Ich habe bei einem meiner Auftraggeber einen Kollegen, der tief in sich verunsichert ist. Er arbeitet mit verschiedenen Kollegen und Kolleginnen zusammen – und er leidet darunter, dass keine/r von ihnen offen mit ihm kommuniziert. Häufig erlebt er sogar Abweisung und Ungeduld. Auch ich bin in seiner Gegenwart entgegen meiner Natur sehr vorsichtig und bemühe mich darum, Gesprächen mit ihm aus dem Weg zu gehen. Er tut mir leid, weil er von uns mehr oder weniger gemobbt wird: Wir schließen ihn aus und lassen ihn – wenn möglich – links liegen.
Schmeicheln und sich unterwerfen
Warum bloß werden manche Menschen gemobbt? Bei meinen Recherchen stieß ich neben Fight, Flight und Freeze auf eine vierte Stressreaktion: Fawn Response (sich einschmeicheln und unterwerfen) bedeutet, dass Menschen sich ständig darum bemühen, sich bei Mitschülern/Innen, Vereinskameraden oder Kollegen/Innen beliebt zu machen. Sie wünschen sich Freunde – doch es gibt Gründe, warum dies nicht über Unterwerfung und Einschmeicheleien gelingt.
Bianca Kaminsky: So verhalten sich Menschen bei Stress – Fight, Flight, Freeze, Fawn
Vorneweg
Viele meiner Klienten haben eine solche Rolle in ihrer Kindheit erlebt: Sie fühlten sich in ihrer Schulklasse wie Ausgestoßene, was gravierende Folgen für ihre berufliche, gesundheitliche und private Zukunft zur Folge hatte. Meine Klienten/Innen, die schrecklich gelitten haben unter Schulmobbing, haben nach meiner Erfahrung gelernt, dass es nichts bringt, wenn man sich klein macht, um keinen Ärger zu bekommen. Als Erwachsene sind die, die ich kennenlernen durfte, eher misstrauisch geworden gegenüber ihren Mitmenschen. Es sind häufig Menschen, mit denen man zunächst „3 Säcke Salz essen“ muss, bevor sie Vertrauen aufbauen können. Man darf sie nie belügen und man darf nie ihr Vertrauen missbrauchen. Ich schätze diese Mobbing-Veteranen sehr. Sie wissen, was es bedeutet, ein/e Ausgestoßene/r zu sein.
Unterwerfer und Schmeichler im sozialen Umfeld

Ich selbst habe in meinem Berufsleben selten mit Kollegen/Innen zu tun gehabt, die eine Fawn-Strategie anwenden, um Konflikten und Abweisungen möglichst aus dem Weg zu gehen. In der Regel ist Kollegialität geprägt von dem, was im unten eingebetteten Video dargestellt wird – aus Sicht eines Anwalts. Kollegen sind nur selten auch Freunde – immerhin steht man miteinander durchaus in Konkurrenz am Arbeitsplatz.
Können Kollegen Freunde sein?
Spätestens, wenn man von Vorgesetztenebene aus angegriffen wird – vielleicht sogar aus dem Unternehmen entfernt werden soll, zeigt sich, ob Kollegen schützend zur Seite stehen und bereit sind, Missstände zu bezeugen. Meiner Erfahrung wird in solchen Fällen dem Opfer bestenfalls flüsternd zugeraunt, wie ungerecht das Ganze ist – aber offen heraus kaum. Anders als in der Schule, wo so mancher Klassensprecher tatsächlich die Schwächeren vor Lehrern verteidigt, geht es bei der Arbeit um Geld und Versorgungssicherheit. Wer will schon das Risiko eingehen, dass das Pech des Opfers auf einen selbst übergeht?
Menschen, die sich unterwerfen und schmeicheln, sind zwangsläufig unehrlich. Gerade sie wollen sich bei Vorgesetzten beliebt machen, da sie Angst davor haben, ihre Arbeit zu verlieren. Verständlich – doch im kollegial lockeren Umgang gefährlich. Wenn ich mich zum Beispiel in Beisein des Fawn-Strategen über Kollegen oder Vorgesetzte beschwere oder lustig mache, kann ich davon ausgehen, dass er bei erster Gelegenheit dieses Wissen gegen mich ausnutzen wird, um sich selbst in eine bessere Position zu bringen.
Ich kann davon ausgehen, dass die Art, wie er das Geschehene wiedergibt, übertrieben dargestellt wird, um den eigenen Vorteil zu maximieren. Nein, Fawn-Kollegen/Innen könnten gefährlich sein wie Spitzel in einer Gang. Darum ziehen sich die Kollegen/Innen von ihnen zurück.
Wie erkenne ich Untertanen?
– Höre ihnen zu und achte darauf, ob sie über andere Kollegen/Innen lästern. Ist es so, kannst Du davon ausgehen, dass sie bei Gelegenheit auch über Dich lästern.
– Achte darauf, wie sie über Vorgesetzte sprechen. Daran kannst Du erkennen, ob sie sich der Obrigkeit unterwerfen, um daraus Vorteile zu ziehen.
Ich selbst bin entsetzt von mir selbst, da auch ich mich lieber in die Unverbindlichkeit zurückziehe, als dass ich das Problem offen anspreche. Ich würde es gern, doch die daraus resultierenden Konsequenzen sind mir zu riskant.
Ich möchte einfach nur so wenig wie möglich in die Verbindung treten, möchte weder zum Freund noch zum Feind werden. Vielleicht misstraue ich dem Schmeichler und Unterworfenen in mir selbst? Kann natürlich sein, aber auch wenn es so ist, weiß ich, wie verheerend es sich auswirken kann, wenn Gerüchte und Halbwahrheiten verbreitet werden. Davor schütze ich mich – und bleibe stumm wie ein Fisch.
Und hier noch ein Video aus der www.anwalt-arbeitnehmerkanzlei.de von Rechtsanwalt Manuel Krätschmer mit dem Titel
Arbeitskollegen sind nicht Deine Freunde! – 4 Gründe