Wir leben in einer Zeit, in der uns vor Allem interessiert, wie wir glücklich und perfekt werden. Menschen erkranken, weil es ihnen an Liebe und Bestätigung fehlt – weil sie sich einem riesigen „Außen“ gegenüber sehen mit ihrem unsicheren „Innen“. Familien sind oft der letzte Halt in einer Welt, in der nur noch Kicks und Erfolge zählen. Die folgende Ballade der Selbstermächtigung widme ich allen Menschen, die Einsamkeit kennen, Ohnmacht und Verzweiflung. Die lernen mussten zu kämpfen und zu überleben – und für die das Schicksal einen verdammt unbequemen Weg ausgesucht hat – für unsere Helden, Invaliden und Veteranen:
Die Ballade von der Selbstermächtigung
(zu singen nach Bertolt Brecht/ Kurt Weill: „Die Ballade von der sexuellen Hörigkeit“)
Da sagt man Dir, Du sollst Dein Leben loben,
Bist Mutter und Du dienst sehr klug von oben.
Du hältst den Rücken frei und machst sie süchtig
Nach deiner Liebe – ach sie sind so wichtig.
Doch plötzlich schüttelst Du Dich wie ein Hund
Das ist die Selbstermächtigung
Nun schaust Du in den Spiegel, schaust in Dein Gesicht
Und siehst voll Staunen, bist ein Egoist
Und raffst Dich auf, wirst hart wie Stahl
Und spürst in jeder Zelle, hast die Wahl
Sie sollen nicht den Abend vor dem Morgen loben
Mit Deiner Selbstermächtigung kommst Du nach oben
Du hast daran geglaubt, dass Mutterliebe
Das Heiligste darstellt im Weltgetriebe
Jungfrau Maria und die Mutter Erde
Sich opfern für der Welten Herde.
Und wieder schüttelst Du Dich wie ein Hund
Das ist die Selbstermächtigung
Nun schaust Du in den Spiegel, schaust in Dein Gesicht
Und siehst voll Staunen, bist ein Egoist
Und raffst Dich auf, wirst hart wie Stahl
Und spürst in jeder Zelle, hast die Wahl
Sie sollen nicht den Morgen vor dem Mittag loben
Mit Deiner Selbstermächtigung bist Du ganz oben
Am Mittag ist es dann soweit, dass sich erfüllt
Der Schwur der Selbstermächtigung, der ewig gilt.
Das Kind kommt von der Schule heim, es ist so müde
Es klingelt einmal, wartet, klingelt wieder.
Das Schweigen bleibt, und Du begreifst ab dieser Stund,
So herrscht die Selbstermächtigung…
[…] Den Begriff „Empowerment“ kenne ich noch gar nicht so lange, den Begriff „Selbstermächtigung“ schon etwas länger. Als ich das Wort vor einigen Jahren zum ersten Mal in einer Facebook-Gruppe hörte mit der Bitte, wir sollten doch einmal für uns persönlich definieren, was wir mit „Selbstermächtigung“ verbinden, war das ein wichtiger Moment für mich. Damals habe ich das „Ballade von der sexuellen Hörigkeit“ von Bertolt Brecht umgetextet zur „Ballade von der Selbstermächtigung“. Im Zug auf dem Handy. Hier ist es […]