Durch die Cambridge Analytica Affaire sah sich Facebook veranlasst zu versprechen, in Zukunft keine Daten mehr von Datenanbietern wie Axciom, Oracle, Experian und Co einzukaufen. Auch in Deutschland werden Daten in großem Stil an Unternehmen weitergegeben und verkauft, damit diese gezielt ihre Werbung platzieren können. Adresshandel ist in Deutschland an sich legal. Daran ändert auch die neue Datenschutzgrundverordnung nichts, die am 25. Mai 2018 in Kraft tritt. Die Zustimmung der Betroffenen ist beim Verkauf personenbezogener Daten nicht erforderlich, wenn drei Kriterien erfüllt sind. So können Unternehmen, Parteien, Kreditinstitute etc. dank des guten Mikrotargetings der Anbieter individuell zugeschnittene Werbung haushaltsgenau zusenden – und haben tiefe Einblicke in die Kaufkraft, politische Gesinnung, Gesundheit und Kreditwürdigkeit der Menschen.
Auswahl der größten Adresshändler in Deutschland
In Deutschland sind wichtige Adresshändler (Listbroker) die „Deutsche Post Direkt GmbH“, deren Tochterfirma „ABIS GmbH“, die Forderungsmanagement-Tochter der OTTO-Group „Unternehmensgruppe EOS“, das Tochterunternehmen „Acxiom Deutschland GmbH“ des US-Datenhändlers Axciom, der Adresshändler „AZ Direct GmbH“ von der Arvato/ Bertelsmann GmbH und die Address-Base GmbH & Co KG, spezialisiert auf Firmenadressen.
Legaler Adresshandel auch in Zeiten der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung
Rechtlich zulässig ist der Adresshandel mit diesen personenbezogenen Daten auch ohne die Zustimmung der Betroffenen, wenn die Interessen der Stelle die des einzelnen Betroffenen überwiegen (wie im Direktmarketing und bei der Parteienwerbung) – oder wenn die Daten allgemein zugänglich sind wie bei digital öffentlich vorliegenden Unternehmensdaten – oder wenn die Stelle diese Daten veröffentlichen dürfte. Heißt, dass in der Regel nur Unternehmen bzw. geschäftlich tätige Organisationen Adressen kaufen dürfen. Besonders geschützt sind übrigens dabei personenbezogene Daten wie Angaben zu Rasse, Religion/Überzeugung, Sexualität, Gesundheit, Gewerkschaft. Solche Einstufungen dürfen legal nur in anonymisierter Form gehandelt werden – bis auf seltene Ausnahmefälle.
Quelle: datenschutz.org – Berufsverband der Rechtsjournalisten e.V.
Personenbezogene Daten vom Einwohnermeldeamt
Auch Ämter geben Daten an Adresshändler gegen Gebühr weiter. So dürfen Einwohnermeldeämter personenbezogene Daten seit November 2015 ohne Einwilligung des Bürgers an Unternehmen, Organisationen, Parteien etc. für Werbezwecke veräußern (laut Wikipedia beträgt die Auskunftsgebühr im Schnitt 7 Euro – je nach Kommune und Aufwand ab 2,50 Euro). Nur sehr wenige Bürger nutzen die Möglichkeit, dieser Datenweitergabe zu widersprechen (Widerspruch einlegen – Musterbrief von kommuneonline.de als pdf).
Es ist also auch in Zeiten der neuen Datenschutzgrundverordnung möglich, dass Unternehmen, Parteien, geschäftstätige und öffentlich/rechtliche Organisationen, Finanzdienstleister etc. personenbezogene Profile erstellen und nutzen. Schober, Marktführer im deutschen Dialogmarketing und Targeting wirbt etwa in seinem Adresshop mit dem Satz „Privat-Adresse: Einfach auswählen und downloaden.“ Jede vermittelte Adresse, die anhand von demografischen Daten und Interessen ausgewählt werden kann, kostet dort 1,16 Euro.
Quelle: Tagesspiegel vom 9. April 2018
Internationaler „Überwachungskapitalismus“
Nationale und internationale Datenhändler arbeiten eng zusammen. Facebook, Amazon, Twitter, Google und Co kaufen sowohl Daten von Big Data Akteuren ein – als dass sie auch selbst ihre Daten an die Unternehmen verkaufen. Inzwischen ist wohl den meisten Internetusern bewusst, dass jeder Besuch einer Website und jede Handlung im Web in der Regel mitverfolgt wird. Dabei geht es nicht nur um Direktmarketing und personalisierte Werbung, sondern auch darum, wie kreditwürdig und vital/fit der Einzelne ist. Gerade für Arbeitnehmer sollte es ein Alarmsignal sein, dass ihr Web-, Kommunikations- und Kaufverhalten durchleuchtet wird und ihre berufliche Zukunft mitbestimmt.
Quelle: Futurezone der FUNKE Digital GmbH
Die größten internationalen Datenhändler
Hier eine unvollständige Übersicht. Hinzu kommen weitere international agierende Datenhändler wie WPP, Oracle, Equiofax…. Durchweg Unternehmen, die nicht gern in der Öffentlichkeit stehen und nur von wenigen Menschen wahrgenommen werden.
- Axciom: Soll über genaue Daten von über 500 Millionen Konsumenten verfügen. Kauft, analysiert und verkauft persönliche Daten zu Demografie, Kaufverhalten und politischer Gesinnung. Haushalte werden in über 1.200 Kategorien eingestuft. Wird gern für politische Kampagnen in Anspruch genommen, wie jüngst für die Abstimmung zur Erbschaftsteuer in der Schweiz.
- Transunion: Spezialisiert auf Finanzdaten, Gesundheitsdaten und das Kreditgeschäft. Sammelt und handelt mit Informationen von mehr als einer Milliarde einzelner Verbraucher. US-Firma mit rund 5.000 Mitarbeitern und über 65.000 Kunden.
- Experian: Britische Firma. Ebenfalls eine Wirtschaftsauskunftei für die Kredit- und Gesundheitsbranche. Beliefert unter Anderem die Kreditplattform Marcus – der weltweit tätigen Investmentbanking- und Wertpapierhandelsunternehmensgruppe Goldman Sachs
Weitere Hintergründe zu den größten internationalen Datenhändlern bei vki.at
(Verein für Konsumenteninformation in Österreich – zum Teil subventioniert durch das österreichische Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz)
Ob ab Mai 2018 die Geschäftspraktiken der internationalen und nationalen Datenhändler eingeschränkt werden, bleibt abzuwarten. Klar ist, dass die Rechtsabteilungen der Konzerne ganz andere Möglichkeiten haben, Vorsorge zu treffen – und dass diese Unternehmen schon gut vorbereitet sind auf das Inkrafttreten der DSGVO. Während viele Selbstständige und Kleinstunternehmen die Sorge vor Abmahnungen umtreibt, wissen professionelle Datenhändler natürlich sehr genau, wie sie ihr extrem lukratives Geschäftsmodell schützen können.
SteadyNews vom 21. Juni 2017: Die größten Datenkraken der Welt: Analysiert und durchleuchtet