Freiwillig Single sein? Jede/r fünfte Deutsche lebt allein

Die Anzahl der Alleinlebenden steigt weiter. Bei den Männern lebt im Durchschnitt jeder Fünfte allein, bei den Frauen sind es noch mehr. Ab dem 65. Lebensjahr ist fast jede zweite Frau (44,6 Prozent) allein in ihrem Haushalt. Alternativen sind Haushalte mit Eltern, Partnerschaften, Familien, WG’s… Selbstverständlich haben sicher viele dieser Alleinlebenden eine Zweierbeziehung, doch andere Studien zeigen, dass in Deutschland anscheinend jede/r Dritte ein Single ist. Viele dieser nicht Gebundenen leiden an ihrem Schicksal und wünschen sich von Herzen, den oder die richtige/n Lebenspartner/ zu finden – doch dank der gestiegenen gesellschaftlichen Akzeptanz gibt es auch immer mehr Singles, die offen eingestehen, dass sie gern und aus Überzeugung Single sind – ich gehöre dazu.

Als Single erkannt

Ich erinnere mich, wie ich in einer Fortbildung für Kinesiologie von einer jungen Frau (hatte mit ihrem Partner teilgenommen) ganz verwundert angesprochen wurde: „Du bist der erste Single, den ich kenne, der so richtig glücklich damit zu sein scheint“. Damals war ich ganz erstaunt, für mich war ja mein Leben total selbstverständlich – und ich hatte mir nie über meinen gesellschaftlichen Status Gedanken gemacht.

Einige Jahre später war ich beim Einwohnermeldeamt wegen einer Bescheinigung für meinen Sohn. Da sagte die Mitarbeiterin direkt als ersten Satz „Oh, da brauchen Sie aber die Unterschrift des Vaters“. Ich: „Woher wissen Sie denn, dass ich alleinerziehend bin?“ Sie: „Das sieht man“. Wir mussten beide lachen. Ja, das sah man. Ich strahlte wohl so etwas Unabhängiges aus, und ich vermute, auch diese Mitarbeiterin war Single ;). Irgendwie waren wir uns direkt einig.

Bild von Lars Nissen auf Pixabay 

Warum ich gern Single bin

Vor drei Jahren hatte es mich auf meine „alten Tage“ noch einmal erwischt. Ich verliebte mich spontan und lebte von der ersten Begegnung an mit diesem Mann zwei Jahre lang zusammen. Es war berauschend, es war wunderschön – doch sowohl er als auch ich waren zuvor eingeschworene Singles gewesen – auf die Dauer hielten wir beide die Konsequenzen unserer Partnerschaft nicht durch.

Ich war es gewohnt, immer zu tun, was ich wollte. Er war jemand, der konfliktscheu war und wenig eigenen Willen zeigen konnte. Das führte dazu, dass ich (was mir extrem unangenehm war und ist) stets den Ton angab. Ich war es einfach nicht gewohnt, Kompromisse zu machen oder gar Dinge zu tun (zum Beispiel im Streaming langweilige Serien und Filme zu schauen), die mich nicht interessierten. Ich gehe, wohin ich will, schlafe, wann ich will, esse, was ich will und treffe mich, mit wem ich will – und zwar so oft und so lange, wie ich will.

Nein, diese zwei Jahre, in denen ich mehr oder weniger zum Unterdrücker mutierte, waren mir eine Lehre. Der Mann tat mir so leid! Ich habe mich so sehr bemüht, zart zu sein, zu ermuntern, nachgiebig zu sein und mit Lächeln Dinge zu tun, die ich nicht mochte. Doch wenn ich nicht authentisch leben kann, bekomme ich schlechte Laune. Ich kann einfach nicht lügen. Und ich bin sehr schlecht darin, mich anzupassen – darum bin ich auch seit zwanzig Jahren selbstständig. Ich tauge nicht einmal für Angestelltenverhältnisse. Kompromisse machen zu müssen, erdrückt mich regelrecht.

Bin ich ein skrupelloser Egoist?

Natürlich muss und will ich beruflich für meine Leute das Bestmögliche geben! Ich bin sozusagen eine Leistungssportlerin der Empathie, der Motivation, der Transformation, des Lehrens und Beratens. Ich arbeite gern 40 bis 60 Stunden wöchentlich, und es wird mir nie genug. Ich liebe Menschen über alles und ich bin so dankbar dafür, dass ich genau das tun darf, was ich als meine Berufung empfinde: Menschen zu Selbstermächtigung und Selbstliebe begleiten. Menschen zeigen, wie großartig sind – genau so, wie sie sind.

Jeden Morgen beim Frühstück bitte ich alle guten Geister um mich herum (oder den lieben Gott oder mein Höheres Selbst oder was auch immer es ist…) mir dabei zu helfen, in meinem Beruf immer noch besser zu werden. Ich habe mehr als genügend Geld für meine bescheidenen Bedürfnisse (habe heute einen Haushaltsplan ausgefüllt und bin sehr zufrieden mit meiner finanziellen Bescheidenheit).

Ich habe täglich zwei, drei Stunden echte Freizeit abends (viele Eltern, engagierte Großeltern und Menschen mit pflegebedürftigen Angehörigen haben diesen Luxus nicht nicht). Ich habe Ruhe, wenn ich die Arbeit beendet habe, ich kann tun und lassen, was ich will. Ich springe fast jeden Morgen gerne aus dem Bett, weil ich mich auf die Herausforderungen des Tages freue.

Ja, ich bin gerne Single

Oh ja, ich bin unglaublich gern Single. Einsam bin ich nun wirklich nicht, und langweilig ist mir auch nicht. Für meinen Kopf habe ich genügend Rätsel, die ich tagtäglich lösen muss und darf, und lachen tue ich auch oft. Ich schlafe fast immer sehr gut, und wenn ich mich an Träume erinnere, bringen diese mich oft genug weiter auf meinem Weg. Was für eine Gnade! Als kleines Mädchen wollte ich Nonne werden – aber Single finde ich noch besser als Nonne. Ich habe so wenig Regeln zu befolgen, dass ich selber staune über mein Glück.

Kann sein, dass dieses paradiesische Leben schon morgen vorbei ist – man weiß es nicht – doch die vielen wunderschönen Jahre sind gewesen und dauern weiterhin an. Wer weiß, vielleicht bleibt es so, bis ich irgendwann lebens-satt ins Grab steige. Man wird sehen. Ich bin bereit, mein Schicksal anzunehmen – was auch immer es sei…

Der Standard vom 19.08.22 – Was mögen Sie am Single-Sein?

Seit über zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Manager/Innen. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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