Der digitale Wandel und die vielen Unwägbarkeiten in Wirtschaft und Beruf rütteln die Arbeitswelt enorm durcheinander. Nicht nur Arbeitnehmer leiden mehr und mehr an Burnout, auch Führungskräfte spüren überall auf der Welt, dass ihre Ängste steigen und der Stress zunimmt. International sind es laut der internationalen Pulse Studie des Future Forum 40 Prozent, die ihren Arbeitsplatz innerhalb der nächsten zwölf Monate wechseln wollen. Ein Drittel der befragten Arbeitnehmer und Führungskräfte leidet nach eigener Aussage an Burnout.
Warum hat sich so viel verschlechtert?
Seit der Corona-Pandemie arbeiten immer mehr Wissensarbeiter (also Schreibtischarbeiter) im Homeoffice. Dadurch sinkt die Identifikation mit Team und Führung, das soziale System spielt eine immer kleinere Rolle. Die emotionale Bindung, die so entscheidend ist für die Zufriedenheit im Beruf, ist kaum noch vorhanden. Vielleicht kann man die Situation vergleichen mit dem Unterschied, ob man auf dem Land lebt in einer Gemeinschaft – oder urban in einem modernen Wohnkomplex.
Chef war früher jemand, über den man sich gemeinsam mit den Kollegen/Innen aufregen konnte, dem man Führungsqualitäten zutraute oder dem man menschlich vertraute. Kollegen hatten mal schlechte Laune oder mal gute, alle hatten ihre Macken, es bildeten sich Grüppchen und man hatte Nischen für Smalltalk und privaten Austausch. Wo gibt es das heute noch?
Ohne emotionale Bindung wird der Arbeitsplatz so beliebig wie Tinder-Bekanntschaften oder Reiseanbieter. Die Fluktuation ist kein Problem mehr. Worauf geachtet wird, ist das Preis-Leistungsverhältnis. Was bietet der Arbeitgeber an Arbeitsbedingungen und an Geld? Wo kann ich meine Leistung meistbietend verkaufen? Wenn ich schon keine Liebe bekomme, will ich wenigstens handfeste Vorteile.
Die Menschen sind unglücklich, weil ihnen dieses Zuhause fehlt! Was sind wir Menschen ohne Heimat, ohne Geborgenheit, ohne Leidenschaft? Warum sollten wir Opfer bringen (und Arbeit erfordert immer auch Opfer!), wenn wir nichts an kostbaren Erlebnissen dafür bekommen?
Es ist, wie es ist. Der Mensch gleicht sich den Maschinen mehr und mehr an. Natürlich gibt es noch zahlreiche Branchen, in denen man nicht nur über dem Computer brütet, in denen der menschliche Kontakt noch unausweichlich ist: Bildung und Erziehung, Gesundheit und Soziales, Handwerk, Gastronomie, Behörden… Doch auch hier sinkt die Identifikation mit dem Arbeitsplatz. Der Virus der mangelnden Glücksgefühle ist auf alle Branchen übergesprungen, es lässt sich nicht mehr rückgängeg machen.
Führungskräfte versuchen manchmal, die „guten alten Zeiten“ dadurch zurückzuholen, dass sie Homeoffice weitgehend einschränken. Doch das ist keine Lösung, die zu mehr Arbeitszufriedenheit führt – sondern eher zu mehr Druck. Eltern brauchen Homeoffice für ihre Familienarbeit, Anfahrtswege werden immer länger, in der IT arbeiten viele Mitarbeiter über die ganze Welt verteilt. Und diese Programmierer wechseln sowieso leidenschaftslos ihr Arbeitgeber. Wer nicht einmal in seiner Muttersprache Smalltalk machen kann, ist sowieso entfremdet von Allem.
Was kann man tun?
Es wird sich entwickeln, so wie alle Umbrüche sich neu ordnen. Ich weiß nicht, wie die Zukunft aussieht, doch eins ist klar: Wir Menschen brauchen Liebe, Fröhlichkeit, Ungezwungenheit und ein bisschen Raum für Faulheit, Traurigkeit und schlechte Laune. Ein Mensch ist keine Maschine. Auch wenn das heutzutage als Mangel gilt (ach, wäre das schön, wenn Pfleger/Innen Roboter wären, die nicht andauernd schlapp machen und krank werden 😉 ), kommen auch wieder andere Zeiten. Ich bin ganz ganz sicher. Eine Welt ohne Leidenschaft und Liebe ist langweilig, öde und überflüssig. Warten wir mal ab, wie das Universum alles zurechtruckelt. Wird schon werden.
Quelle: ITBusiness.ch – Neue Arbeitswelt belastet auch Führungskräfte deutlich