„Noten werden überbewertet“ sagen DAX-Konzerne bei Bewerbungen

Vor allem DAX-Konzerne, die als Arbeitgeber bei jungen Berufseinsteigern sehr beliebt sind, setzen immer weniger auf Abschlussnoten im Recruiting. Viel wichtiger als Noten sind ihnen persönliche und soziale Kompetenzen. Mit eigenen Tests werden Motivation, Teamfähigkeit und fachliche Eignung geprüft. Online-Testverfahren für Bewerber werden immer selbstverständlicher. Ebenfalls aussagekräftig sind kreative Bewerbungsanschreiben, die belegen, dass sich der oder die Bewerberin mit dem Unternehmen und dem Beruf auseinandergesetzt hat. Eindruck hinterlassen zum Beispiel Videobewerbungen – aber auch aussagekräftige Anschreiben und Arbeitszeugnisse, die von Engagement und Reife zeugen . (wiwo vom 27.02.23).

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay 

Je mehr ein potenzieller Arbeitgeber zu bieten hat in Bezug auf Gehalt, Karrieremöglichkeiten, Sicherheit und Arbeitsbedingungen, desto mehr kann er natürlich Ansprüche an den Nachwuchs stellen. Wenn sehr viele Auszubildende und Studienabsolventen gebraucht werden und professionelle Dienstleister in die Recruitingprozesse eingebunden sind, kann gerade über standardisierte Testverfahren optimal gefiltert werden.

Mittelständler hingegen setzen auf die Aussagekraft von Bewerbungen, individuelle Aufgabenstellungen und das persönliche Gespräch. Ist der junge Mensch selbst verantwortlich für seine Bewerbung – oder sind vielleicht Eltern oder Bewerbungscoaches beteiligt, sodass sich kein wirkliches Bild über die Leistungsfähigkeit und den Willen des Bewerbers ergibt?

Recruiting in unserer Zeit

In Märchen gibt es jede Menge Königssöhne und Prinzessinnen als Helden. Doch um zum Helden zu reifen, geraten sie auf ihrem Weg stets in existenzielle Herausforderungen, die bewältigt werden müssen. Der gute König und seine Frau im Hintergrund geben zwar eventuell ihren Segen zu den Abenteuern der Kinder. Ansonsten sind Held und Heldin jedoch auf sich gestellt und müssen gefährliche Abenteuer allein durchstehen.

Behütete Kinder…

Ich habe in meiner Funktion als Karriere- und Bewerbungscoach schon einige Male erlebt, dass Eltern mich um Unterstützung für ihre Kinder baten, die nach dem Studium den Berufseinstieg zu bewältigen hatten. Stets antwortete ich, dass die Kinder selbst mit mir Kontakt aufnehmen sollten – unabhängig von ihren Eltern.

Ich habe den Eindruck, dass die Hilfen der Eltern ein zweischneidiges Schwert sind. Auf der einen Seite brauchen junge Leute das Vorbild und die Erziehung ihrer Eltern, um den Ernst des Lebens zu begreifen und sich für die Karriere diszipliniert und engagiert einzusetzen – auf der anderen Seite gehört zum Erwachsenwerden auch die „Einsamkeit des Helden“, der auf sich selbst gestellt ist.

Können wir in der Not immer wieder Zuflucht bei den liebenden Eltern finden, kann das durchaus auch schädlich sein. Woher sollen Resilienz und Widerstandskraft wachsen, wenn wir nicht aus dem Nest geschubst werden? Beziehungsweise, wenn wir uns nicht selbst auf den Weg machen, weil das Elternhaus für uns keine Zuflucht ist – sondern etwas, was wir hinter uns lassen wollen? Was würde aus Adlerjungen, wenn diese nicht dem Nest entfliehen würden?

Das Überangebot an Entertainment

Vielleicht ist sogar die zweite Gefahr, die jungen Menschen in der heutigen Zeit den „Weg des Helden“ erschwert, noch viel gravierender: die fehlende Langeweile. Smartphone, Spielekonsole, Streaming und Social Media… Wir leben in einer Zeit, in der es Brot und Spiele im Überfluss gibt. Fragt man junge Menschen, was sie am liebsten machen wollen, wird in den meisten Fällen „Reisen“ genannt. Der Beruf wird häufig als Mittel zum Zweck gesehen, um sich diese Träume erfüllen zu können.

Steigende Anforderungen im Beruf

Die dritte und vielleicht bedeutendste Gefahr liegt im Wandel der Arbeitswelt. Dieser Wandel nimmt an Geschwindigkeit ständig zu. Strukturen sind nicht mehr verlässlich, Aufgaben und Anforderungen müssen sich dem digitalen Wachstum anpassen, freundschaftliche Beziehungen im Berufsalltag werden seltener, auch durch die Zunahme von Remote-Arbeit. Wo gibt es noch berufliche Heimat? Wo gibt es noch die Sicherheit, bis zur Altersgrenze im Betrieb zu bleiben und am selben Platz?

Studien sagen, dass die Burnout-Rate bei jungen Menschen bis 40 besonders hoch ist. Auf der einen Seite gibt es das vertraute Heim der liebenden Eltern, auf der anderen Seite die wilde See des Arbeitslebens. Auf der einen Seite Geborgenheit, auf der anderen Seite die Brutalität der Leistungsgesellschaft.

Was wünschen sich Arbeitgeber? Vielleicht wünschen sie sich leistungsfähige, beziehungsunabhängige Teamplayer, die nie krank werden. Vielleicht wünschen sie sich unternehmerisch denkende Mitarbeiter, die zuverlässig das tun, was von ihnen erwartet wird. Vielleicht wünschen sie sich Mitarbeiter, die zwar sozialversicherungspflichtig gebunden sind, die damit verbundenen Rechte jedoch wenig nutzen – sprich, wenig krankfeiern und sich beständig weiterbilden.

Wohin das alles führt? Vielleicht ins bedingungslose Grundeinkommen, vielleicht in die Verarmung der Wohlstandsgesellschaften, vielleicht in eine gesellschaftliche Revolution mit neuen Werten und Zielen.

Neue Schulen, neue Kinder

Vielleicht führt unser Dilemma in ein Bildungssystem, das Kinder ausbildet in selbstständigem Forschen und in der Fähigkeit, selbstverantwortlich die eigenen Ziele zu verfolgen – weg vom Ideal des preußischen Untertans. Vielleicht werden Noten, die kaum noch jemand ernst nimmt, ersetzt durch Projekte, mit denen sich die Kinder auf den Weg machen zu selbstgesetzten Zielen. Vielleicht werden Lehrer zu Moderatoren und Coaches.

Vielleicht aber wird Bildung neu definiert und aufgebaut, weg von der Kuschelpädagogik und hin zu Systemen wie im Leistungssport oder in Bootcamps. Wenn eiserne Disziplin und bedingungsloser Gehorsam durchgesetzt werden wie in autokratischen Systemen, sind Menschen vielleicht dem Druck der Zukunft besser gewachsen…

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

steadynews.de

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