Bedingungsloses Grundeinkommen? Erfahrungen aus Finnland

„Wer nicht arbeiten, soll auch nicht essen“ ist ein Sprichwort, das nun wirklich nicht mehr in die Welt der Wohlstandsgesellschaften passt. Schließlich leben wir hier in Gesellschaften, die auf die Konsumkraft ihrer Bevölkerung angewiesen sind und die alles dafür tun, dass die Menschen Spaß haben beim Geld ausgeben. Ist also auch die Zeit reif für ein bedingungsloses Grundeinkommen, das an alle Menschen monatlich überwiesen wird – egal, ob arm oder reich? Aus Finnland gibt es da interessante Erkenntnisse.

Das Finnland-Experiment zur bedingungslosen Alimentierung von Arbeitslosen

Im Gegensatz zu den meisten Grundeinkommen-Forderungen wurde in Finnland ein Experiment gewagt, das sich

Bild von Bruno /Germany auf Pixabay

ausschließlich an Arbeitslose richtete. 2016 wurden insgesamt 2.000 Finnen für das „Grundeinkommen“ ausgewählt, die bereits arbeitslos waren. Zwei Jahre lang erhielten die Ausgewählten insgesamt 560 Euro monatlich (nicht gerade üppig im Vergleich zum deutschen ALG II) ohne die Verknüpfung an Bedingungen.

Die Probanden brauchten sich gegenüber den Behörden nicht zu rechtfertigen und konnten die monatlichen Zahlungen auch dann behalten, wenn sie eine Anstellung annahmen. Nachdem 2018 das Experiment endete, wurden die erhobenen Daten sorgfältig analysiert und ausgewertet. Anfang Mai 2020 lagen die endgültigen Ergebnisse vor.
Tagesschau: Finnlands Grundeinkommen-Experiment

Positiv lässt sich feststellen, dass die seelische Gesundheit der 2.000 Empfänger deutlich stabiler war als die der Kontrollgruppe, die ständig von den Behörden „gefördert und gefordert“ wurde. Einwandfrei konnte festgestellt werden, dass die von Arbeitslosigkeit Betroffenen gelassener, ausgeglichener, positiver und vertrauensvoller ihr Leben gestalteten als vergleichbare Bevölkerungsgruppen. Arbeitslosigkeit macht nämlich enormen Stress – zum Einen wegen der ständigen Geldsorgen – zum Anderen wegen der herabsetzenden Betreuung durch Behörden. Ganz klar: Wer unter Druck gesetzt wird, ist häufiger krank. Der Körper wehrt sich gegen den permanenten Druck und die Angst vor Sanktionen bei „Fehlverhalten“.

Was jedoch beim Finnland-Experiment überhaupt nicht funktionierte war die Hoffnung, dass die Arbeitslosen durch diesen finanziellen Zuschuss besser einen neuen Job finden könnten bzw. dass sie sich auch mit schlechten Jobs abfinden würden. Die Empfänger des Grundeinkommens arbeiteten durchschnittlich nur sechs Tage im Jahr mehr als vor der Zeit der Alimentierung. Das Helikoptergeld half ihnen also nicht dabei, einen festen beruflichen Status zu erlangen.

Corona und das bedingungslose Grundeinkommen

Immer mehr Experten warnen davor, dass eine Regression und steigende Arbeitslosigkeit dazu führen kann, dass unser fragiles Wirtschaftssystem komplett zusammenbricht. Schon jetzt sieht man am Beispiel USA, wie rasch auch in Wohlstandsgesellschaften die Verarmung in die Höhe schnellen kann, wenn kleine und mittlere Unternehmen reihenweise vor dem Aus stehen. Wir brauchen die sorglose Kauf- und Erlebnislust der Endverbraucher, um weiter die Produktion anzuheizen mit immer neuen Produkten und Genusserlebnissen. Reisen, Wellness, Lifestyle… Nur glückliche Konsumenten mit dem erforderlichen Budget können das Rad in Schwung halten.

Ich selbst misstraue der Vision eines bedingungslosen Grundeinkommens, weil es mich daran erinnert, wie in den ärmsten Regionen der Welt Getreide und Trinkwasser von Lastwagen geworfen wird, um die geschundene Landbevölkerung am Leben zu erhalten. Ich glaube nicht, dass es gut tut, als Bettler von den Almosen der Reichen leben zu müssen. Abgesehen davon, dass ich an den Spruch glaube „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing„. Sollten also die Casino-Kapitalismus-Profiteure die Alimentierung weiter Teile der Bevölkerung übernehmen, hätte das ganz gewiss seinen Preis und wäre ganz gewiss nicht gut für Demokratie und eine emanzipierte, gut informierte Bürgergesellschaft.

Trotzdem kann es durchaus sein, dass zumindest zeitweise Helikoptergeld ausgeschüttet wird, um die Konsumlust anzuregen. Hongkong, die USA und Japan haben schon erste Versuche unternommen, nachdem Corona und der Lockdown zu wirtschaftlichen Einbußen geführt haben.
institutional-money: Helikoptergeld in Hongkong, den USA und Japan

Börsenexperten befürchten, dass Spekulanten, Unternehmen und überschuldete Länder die Corona-Folgen nutzen könnten, um einen gigantischen Schuldenschnitt zu provozieren. Aber wissen werden wir es erst, wenn es soweit ist. Prognosen sind verfrüht – eigentlich weiß wohl niemand, wie sich letztendlich mächtige Interessengruppen, Politik und Bürger zusammenraufen werden. Vielleicht ja mit Hilfe eines bedingungslosen Grundeinkommens!

Petition für das Grundeinkommen in der Krise

Bei change.org gibt es eine erstaunlich erfolgreiche Petition, die zumindest schon einmal in der vorliegenden Krise mit einem bedingungslosen Grundeinkommen Existenzvernichtungen verhindern will – vor Allem bei Selbstständigen und Kleinunternehmen.
Wer diese Initiative unterstützen möchte, kann hier die Petition bei change.org unterzeichnen: Grundeinkommen in der Krise

 

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

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