Eigenverantwortlichkeit: Eine libertäre Ideologie?

Keine Frage, wer in einer Umgebung aufwuchs, in der sich die Menschen ausgeliefert und gelähmt fühlten, in der es jede Menge Gewalt und Streit gab – und wo sich niemand für Schulleistungen und berufliche Aufstiege interessierte, der wird Schwierigkeiten haben, aus eigener Kraft den Absprung zu schaffen. Genauso wie ein anderer Mensch, der als Kind umgeben war von familiär eiskalter Leistungsforderung, von menschlicher Ignoranz und Härte, der gar nicht weiß, wie sich schlichte Liebe anfühlt, nur sehr schwer dahin kommt, sich aus dieser Ehrgeizhölle zu befreien und zum liebenden Menschen zu werden. Doch befreien diese beiden grausamen Extreme wirklich vor Eigenverantwortlichkeit?

Bild von Suvajit Roy auf Pixabay

Heute fragte ich einen schwerabhängigen Alkoholiker, ob er es nützlich findet, wenn man Drogen- und Alkoholsucht als Krankheit ansieht. Erst verstand er mich nicht, doch dann schon: „Ich wollte immer nur Party machen, und zwar so wild wie möglich. Schau Dir an, wie Til Schweiger heute aussieht – und viele andere Promis. Dann verstehst Du, was ich meine“.

Auf jeden Fall sollte man (wie es ja auch geschieht) Süchtigen immer wieder Chancen geben, Therapien wahrzunehmen und aus ihrem Elend herauszukommen – doch wird nach meinem Empfinden der Süchtige erst dann ernsthaft gegen die Sucht kämpfen, wenn er intensiv seine Eigenverantwortlichkeit spürt und übernimmt. Solange die Schuld bei Mutter, Vater, den falschen Freunden und was auch immer gesucht wird, so lange fühlt man sich als Opfer – und Opfer kämpfen nicht, Opfer leiden, schimpfen und jammern.

Leider gibt es in unserer heutigen Zeit die gesellschaftliche Auffassung, dass für eigene Probleme immer andere verantwortlich sind. Ich war in der letzten Zeit auf verschiedenen (sehr spannenden) Therapiesitzungen und habe erstaunt beobachtet, dass es immer nur darum ging, als Ursache von Lähmung, Leid, Angst und Versagen die Kindheit heranzuziehen. Mutter, Vater, Oma, Opa… das ist ja furchtbar!

Ich frage mich langsam, warum Frauen überhaupt noch freiwillig Kinder bekommen – wenn diese Bereitschaft dazu führt, dass für den Rest Deines Lebens die Leute mit Fingern auf Dich zeigen, weil Du die Krankheiten Deiner Kinder durch schlechtes Betragen, Klammern oder mangelnde Liebesfähigkeit verursacht hast.

Zu Helikopter, zu unvorsichtig, zu selbstsüchtig, zu leidend, zu handyfixiert, zu spießig… Wann wehren sich Frauen endlich gegen diese kitschige „Mutter Maria“ Ideologie, die es übrigens noch gar nicht so lange gibt!

Ich bin aufgewachsen in einer Welt, in der es zumindest bei Katholiken hieß „Du sollst Vater und Mutter ehren“ und nicht „Du sollst Deine Kinder ehren“. Heute sind alle seelisch krank, weil ihre Mutter sie allein gelassen hat, als das Kind sie gebraucht hätte. Ich gebe zu, diese Schuldzuweisung weckt in mir die alte Rebellin, die für all die anspruchsvollen jungen und erwachsenen Menschen ein Gedicht verfasst hat.

Pech gehabt

Pech gehabt, kann passieren.
Such die Schuld, bei wem Du willst.
Dein Geheule ist vergebens.
Die Droge, mit der Du Versagen stillst.

Unsre Tat! Was wir entscheiden,
Kommt durch das, was in uns webt.
Fäden spinnen, Schiffchen führen,
Gewebtes zeigt, was in uns lebt
.

Wähle Liebe, wähle Leistung,
Wähle Hass und Apathie.
Du bleibst der Weber Deines Lebens,
Der Abrechnung entkommst Du nie
.

Glaub an Gott, an Fremdbestimmung.
Glaub an Geld, Gerechtigkeit.
Weine, jammre, such Erlösung
Was bleibt, ist Eigenverantwortlichkeit

Seit über zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Manager/Innen. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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