Der Brite David Ogilvy gründete kurz nach dem Zweiten Weltkrieg im Alter von 37 Jahren eine Werbeagentur in New York. Der ehemalige Koch und Verkäufer wurde rasch zum „Titanen der Werbebranche“ und beeinflusst bis heute Generationen von Werbern mit seinen Weisheiten. Stets ärgerte er sich darüber, wenn Werbung vor Allem kreativ und originell sein wollte. Werbung soll keine Preise gewinnen, soll nicht unterhalten – Werbung soll verkaufen! Welche Freude hätte er heute am Digitalen und an Social Media!
Mit Respekt, Begeisterung und Verständnis für Produkt und Kunde war Werbung aus der Feder von David
Ogilvy stets direkt auf Austausch und Vertiefung ausgerichtet. Wie sieht es heute aus? Haben sich die Grundsätze für erfolgreiche Werbung geändert? Was würde David Ogilvy heute tun, wenn er eine Online-Werbeagentur leiten könnte?
Der Wert des Produkts im Zeitalter der Plattform-Ökonomie
In seinem berühmten Buch „Geständnisse eines Werbemannes“ aus dem Jahr 1963 betont Ogilvy, dass die Bewerbung von Marken und Produkten dem Leser etwas Neues, Innovatives, Überraschendes, Einzigartiges vermitteln muss. Wie viel mehr gilt das heute, wenn ständig StartUps auf den Markt kommen und etablierte Unternehmen angreifen mit ihren disruptiven Geschäftsmodellen! So wird die Online-Druckplattform Helloprint der etablierten Offline-Druckbranche gerade durchaus gefährlich. Ogilvy wäre wahrscheinlich begeistert von der Innovationskraft dieses jungen Unternehmens, dessen Kundenansprüche auf vielen Ebenen befriedigt werden müssen: Druckereien als Partner, Endkunden B2B und B2C – und nicht zuletzt Investoren!
1. Das Produkt muss perfekt sein, sonst wird es nicht bestehen
Der Druck, mit innovativen Eins-A-Produkten Kunden zu begeistern, ist im Internetzeitalter noch viel höher als in Print- und TV-Zeiten. Nicht das Bewährte – das Disruptive zählt! Kunden verzeihen auch die kleinsten Fehler am Produkt immer weniger. Gerade bei digitalen Produkten aus der Plattform-Ökonomie zählt jeder Klick. Kunden sind zu recht immer verwöhnter, was Komfort, Transparenz, Bedienbarkeit und Qualität des Kernprodukts betrifft. Die ständige Messbarkeit aller Ereignisse zwingt zu Präzision und agiler Arbeitsweise. Eine herrliche Herausforderung für Werber!
Werbung soll nicht unterhalten – Werbung soll verkaufen
Welche Freude hätte Ogilvy wohl daran, die Möglichkeiten des interaktiven Internets für seine Botschaft zu nutzen: „Werber, lernt von Verkäufern!“ Wie würde er wohl den Kopf darüber schütteln, wenn Unmengen von Budget dafür verwendet werden, originelle Kampagnen zu erstellen, die kaum Bezug zu den Vorteilen des Produkts haben! In seinem Buch warnt er davor, sich in Design und Kreativität zu verlieben. Der ganze Respekt soll dem Leser gehören, der sich für das Produkt interessieren könnte, weil dieses einen echten Mehrwert für ihn liefert. Wie im Direktmarketing soll Werbung darauf ausgerichtet sein, Antworten und Gespräche zu initiieren. Was für geniale Möglichkeiten bietet hier das Internet! Wir können überall mit unseren Fans und Partnern ins Gespräch kommen!
2. Empfehlungen und Produktrezensionen führen zum Kunden
Kunden wollen sich über Produkte informieren, bevor sie sich für den Kauf entscheiden. „Review-Marketing“ ist eines der wichtigsten Formeln im digitalen Marketing. (Hier erklärt OMR „Review-Marketing“) Rezensionen und glaubwürdige Bewertungen sind die Wegweiser für Kunden, die sich an Erfahrungen bisheriger Kunden orientieren. Ein guter Verkäufer kann dies nutzen, wenn er mit Respekt und Verständnis die Bedürfnisse seiner Zielgruppen beachtet. Viraler Cat-Content und Gewinnspiele nützen wenig, um aufgeklärte Kunden zu überzeugen. Gute Informationen in der Sprache der Zielgruppe sind eine Basis für Gespräche. Direktmarketing mit Response-Ausrichtung ist Werbung meilenweit überlegen.
Gute Werbung bedeutet: Testen, Testen, Testen
Werber sind keine Götter, nur durch Try and Error können sie sich immer weiter dem Ideal der optimalen Werbebotschaft annähern. In den sechziger Jahren war das extrem aufwändig. Print-Anzeigen, die in ihrer Aussage und Gestaltung „gegeneinander antraten“, mussten viele Unwägbarkeiten beachten, um verwertbare Ergebnisse zu produzieren. Heute – im digitalen Zeitalter – ist es viel leichter, A, B. C… Testkampagnen zu starten und zu messen. Ob Customer Journey, Landingpage, Werbeanzeige, E-Mail-Kampagne, Blogger-Relations… Fast in Echtzeit können die Erfolge der verschiedenen Versionen gemessen werden. Werbebotschaften und Response-Auslöser können ständig optimiert werden. Ein Genuss für leidenschaftliche Werber! Ben Küstner erklärt Facebook-Werbung und Split-Tests bei „Die Berater“
3. Von der Website bis zum Newsletter: Testen!
Testen ist die Grundlage für den erfolgreichen Verkauf. Barack Obamas Wahlkampfteam war schon vor rund zehn Jahren Meister darin, digitale Werbekampagnen zu testen und ständig zu optimieren. Niemand sollte sich einbilden, aus Erfahrung und Profession heraus zu wissen, was die Kunden am meisten zu Kunden werden lässt. Nur das distanzierte Betrachten der Erfolge (also der erzielten Umsätze, Kundenanzahl bzw. Leads) und das emotionslose Vergleichen der verschiedenen Versionen von Webseiten, Werbebotschaften, Direktmarketing-Kampagnen zählt. Monitoring ist ein Geschenk für Werber.
Ist Werbung unethisch? Oder Grundlage für Wohlstand und Selbstverwirklichung?
Ogilvy vertritt am Ende seines Buchs „Geständnisse eines Werbemannes“ leidenschaftlich die Position, dass Werbung einen entscheidenden Beitrag dazu leistet, Wohlstand, Bildung und Emanzipation auf der Welt zu fördern. Was würde passieren, wenn wir werbefrei leben würden? Wenn wir in unseren analogen Filterblasen aus Familie, Nachbarschaft, Arbeitsplatz und Vereinen gefangen werden, ohne dass wir durch Werbebotschaften angeregt würden, „mehr“ zu wollen als das, was wir haben? Ist nicht Wohlstand die Grundlage für Bildung und Emanzipation? Sind nicht Konsum-Wünsche und Sehnsüchte nach einem perfekten Leben die Grundlage für eine gerechtere, glücklichere Welt? Nur wer Werbung und Konsum liebt, kann den Beruf verstehen. Nur wer daran glaubt, dass Werbung die Menschheit auf ein höheres Niveau bringt, kann authentisch und begeisternd verkaufen. Oh, wie wäre Ogilvy glücklich über die digitalen Werkzeuge, die überall und in tausend Sprachen seine Leidenschaft für das „Recht auf Streben nach Glück“ bewerben könnten!
4. Wer nicht an den Sinn von Werbung glaubt, kann nicht werben
Man mag über Konsum denken, was man will. Das Argument der skrupellosen Ausbeutung des Planeten ist gewichtig und die Umweltverschmutzung bedroht alle lebenden Wesen. Doch kann es nicht möglich sein, dank der Allverfügbarkeit des Internets Konsum neu zu denken? Kann man nicht die Bedürfnisse der Menschen nach Freiheit, Komfort, Erlebnissen und Liebe konstruktiv verwenden, um mit den Gestaltungsmitteln der Werbung positiv auf uns alle einzuwirken? Wie viele Ressourcen können eingespart werden, wenn wir digitale Produkte konsumieren anstatt Produkte aus Papier, Kunstoff, Holz, Metall… Wie viele Erfinder und Visionäre können ihre Genialität mit uns teilen, ohne dass Zwischenhändler sie verknechten? Wer wie Ogilvy Überzeugungskraft besitzt, kann durchaus erfolgreich werben für nachhaltige und bildende Produkte, die nicht den kommerziellen Interessen der internationalen Konzerne dienen. Werbung ist die Grundlage von Beziehung und Handel zwischen „Fremden“. Werbung ist Grundlage für Frieden, Zusammenschluss und Fruchtbarkeit – wie bei jedem Flirt. Ohne Werbung wird die Welt kalt. Und starr. Das wollen wir ganz sicher nicht.