Influencer-Marketing: Seriöse Produkt-Tester oder alles nur ein großer Schwindel?

Zurzeit ist es besonders bei jungen Menschen ein Trend, Influencer sein zu wollen. Statt als Student/In kellnern zu gehen oder einen anderen Minijob anzunehmen, klingt es verführerisch, mit Produktempfehlungen bei Instagram, YouTube und Co etwas dazuzuverdienen. Langsam entdecken auch andere Bevölkerungskreise das Influencer-Marketing für sich: Mütter, Senioren, Reisende… Doch was bedeutet der Schritt in die Selbstständigkeit als Influencer? Wird man zum willigen Sklaven von Unternehmen – oder testet man Produkte und gibt seine authentische Meinung zum Produkt kund?

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Um Influencer zu sein, braucht man eine gewisse Reichweite und eine lebendige Community. Zwar gibt es auch heute noch Marken, die sich von Followerzahlen täuschen lassen und die man mit gekauften Fans, Views und Followern locken kann – doch erfahrene Anbieter und Influencer-Agenturen können sehr wohl eine/n richtige/n Influencer/In von einem Fake-Influencer unterscheiden. So schwierig ist es ja nicht: Zeige mir die Accounts, die Dir folgen und zeige mir, wer wie, wann und worüber mit Dir kommuniziert – und ich sage Dir, ob Du den Titel „Influencer“ wahrlich verdienst.

Es gibt bekannte Influencer und Micro Influencer. Dabei gelten für jeden Kanal andere Gesetze, Zahlen und Reichweiten. Man sagt, das Influencertum bei Instagram beginnt bei rund 10.000 Followern. Neben den Social Network Influencern gibt es dann noch die große Zahl der Blogger, die weniger mit visuellem Content arbeiten, sondern SEO-optimierte Textbeiträge verfassen. Viele von ihnen arbeiten mit Affiliate-Programmen. Das heißt, sie erhalten eine Provision, wenn ein Besucher von ihrem Blog aus auf einen Produktanbieter bzw. Marktplatz klickt – und dort innerhalb einer bestimmten zeitlichen Frist etwas kauft.

Instagram Influencer brauchen wie alle Influencer Eins: 

Um echtes Engagement zu erhalten und um echte Fans und Leser zu generieren, braucht man als Influencer vor Allem eins: Das Vertrauen der Fans. Instagram macht es allen Seiten leicht. Dort kann man ruhig mit irgendwelchen Produkten posieren und die attraktiven Bilder publizieren. Bei Instagram zählen das begeisternde Bildmotiv und der Einsatz der richtigen Hashtags. Da nimmt es ein Fan selten übel, wenn man im kleinen Text neben dem Bild von dem Produkt (zum Beispiel einem Weichspüler) schwärmt, obwohl man diesen noch nie benutzt hat. Flasche neben Influencer platziert, Foto geschossen, nachbearbeitet – fertig.
Darüber lachte das Netz: Die Coral Instagram Kampagne

Das Vertrauen bei Instagram beruht stark auf der Persönlichkeit des Influencers. So wie man es auch keinem Fußballstar übel nimmt, wenn er für eine Schokoladenmarke Werbung macht, nimmt man es dem Influencer nicht übel, wenn er mit Produkten posiert. Man liked, kommentiert und markiert, da man sich persönlich verbunden fühlt mit dem „Instagram-Star“ und weil dieser Vorbildfunktion hat. Vielleicht kauft man sogar das Waschmittel, für das er wirbt – einfach aus Sympathie und Sehnsucht nach Verbindung.

YouTube-Influencer brauchen im Unterscheid zu Instagram…

…begeisterndes Storytelling. Es ist unendlich viel schwerer, mit YouTube-Videos erfolgreicher Influencer zu werden als mit Instagram. Auch Mut gehört dazu, denn die Kommentare bei YouTube sind häufig abwertend und verletzend. Das kommt bei Instagram sehr selten vor. Die Begeisterung der Fans und Kanal-Abonnenten kann natürlich komplett auf dem Unterhaltungswert der Videos beruhen – dann nimmt man Werbung sicher nicht übel sondern akzeptiert diese als normale Einnahmequelle.

Doch beim Produkt-Testing sieht es schon anders aus. Wenn dem Abonnenten etwas angepriesen wird, was sich nach dem Kauf dann als qualitativ schlecht erweist, wird es sicher einen erheblichen Vertrauensverlust geben. Schlimmstenfalls spricht sich der „Empfehlungs-Betrug“ über Kommentare und soziale Netzwerke herum. Nicht ist so schwer aufzubauen und so leicht einzureißen wie Vertrauen. Das weiß auch jeder „YouTube-Star“ und macht seine Erfahrungen. Selbst bei überzeugter Skrupellosigkeit vergeht der Spaß, wenn über die Kommentare ein Shitstorm entsteht. Da wird man vorsichtig.

Facebook-Influencer – die Könige der spontanen Kommunikation

Am schwersten haben es wohl die Influencer bei Facebook. Die Barriere für User, sich zu äußern und als Fan oder Gruppenmitglied mitzumischen, ist hier besonders gering. Ob zum Positiven, Kritischen oder auch Beleidigenden, bei Facebook ist alles möglich. Natürlich kann man als Influencer mit einer geschlossenen Facebook-Gruppe arbeiten und sich dort vor negativ eingestellten Menschen schützen (indem man sie ausschließt) doch als Model für fremde Marken läuft man prinzipiell Gefahr, zur Zielscheibe zu werden.

Facebook bietet für Solopreneure (Allein-Selbstständige) fantastische Möglichkeiten, (zahlende) Communities aufzubauen und mit emotionalem Content zum Kauf zu bewegen – doch als Influencer muss man ja für Honorar „fremde“ Produkte bewerben. Das ist tatsächlich bei Facebook die Königsklasse des Vertrauens – wer das schafft, ist ein Meister. Denn bei Facebook ist die Grundhaltung der User häufig „Misstrauen“. Und einmal zerstörtes Vertrauen rächt sich bitter.

Blogger-Influencer – die Klassiker

Menschen, die Geld mit ihrem Blog verdienen, wissen sehr genau, was sie tun. Um hohe Reichweiten zu generieren und potente Kunden für sich zu gewinnen, braucht man ein sicheres Gespür für Marketing und Verträge. Blogger kennen sich aus mit Suchmaschinenoptimierung, sie bilden sich ständig weiter in ihren CM-Systemen wie WordPress. Sie verbinden die verschiedenen Traffic-Quellen geschickt und nutzen Monitoringtools, um sich ständig zu verbessern. Sie sind die Klassiker unter den Solopreneuren im Web. Häufig verbinden sie Blog, Facebook, Twitter, Instagram und Newsletter gekonnt untereinander, um ihre Zahlen zu optimieren und Leser an sich zu binden.

Blogger sind sich meist auch bewusst darüber, wie sehr sie in der Öffentlichkeit mit ihrem „guten Ruf“ stehen. Auch wenn sie gegen Honorar Produkttests machen – oder Reisen bzw. Events bewerben, nehmen sie ihre Aufgabe als Empfehler ernst. Wie bei allen Geschäften setzt sich die Community zu einem großen Teil aus Stammlesern zusammen – hinzu kommen Zufallsbesucher, die per SEO oder mit Social Signals zum Beitrag geführt wurden. Leads zu generieren (aus Zufalls-Besuchern Stammleser zu machen) ist eine wichtige Aufgabe für den Blogger.

Reine Influencer-Blogger sind seltener anzutreffen. Marken sind hier etwas zurückhaltend, weil Instagram und YouTube eher viralen Charakter haben und weil sich Blogbeiträge weniger leicht viral verbreiten. Auch wissen Marken, dass Blogger professioneller und kritischer an Produkttests gehen, da sie nicht einfach werben – sondern PR betreiben. Sie sind weniger leicht zu kontrollieren. Viele Blogger trennen Redaktion von Werbung und beschränken sich auf Affiliate. Redaktionelle PR-Beiträge (Advertorials) müssen klar gekennzeichnet sein.

Fazit – Influencer werden?

Bei der Beachtung aller rechtlichen Vorgaben kann es durchaus lukrativ sein, Influencer zu werden und sich auf ein bestimmtes Gebiet zu konzentrieren. In der heutigen Zeit sind sehr viele Produkte qualitativ vergleichbar – das bringt der transparente Markt mit sich. Und die Leser bzw. Follower wollen ja kaufen – sie suchen nach Inspiration und dem vertrauenswürdigen „Vortester“, der es wagt, sich in die Öffentlichkeit zu begeben und seine Erfahrungen bzw. seine Begeisterung zu zeigen und zu teilen.

Also warum nicht mal darüber nachdenken? Alle Konsum-Produkt-Kategorien stehen erst einmal zur Verfügung: Lifestyle, Fashion, Touristik, Sport, Reisen, Games, Kosmetik, Autos, Lebensmittel etc. Da wo es einen Consumer-Markt gibt, da gibt es auch Möglichkeiten, sich ein Influencer-Business aufzubauen. Man muss nicht unseriös oder betrügerisch sein – man kann sehr seriös und ernsthaft an die Sache gehen und sich eine gute Reputation aufbauen.

Gerade bei „erwachsenen Zielgruppen“ ist das auf die Dauer wohl der einzige Weg, Vertrauen aufzubauen und sich eine unverwechselbare Persönlichkeit als Model, Empfehler und Tester zu geben. Kein Wunder, dass die Menschen Influencern mehr vertrauen als Stars, die in Werbeanzeigen und TV-Spots Marken bewerben. Was den Prominenten durch ihren Status geschenkt wird, muss sich ein Influencer mühsam aufbauen. Also ruhig mal darüber nachdenken: Das Social Web ist groß und bietet noch viele Nischen…

 

 

Seit über zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Manager/Innen. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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2 thoughts on “Influencer-Marketing: Seriöse Produkt-Tester oder alles nur ein großer Schwindel?

  • Reply Eddy 31. Januar 2018 at 08:41

    »Menschen, die Geld mit ihrem Blog verdienen, wissen sehr genau, was sie tun.«

    »Auch wenn sie gegen Honorar Produkttests machen – oder Reisen bzw. Events bewerben, nehmen sie ihre Aufgabe als Empfehler ernst.«

    So isses! Als Blogger sage ich Danke. 🙂

    • Reply Eva Ihnenfeldt 5. Februar 2018 at 12:57

      Supergern lieber Eddy, schön Dich kennen zu lernen!

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