Familie ist etwas ganz Besonderes: Auf der einen Seite ist Familie wohl das Einzige, auf das sich die meisten Menschen (einigermaßen) verlassen können – auf der anderen Seite ist Familie auch das, was am meisten Schmerzen zufügen kann. Woran liegt das bloß? Kann es sein, dass wir gerade in unseren Familien und Liebesbeziehungen angewiesen sind auf Anerkennung, Lob und auf das Gefühl, gebraucht und gewollt zu sein? Wie ergeht es einem Menschen, der diese Erfahrungen nicht erlebt in seinen ersten Lebensjahren?
Liebe, Lob und Anerkennung
Der Mensch braucht Anerkennung durch die Gemeinschaft, in der er lebt. Erhält er diese Anerkennung nicht, muss er mit seiner Nutzlosigkeit zurechtkommen. Der Eine ist stark, der andere vorsorgend, der Dritte ist klug, der Vierte fürsorglich, der Fünfte hat Geld. Die Gemeinschaft ergänzt sich durch die Zusammenführung der verschiedenen Talente und Ressourcen. Jeder hat seinen Platz, jeder wird gebraucht.
Die Ausgestoßenen
Viele Kinder erleben Mobbing in der Schule. Sie sind gebunden an eine Gemeinschaft, die ihnen keine Anerkennung zollt. Sie sind die Ausgestoßenen, die anscheinend nichts wert sind. Sie werden ignoriert, verachtet, manchmal sogar benutzt, um eigene Scham abzubauen. Dann werden sie misshandelt.
Auch als Erwachsene gibt es die Ausgestoßenen. Im Beruf haben sie Angst vor Kollegen und Vorgesetzten; als Arbeitslose trennt sie eine unsichtbare Glaswand von der anerkannten Gesellschaft. Manche erwarten als Erwachsene keine Anerkennung mehr. Sie haben sich arrangiert mit ihrer Wertlosigkeit. Ob im Beruf oder am Rande der Gesellschaft, sie tun, was das Leben von ihnen verlangt und sehen zu, dass sie so gut wie möglich durch den Tag kommen. Aus die Maus.
Die unstillbare Sehnsucht nach Anerkennung
Fühlst Du manchmal Neid und Eifersucht? Weißt Du, wie es ist, etwas ungerecht zu finden? Hast Du Besseres verdient, als Du bekommst? Haben Deine Eltern Dich zu wenig geliebt? Zu wenig beachtet? Zu viel kritisiert? Wie ist es im Beruf? Wird Deine Leistung als selbstverständlich hingenommen? Vermisst Du Anerkennung in Wort und Tat?
Anerkennung kann ein zweischneidiges Schwert sein. Bei Kindern gebraucht der gewitzte Pädagoge Anerkennung, um die Kinder zu formen. Durch Lob und bewertende Hervorhebung sind die kleinen Persönlichkeiten häufig wie Wachs in den Händen eines Manipulators. Viele Kinder werden rasch abhängig davon, aus der Masse hervorgehoben zu werden und sich als etwas „Besseres“ zu fühlen. Gut zu beobachten in autokratischen Systemen, die viel Wert darauf legen, kleine Kinder schon früh erziehen und formen zu können. In Deutschland wurde die Kunst der hervorhebenden Anerkennung im Nationalsozialismus extrem erfolgreich angewandt in nahezu allen Bereichen des Systems.
Kann man die Sucht nach Anerkennung loswerden?
Stellt man an sich fest, dass die Sucht nach Anerkennung durch Eltern, Beruf, Partnerschaft, die eigenen Kinder oder gesellschaftliche Systeme unangenehme Nebenwirkungen hat, kann man tatsächlich etwas tun, um sich zumindest teilweise davon zu befreien. Grundlegend geht es um die Kunst, wahres Selbstbewusstsein zu entwickeln.
Egal, ob man durch seine Abhängigkeit von Anerkennung zum skrupellosen Narzissten wird – oder zum Bettler um Wertschätzung, Liebe und Anerkennung – Beiden ist es unerträglich, ohne Anerkennung von außen glücklich zu sein. Frauen sehnen sich oft nach Anerkennung für ihr Äußeres und ihre gesellschaftliche Beliebtheit (Quelle Statista 2022), Männer brauchen demnach Anerkennung für Erfolg und Status.
arbeits-abc.de – Externe Faktoren der Selbstsicherheit
Selbstbewusstsein von innen – 5 Tipps
Willst Du frei werden von dieser Abhängigkeit nach Anerkennung, gebe ich Dir 5 Tipps, wie Du Dich Schrittchen für Schrittchen davon befreien kannst. Doch es ist ein sehr langer Weg bis zur lächelnden Selbstgenügsamkeit. Viele Menschen schaffen es nicht einmal im hohen Alter – doch Gott sei Dank viele Menschen schon. Darum sind alte Menschen häufig so zufrieden mit sich. Sie haben es geschafft, auf äußere Anerkennung verzichten zu können.
Tipp Nr. 1: Erkenne Deine Abhängigkeit von Lob und Anerkennung im Beruf
Dein Chef lobt Dich – was geht in Dir vor? Nimm diese Reaktionen in Dir bewusst wahr. Kann es sein, dass Du Dir in der Zeit danach besonders viel Mühe gibst, alles zu geben, weil Du auf ein erneutes Lob hoffst? Kann es sein, dass Du Dich schlecht fühlst, wenn diese Erwartung nicht erfüllt wird? Frustriert es Dich, wenn Du beruflich längere Zeit nicht gelobt und hervorgehoben wirst? Wenn Du erkennst, wie Dich Lob und Anerkennung durch eine Person, die hierarchisch über Dir steht, manipuliert, bist Du schon ein kleines Schrittchen weiter. Wer will schon „ParteisoldatIn“ sein?!
Tipp Nr. 2: Erkenne Deine Abhängigkeit von Liebe und Anerkennung in Familie und Umfeld
Was macht es mit Dir, wenn Dein/e Partner/in Dich missachtet? Oder wenn die Lehrer/Innen Deiner Kinder Dir zu verstehen geben, Du hättest etwas falsch gemacht in der Erziehung? Wie ist es, wenn im Verein andere Mitglieder mehr hervorgehoben werden als Du? Kannst Du Anerkennung neidlos gönnen oder spürst Du Neid und Eifersucht? Es ist kein „Charakterfehler“, wenn Du diese bohrenden Gefühle wahrnimmst. Es ist einfach nur wichtig, DASS Du diese Abhängigkeit von Anerkennung erkennst. Genau das ist das erste Schrittchen zur Befreiung.
Tipp Nr. 3: Sei Dein eigener Berater und analysiere die Tiefe dieser quälenden Sucht
Ich empfehle sehr gern, sich ein Rider-Waite-Tarot zuzulegen und mithilfe zufällig gezogener Karten den zugrundeliegenden Gefühlen auf die Spur zu kommen. Frage Dich, warum Du so abhängig vom Lob Deines Chefs bist – und zieh eine Karte! Schau Dir lange das Bild an und bilde Assoziationen zu dem, was Du siehst. Du kannst es aufschreiben oder einfach mit dem Smartphone aufsprechen. Das Rider-Waite-Tarot ist im Jugendstil gehalten. Es ist nicht wichtig, die Bedeutung der Karten zu kennen. Sie machen einfach Freude und erzeugen meist keine Ängste (außer vielleicht die Karten Tod und Teufel 😉 ).
Tipp Nr. 4: Male Dir das Schlimmstmögliche aus
Du erlebst etwas Bedrohliches in Deiner Abhängigkeit von Anerkennung: Dir droht Arbeitslosigkeit, Liebesverlust oder eine andere Art von Verarmung, Vereinsamung, Zurückweisung, Verlust. Nimm Dir ein Blatt Papier und schreibe ganz genau auf, was passieren kann, wenn sich diese Bedrohung bewahrheitet. Wähle die schlimmste aller Möglichkeiten mit Deiner Vorstellungskraft. Was kann passieren, wenn Du Dein Hab und Gut verlierst? Was wäre denkbar, wenn Dich Dein/e Partner/In verlässt? Was kann geschehen, wenn ein böses Gerücht über Dich die Runde macht? Oder wenn Du ganz schlimm krank wirst? Deine größte Angst verliert ihre Macht, wenn Du es wagst, sie mit der Taschenlampe zu beleuchten. Schreibe das Schlimmstmögliche auf. Genau das ist der Weg, sich von der Angst vor Einsamkeit und Wertlosigkeit zu befreien.
Tipp Nr. 5: Suche Dir Vorbilder!
Es ist nicht leicht, Menschen aufzutreiben, die ihre Abhängigkeit von Anerkennung verloren haben. Auf keinen Fall findest Du solche Vorbilder bei Coaches oder profitorientierten Gurus, die mit ähnlichen Versprechungen locken. Menschen, die ihren wahren Selbstwert gefunden haben und sich befreit haben von der Sucht nach Anerkennung, sind gelassen, brauchen nicht viel, akzeptieren das, was ist. Oft kannst Du solche Vorbilder im Altersheim finden.
Wie sang Janis Joplin so schön?
„Freedom is just another word for nothing left to lose„
Wer nichts mehr will, ist weise. Wer nichts mehr verlangt, ist frei. Wer seine Mitmenschen liebt wie sich selbst, ist ein gutes Vorbild für die unzähligen Gequälten, die sich so leidvoll nach Anerkennung, Liebe und Geborgenheit sehnen. Such Dir Vorbilder unter den Alten, den Armen, den spirituell Zurückgezogenen. Irgendwann wirst Du es geschafft haben, auch dieses Wunder zu erfahren. Übe einfach jeden Tag und hab‘ Geduld. Es ist ein langer Weg nach Laramie, und das ist gut so.