Seit der pandemiebedingten Homeoffice-Ausweitung bei Bürojobs steigen auch Maßnahmen der Unternehmen, die Produktivität ihrer Mitarbeiter zu messen. 60 Prozent der deutschen Arbeitgeber haben diese bereits eingeführt oder planen, in den nächsten Jahren Monitoring-Tools einzuführen. Interessant ist, wie genau Tipp- und Klickverhalten den Stress bei der Arbeit genauer wiedergibt als das Messen des Herzschlages. Das konnte eine Forschergruppe der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich erforschen.
Stress entsteht immer dann, wenn Überforderung – zum Beispiel durch ständige Störungen – vorliegt. Gerade IT-Fachkräfte kennen das. Burnouts nehmen hier zu, während Unternehmen verzweifelt nach IT-Fachkräften suchen.
Der Stresslevel bei IT-Jobs
Das Besondere an vielen IT-Jobs ist, dass die Technologie sich im rasanten Tempo weiterentwickelt, und dass aufgrund von Fachkräftemangel viele IT-Abteilungen unterbesetzt sind. Viele Unternehmen sehen die einzige Chance, passende Mitarbeiter zu finden, in der Beauftragung fokussiert ausgebildeter IT-Personalberater.
Doch selbst in gut besetzten Unternehmen ist der Stresslevel in der IT hoch. Burnout ist weit verbreitet. Neben der psychischen Belastung leidet auch die körperliche Gesundheit. Gestresste Arbeitskräfte neigen dazu, sich schlecht zu ernähren, es gibt häufig Bewegungsmangel, nicht selten medikamentöse Substituierungen – und in erster Linie eine miserable Work-Life-Balance.
Die acht stressigsten IT-Berufe sind an erster Stelle der Web-Entwickler, es folgen der Technische Redakteur, der Netzwerk-Administrator, der Data-Scientist, der IT-Service-Techniker, der Software-Entwickler und der Programmierer (der immer weniger gesucht wird).
Allerdings würde kaum ein Arbeitgeber wagen, seine IT-Fachkräfte durch Messung des Tipp- und Klickverhaltens noch weiter unter Druck zu setzen. Die Fluktuation in der IT-Branche ist schon so sehr hoch. Nachweislich steigert die digitale Kontrolle der Mitarbeiter die Bereitschaft der Mitarbeiter, zu kündigen, bzw. zu einem anderen Arbeitgeber zu wechseln. Wie also sieht es allgemein aus mit Stress im Arbeitsalltag?
Wissensarbeiter und ihr Stress
Vielleicht achten Sie selbst einmal darauf, wie stark Sie Ihre Computer-Maus bewegen. Je ungezielter und fahriger Sie den Cursor über den Bildschirm schicken, desto unruhiger und gestresst sind Sie wahrscheinlich. Ein entspannter Mensch hat die Zeit, die Maus nur so viel zu bewegen, wie es sinnvoll ist. Auch sind die zielgerichteten Bewegungen sicherer und finden häufig direkt ihr Ziel.
Während die Mausbewegung erstaunlich genau angibt, wie hoch der Stresslevel ist, ist es bei der Schnelligkeit, Zielsicherheit und Härte der Tastaturbedienung etwas schwieriger. Und doch: Das Forscherteam der ETH hat bei 90 Probanden getestet, inwieweit der Stresslevel bei Büroarbeiten an den Tastatur-Bewegungen abzulesen ist – und fand auch hier eine hohe Übereinstimmung von Überforderung und unzuverlässiger Tastenführung.
Das viel diskutierte „Multitasking“ durch eintreffende Nachrichten, Chat-Tools, Telefonate und andere Störquellen belastet Schreibtisch-Arbeitskräfte enorm. Kommen noch ständige Deadlines hinzu, wird es riskant. Wie gesagt: Tipp- und Klickverhalten messen unseren Stress genauer als es die Herzfrequenz kann.
Psychische Erkrankungen nehmen zu
In Zeiten hoher Krankheitsraten aufgrund psychischer Belastungen sollten Arbeitgeber ihre Überwachungsinstrumente wohl vordringlich einsetzen, um ihren Mitarbeitern zu helfen und zu beruhigen, anstatt den Druck noch weiter zu erhöhen. Die erschreckenden Zahlen in Bezug auf Kündigungs- und Wechselbereitschaft bei Bürojobs liegen Befragungen zufolge darin, dass die Wissensarbeiter immer häufiger Angst verspüren, wenn sie an ihren Job denken.
Überforderung, mangelnder Wertschätzung, ungerechte Führungskräfte, ständige Wechsel und ständige neue Anforderungen erzeugen Stress. Die schwindende Belegschafts-Community lässt den Remote-Arbeiter vereinsamen. Der tägliche Austausch fehlt, um das seelische Kraftpotential zu stärken.
Die neue Mitarbeitervertretung: Mediatoren
Büroangestellte brauchen menschliche Ansprechpartner im Betrieb, die ihnen zuhören und bei Bedarf als Mediator agieren können. Konflikte gibt es überall, doch bei den vielen Homeoffice-Jobs sind diese oft nur unterschwellig zu spüren, beruhen auf Interpretationen, Vermutungen, Missverständnissen. Und eine ausbalancierte Work-Life-Balance brauchen Büroangestellte auch. Das ist sehr wichtig, um den nötigen Ausgleich zu erhalten.
Vorgesetzte stehen genauso unter hohem Druck wie ihre Mitarbeiter. Sie versuchen, durch Druck, Anweisungen und mahnende Feedbackgespräche die Effizienz ihrer Abteilung zu steigern. Das ist verständlich, führt jedoch zu verheerenden Konsequenzen. Nicht nur, dass es so mühselig und langwierig ist, gute neue Leute zu finden – die Zeit der Einarbeitung kommt noch hinzu! Menschen müssen sich auf ihre Arbeit freuen. Aus dem Zeitalter der Sklaverei sind wir heraus.