Der Druck, eine perfekte Mutter sein zu müssen…

Alle Menschen sind geboren durch eine Mutter, – und sehr viele Frauen sind selbst Mutter. Diese erste Liebesbeziehung prägt enorm. Seit einiger Zeit setzen sich viele Erwachsene damit auseinander, inwieweit sie seelisch geschädigt sind durch ihre Mutter. Als Diagnose für Depressionen, Ängste und andere Erkrankungen fehlender Selbstliebe erscheint oft die Bezeichnung „toxische Mutter-Kind-Beziehung“ in der Dokumentation. Und ja, es stimmt, Mutter zu werden und Mutter zu sein ist mit einer Macht verbunden, die wohl mit keiner anderen Machtposition vergleichbar ist.

Nun stellt sich so Mancher vielleicht vor, dass es genussvoll ist, über einen anderen Menschen eine dermaßene Macht auszuüben wie eine Mutter – doch ist das so? Ist es befriedigend, das eigene Baby leiden lassen zu können? Ist es lustvoll, am Schreien des Säuglings zu erkennen, dass dieser einen quälenden Mangel empfindet an Nahrung, Wärme, Zuwendung? Erzeugt es sadistische Freude, den Bedürfnissen des Kindes mit Abweisung oder gar Bestrafung zu antworten? Ist der Zorn auf die Mutter der Zorn auf ein Monster, das in seiner egoistisch eiskalten Selbstsucht das Unvorstellbare tat Tag für Tag? Das eigene Kind quälen und achtlos leiden lassen, ohne es zu beschützen?

Zeugungsakt und Mutterschaft

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Ja, Kinder entstehen durch Sex – bestenfalls durch liebevolle gemeinsame Lusterlebnisse. Lange wurde im Patriarchat versucht, die reine Mutterliebe dadurch zu heiligen, dass die Ehefrau es als Pflicht ansah, sich dem Ehemann hinzugeben. Ihre eigentliche Aufgabe im System „Ehe“ war, dass durch den Akt eine Befruchtung passiere – und sie (erneut) Mutter wurde. Heute ist es normal, dass Frauen Sex und Kinderwunsch voneinander lösen können – was für ein Fortschritt! Der Pille sei ewig gedankt.

Doch gleichzeitig ist der Anspruch gewachsen, eine „gute Mutter“ sein zu müssen.

Die gute Mutter

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Der eigene Schmerz, das Urtrauma der schmerzvollen Liebesbeziehung zur Mama, will aufgelöst werden dadurch, dass ich es bei meinen Kindern besser mache: „Ich will mein Kind lieben von Zeugung an. Ich will es nähren und schützen, liebevoll lehren und liebevoll führen, will es trösten in seinem Schmerz und mit ihm lachen in seiner Freude, will ihm alles geben, was es für ein gesundes, starkes Wachstum braucht. Ich will eine glückliche, nie ermüdende, weise und liebevolle Mutter sein.“

Wenn eine Frau zur Mutter wird, wird sie auch zu einer Mutter, die das alles verkörpern soll, woran sie selbst als Kind litt. Aber ist es möglich, den eigenen Schmerz dadurch zu kompensieren, dass man es „wieder gut machen“ will an den eigenen Kindern?

Heilung des inneren Kindes

Kann diese Sehnsucht nach Heilung des eigenen inneren Kindes nicht auch dazu führen, dass Versagen, Schuld und Scham sich einnistet in die Liebesbeziehung zum werdenden Leben – und zu den geborenen Kindern?

War es im Patriarchat die Aufgabe der Frau, eine gebärkräftige, tüchtige Hausfrau zu sein, ist es heute womöglich die selbst auferlegte moralische Verpflichtung, eine „perfekte“ Mutter zu sein? Haben wir die Ausbeutung von außen nach innen geholt? Machen wir uns selbst fertig, weil niemand – wirklich niemand – diesem Ideal entsprechen kann?

Vom Lieben und Lügen

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Es gibt Babys, die sind wie im Märchen – einfach wundervoll. Sie weinen nur, wenn es einleuchtende Ursachen gibt wie Hunger oder Schmerzen, sie schlafen rasch durch, sie machen lauter Freude und ziehen ihre Liebsten magnetisch an mit ihrem Baby-Charisma. Es gibt Schwangerschaften, die sind von der ersten Minute an die absolute Erfüllung für die werdende Mutter. Sie freut sich ohne Bedenken und Zweifel von Anbeginn an auf die Geburt und die Erfüllung in der Mutter-Kind-Liebe.

Das Ideal der perfekten Mutter-Kind-Beziehung

Aber wie viele Mutterwerdungen verlaufen so perfekt? Und was wird aus den Kindern, die von Zeugung an in und mit dieser perfekten Mutter in Liebe verbunden sind? Werden sie zum idealen Erwachsenen, der selbst lieben kann und kraftvolle Balance zwischen Selbstliebe und Nächstenliebe hält?

Schafft die perfekte Mutter den perfekten Menschen der Zukunft? Intelligent, selbstreflektiert, fleißig, effizient, mitfühlend, achtsam, liebesfähig in Partnerschaft,  Familie und Beruf? Wird es ein Mensch ohne seelische Störungen? Sind wir in dieser Idealvorstellung der perfekten Mutter auf dem Weg zum Übermenschen? (Und wird dieser Übermensch sich liebevoll um seine Mutter kümmern, wenn sie alt und klapprig wird?).

Nein, wohl kaum. Eher empfinden die Mütter von heute zusätzlich ein schlechtes Gewissen bei der Vorstellung, dass sie ihre Kinder durch ihre bedingungslose Liebe zu verwöhnten Monsterchen erziehen, die bei den kleinsten Widerständen schon mit dem Fuß aufstampfen wie Rumpelstilzchen. Und die als Erwachsene völlig lebensuntüchtig sind, weil sie keinen Mangel und keinen Kampf kennen. Lauter Prinzen und Prinzessinnen…

Das ist die Angst vieler Eltern von heute, denn natürlich wollen auch die Väter ihren Liebeskummer-Schmerz aus der eigenen Mama-und-Papa-Liebe wieder gut machen an den eigenen Kindern. Ist doch normal!

Leben und Lügen

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Ein hoher Selbstanspruch führt unausweichlich zu Unaufrichtigkeit. Kann ich mir nicht eingestehen, dass ich meine Schwangerschaft als beängstigend wahrnehme (zum Beispiel weil ich dadurch meine beruflich finanzielle Unabhängigkeit verliere) belüge ich mich selbst. Auch die Wandlung von der attraktiven jungen Kindfrau zur aus der Form gehenden Milchquelle und zum Lastentier ist für viele Frauen nicht leicht.

Diese Gedanken zu verdrängen, sind eine Selbstlüge. Immer nur lächeln, wenn innerlich Wut und Verzweiflung toben, führt weg von der bedingungslosen Selbstliebe. Das ständig schlechte Gewissen, nicht gut genug zu sein, nagt und nagt und nagt – welche Mutter kann sich wirklich frei davon sprechen, dem eigenen Anspruch nicht zu genügen? Panik zu haben bei der Vorstellung, die eigenen Kinder könnten selbst erkranken an ihrer „toxischen Mutter-Kind-Bindung“ – an dem Versagen ihrer Mutter?

Nehmen wir es hin!

Glaubt mir, es gibt keinen Ausweg. Vielleicht ist es in Naturvolk-Matriarchaten anders, wo es keine Kleinfamilien gibt und Frauen und Männer in Frieden ihre eigenen Leben leben. Aber wollen wir so leben? Ohne Luxus, ohne Technik, angewiesen auf Wetter, Geisterglaube und eine gute Ernte? Also ich finde das absolut unattraktiv. Ich mag die menschliche Evolution und den technischen Fortschritt.

Unsere Traumen sind die Grundlage für den Lebenskampf, für die Triebkraft, es besser machen zu wollen. Es ist OK, wenn die Mütter von heute versuchen, perfekt zu sein!  Es ist OK, wenn die Väter ihre weibliche Seite entdecken und sich befreien aus der patriarchalischen Pflicht, nach Macht, Besitz  und Gefühlsunabhängigkeit zu streben.

Es ist OK, wenn die Kinder von heute erleben, dass sich alles um sie zu drehen scheint – die Einen in fröhlicher Leichtigkeit, die Anderen in dem ständigen Begleitgefühl, sie wären Hauptdarsteller in der Truman-Show.

Es ist OK, nie erwachsen zu werden, weil es so geborgen ist im Elternhaus – und es ist OK, seine Eltern zu hassen und Mutter oder Vater oder Beide aus dem eigenen Leben zu verbannen.

Was ich mir wünsche ist, dass wir zur bedingungslosen Selbstliebe kommen können, indem wir uns in unserer Unperfektheit lieben wie eine Mama ihr unperfektes Kind. Wer will schon ein perfektes Kind!

Wir unperfekten Menschlein

Wir sind nun mal keine Androiden, keine perfekt funktionierenden Roboter-Menschen (auf jeden Fall noch nicht…). Also lasst uns liebevoll gelassen sein gegenüber uns selbst. Wenn wir sauer sind, weil Mutter sein eben nicht so ist wie wir erträumten, reden wir drüber!

Bewusstheit bringt Befreiung vom Dickicht der Selbstlügen, von Scham, Versagen, Schuld. Niemand will Depressionen, passen wir gut auf uns auf. Reden wir darüber, dass wir unperfekt sind. Seien wir stolz darauf, keine fehlerlosen Gottmenschen zu sein. Nehmen wir uns selbst in den Arm wie ein süßes kleines unperfektes Baby. 

Schweigen ist Schlamm, Reden ist Gold.
Egal was da ist, gewollt ist gewollt.

Bild von Cheryl Holt auf Pixabay 

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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