werde ich darüber berichten. Nun aber zum Abschluss noch das 15 Minuten Interview mit Tom, natürlich geht es wieder um die Hausdurchsuchung – aber nicht nur…
„Eva Ihnenfeldt – Hausdurchsuchung leicht gemacht“
Tagebuch einer Bloggerin: Neues von der Dr. h.c. Hausdurchsuchung… http://t.co/nHLpfgLAPq
Ich habe den gleichen Durchsuchungsbeschluss, mit gleichem Text bekommen (von Kripo Ludwigshafen bei Durchsuchung meiner Wohnung/Studio in die Hand gedrückt)! Die hat Datenschutz nicht interessiert, haben vertrauliche Unterlagen durchstöbert.
Hallo Herr Köhler, auch wenn PRISM zwischenzeitlich alles überlagert finde ich es weiterhin unerträglich, wie leichtfertig bei uns Hausdurchsuchungen genehmigt werden. Wegen dieser Dr.h.c. Groupon Aktion (die ja in vielen renommierten Zeitungen wie Focus und SPIEGEL begleitet wurde!) wurden hunderte von Durchsuchungen bei Menschen durchgeführt, die sich genau an die Anweisungen der Zeitungen gehalten hatten – für mich weiterhin unfassbar.