Die Mittelschicht schrumpft weltweit – vor Allem auch durch den Einfluss von Globalisierung und Digitalisierung. Kein Wunder! Wenn bei einer weltweiten riesigen Wohlstands-, Wissens- und Lohnungleichheit plötzlich alle Tore offenstehen und es möglich ist, ohne bindende Verpflichtungen Fachkräfte für konkrete Projekte zu finden, die für einen Bruchteil des heimischen Lohnniveaus arbeiten – und wenn durch die Digitalisierungsprozesse Unmengen an Arbeitsplätzen überflüssig werden – können bestehende Gesellschaftssysteme nicht einfach so tun, als ob nichts passiert wäre. Zusätzlich verändern sich Lebensmodelle – und immer mehr alleinerziehende Mütter und Familien, die nicht von einem Gehalt leben können, leben in Angst vor Verarmung und gesellschaftlicher Ächtung.
Auch wenn das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) die Zahlen für seine jüngste Studie (Mai 2016) zum „Sterben der Mittelschicht“ in Deutschland korrigieren musste, bleibt die Tatsache bestehen, dass in allen Industrienationen eine Verschiebung stattfindet: Arm und Reich wächst – der Mittelstand mit einer sicheren Lebensplanung sinkt.
FAZ: Rechenfehler in Sachen Mittelschicht
Aus meiner persönlichen Erfahrung als Lehrbeauftragte für Marketing und Social Media weiß ich, wie häufig hoch qualifizierte Marketing- und PR-Fach- und Führungskräfte im Laufe ihres Berufslebens einen Karriereknick erleben. Zwei Faktoren sind im Wesentlichen dafür verantwortlich: Älter sein als 45 – und Mutterschaft. Hinzu kommen häufig gesundheitliche Probleme wie Burnout oder Geschäftsaufgaben bei Unternehmern, die den rasanten Wandel im Business nicht auffangen konnten in ihren Betrieben.
Bedingungsloses Grundeinkommen als Lösung?
Klar, wir können auch den US-amerikanischen Weg gehen, und das Elend dem Elend selbst überlassen. Wer krank wird, alt wird, digital nicht mehr auf der Höhe ist oder sich um die eigenen Kinder kümmert, ist selbst dafür verantwortlich. Aus den Metropolen an den Rand gedrängt durch unbezahlbare Mieten, aus der Sichtbarkeit in Ghettos verschoben und durch Spenden gemildert… Ist alles möglich. Doch der Preis ist hoch: Kriminalität, Sucht, ohnmächtige Wut und die Sehnsucht nach dem starken Mann laden sich auf und führen unweigerlich zur gesellschaftlichen Katastrophe. Auch wenn ich es bevorzuge, selbst für mein Leben verantwortlich zu sein und nicht dem Staat die Fürsorge für mich zu übertragen, brauche ich in Not etwas, was mich auffängt. Und in Not geraten kann Jeder in dieser rasend schnell sich bewegenden Welt.
Rente mit 67, 68, 69… Das bedingungslose Grundeinkommen wäre eine Möglichkeit, Arbeit, Freizeit und Vermögen nicht mehr ans Alter zu koppeln sondern an die persönliche Situation. So wie wir gerade die Renten-Diskussion führen, spürt man die Unzulänglichkeit des alten Systems. Rente für die gigantische Lebenserwartung des heutigen Menschen wird immer schwerer bezahlbar – und immer mehr Menschen fallen aus dem System, weil sie nicht lange genug genügend eingezahlt haben – oder weil sich Ehepaare trennen und somit auch die Versorgung im Alter zusammenbricht.
Dass Mütter bestraft werden, wenn sie Kinder zur Welt bringen, ist noch ein ganz anderes Thema, das aber ebenso stümperhaft diskutiert wird wie das Renten-Thema. Alleinerziehende Mütter am Rande des Überlebens, hochqualifizierte Mütter und Ehefrauen in 450 Euro Jobs, unzählige Mütter in der herabwürdigenden Steuerklasse 5…. so kann es nicht bleiben, wenn wir nicht weiter die Wut und Ohnmacht der gesellschaftlichen Verlierer nähren wollen (Gottseidank neigen Frauen weniger zum Pöbeln, Prügeln und Widerstand – sonst wäre schon lange hier was los, wogegen die Pegida lächerlich wäre).
Das Unternehmertum im Menschen wecken
Meine größte Sorge beim bedingungslosen Grundeinkommen ist ja, dass die Menschen dadurch den Zugang zu ihrer Tüchtigkeit verlieren und charakterlich „vergammeln“. Morgens nicht aus dem Bett kommen, den ganzen Tag vor dem TV und dem Computer verschwenden, vor Langeweile mit Trinken und anderen Süchten anfangen – und kein Selbstwertgefühl mehr haben, weil man ohne Aufgabe nicht stolz auf sich ist. Was für ein Alptraum!
Andererseits muss man womöglich auch durch solch eine Phase durch, wenn man seine Bestimmung finden will. Erst, wenn der Mensch verzweifelt ist, wird er sich ändern? Egal, auf jeden Fall wären Menschen mit bedingungslosem Grundeinkommen in der Lage, ihren Traum zu verwirklichen, sich unternehmerisch zu betätigen und neue Impulse in die Welt zu bringen mit Ideen, Können, Kreativität. Und mehr Geld verdienen wollen sicher die meisten, dieser Anreiz würde ja bleiben. Und die, die wirklich lieber „Prekariat“ leben als sich selbst verwirklichen, verbrauchen immerhin viel viel weniger Müll als die „Tüchtigen“. Sie shoppen weniger, fahren selten oder nie in den Urlaub, verzichten aus finanzielle Gründen auf viele Dinge, die unseren Planenten belasten (ok, für Primark und Co brauchen wir noch eine Lösung 😉 ).
Fazit: Die digitale Arbeitswelt-Revolution braucht Lösungen
Es bleibt festzustellen, dass die Digitalisierung der Arbeitswelt stattfindet und nicht aufzuhalten ist. Es bleibt ebenfalls festzustellen, dass durch Verbote und systemimmanente Gesetze (wie jetzt der Versuch, uber und aibnb zu verhindern) die Welle nicht aufzuhalten ist. Die alte Mittelschicht stirbt, ab jetzt stirbt ein Beruf nach dem Anderen. Und diesen Beitrag zum Bedingungslosen Grundeinkommen lege ich Jedem ans Herz, der sich intensiver damit beschäftigen möchte:
Thomas Straubhaar in Weltonline: Warum wir ein bedingungsloses Grundeinkommen brauchen
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